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Schottland ist die Freude des Jahres

Schottland ist die Freude des Jahres

Wunderbar und hocherfreulich: Die Schotten entscheiden jetzt selbst über ihre Unabhängigkeit. In diesem traurigen Jahr 2014 gab es wohl keine auch nur annähernd so positive Entwicklung. Dabei würde ich selbst als Schotte für den Verbleib bei Großbritannien stimmen. Ich würde mich aber auch ohne große Depressionen einer anders entscheidenden Mehrheit beugen.

Dieses Referendum zeigt, dass man dort im dritten Jahrtausend angekommen ist. In Großbritannien sind die Bürger nun wirklich der entscheidende Souverän. Und nicht mehr Monarchen, Regierungen, Adelige oder einige Parteien, an welche die Menschen im wahrsten Sinn des Wortes ihre Stimme abgegeben haben.

Besonders beeindruckend ist auch, wie intensiv und diszipliniert – natürlich auch scharf und pointiert, witzig und emotional – die Schotten in den letzten Monaten ihre Meinungen ausgetauscht haben. Wie sie die eigene dabei vertieft oder auch aus guten Gründen geändert haben.

Genauso wäre ein faires und freies Referendum auch die einzige gute Lösung für die Ukraine. An Stelle des Zusammenpralls der Nationalismen und des blutigen Eroberungskriegs Russlands.Oder des explosiven Status quo.

Die schottische Abstimmung sollte auch ein gutes Beispiel für Spanien sein. In Katalonien streben ja viele Menschen – nach einer ebenfalls drei Jahrhunderte alten staatlichen Gemeinsamkeit – jetzt ebenfalls Referendum und Unabhängigkeit an. Das wäre dort übrigens viel besser nachvollziehbar. Denn die einst Habsburg-treuen Katalanen sind von den Truppen der (jetzt noch den spanischen König stellenden!) Bourbonen einst militärisch besiegt und auch seither in ihrer Identität immer wieder brutal verfolgt worden. Besonders etwa während der Franco-Zeit. Ähnliches hat es in Schottland nie gegeben.

Die Parallelen zwischen Katalonien und Schottland gehen noch viel weiter. Da wie dort dominieren wirtschaftliche Argumente; beide Regionen glauben, dass sie in ihrem jetzigen Staat Nettozahler sind. Viele meinen daher, dass sie von der Unabhängigkeit gewaltig profitieren würden.

Dieser Glaube ist freilich trügerisch. Denn er übersieht die gewaltigen Kosten jeder Eigenstaatlichkeit. Diese reichen vom Aufbau einer eigenen Administration, Gesetzgebung und Armee bis zur teuren Währungsfrage. Die Mitgliedschaften in EU und Nato sind hingegen nur ein Scheinargument. Sie werden nach einigen Verhandlungsmonaten wohl bestehen bleiben beziehungsweise neu entstehen.

Es gibt noch eine verblüffende Parallele: In Schottland wie Katalonien steht der Nationalismus trotz seines nicht gerade solidarischen Regionalegoismus links. Die Unabhängigkeitsverfechter versprechen massive Wohlfahrtsprogramme und treten für multikulturelle Immigration ein.

Hingegen sind da wie dort in den Zentralregierungen konservative Parteien an der Macht. Diese kämpfen vehement gegen die Sezession. London nur mit Argumenten; das sehr nationalistische Madrid möglicherweise auch mit blutigen Mitteln. Parteipolitisch ist das übrigens nicht ganz logisch: Rein rechnerisch würden ja etwa die Konservativen viel bessere Chancen haben, die Mehrheit in Westminster zu behalten, wenn die Schotten mit ihren Labour-Abgeordneten und Linksnationalisten auszögen.

Überall sonst in Europa sind regionale, sezessionistische, autonomistische, identitäre Bewegungen jedenfalls eher rechts angesiedelt. Siehe etwa Flandern. Siehe Padanien (das von der Lega Nord angestrebte Norditalien). Siehe die Ungarn in der Slowakei und Rumänien. Siehe auch Südtirol. Dort sind sofort rechte Parteien entstanden und haben massiven Zulauf bekommen, als die einst konservative Südtiroler Volkspartei immer linker geworden ist.

In all diesen Gebieten wird aber unabhängig von ideologischen Fragen die schottische Entwicklung genau verfolgt. Und alle betroffenen Zentralregierungen würden im eigenen Interesse und dem des Friedens gut daran tun, sich künftig nicht mehr gegen demokratische Selbstbestimmung zu sträuben.

Sezessionisten sollten umgekehrt endlich aufhören, den Menschen für die Zeit der Unabhängigkeit das Herumfliegen gebratener Tauben zu versprechen. Aber, wo Regionen ethnisch, sprachlich, religiös unterdrückt waren oder sind, wo sie sich zumindest emotional total anders fühlen als der restliche Staat, ist die Unabhängigkeit der weitaus weisere Weg. Trotz seiner Steilheit.

PS: Größe ist übrigens absolut kein Gegenargument gegen Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Wer das bezweifelt, blicke etwa nach Liechtenstein oder Singapur, in zwei der absolut reichsten Länder der Welt.