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Zwischen Unfähigkeit und Polizeistaat: Für zwei Minister ist es Zeit zum Abgang

Zwischen Unfähigkeit und Polizeistaat: Für zwei Minister ist es Zeit zum Abgang

In der Geschichte war es noch nie der Jänner, sondern es waren meist die Monate März oder Mai, in denen massive Protestwellen mit oft großen Folgewirkungen quer über die Kontinente gerast sind. Und auch quer durch Österreich. Wenn heuer die Unruhen schon so früh anfangen, könnte das bedeuten, dass 2021 ein besonders unruhiges Jahr wird. Deswegen ist es jedoch besonders wichtig, sich um einen ruhigen Kopf zu bemühen. Je mehr man das tut, um so klarer wird, dass in Österreich inzwischen zwei Ministerrücktritte fällig sind. Und umso grotesker wird, dass die Demonstrationen bisher absolut unakzeptable Ziele haben, dass aber aus dem einzig des Zornes wirklich würdigen Grund seltsamerweise niemand auf die Straße geht.

Zuvor einige Überlegungen und Bewertungsversuche zu den historischen Wellen länderübergreifender Unruhen. Diese Empörungen sind immer dann positiv zu bewerten gewesen, wenn das Hauptziel mehr "Freiheit", bürgerliche oder nationale Freiheit, gewesen ist, und wenn gleichzeitig die Empörung keine anderen Kanäle hatte, um sich zu äußern.

Etliche historische Revolutionen sind auch mit sozialen Forderungen verbunden gewesen, mit Protesten gegen Hungersnöte, Massenarbeitslosigkeit oder Inflation. Solche sozialen Revolutionen sind zwar psychologisch meist verständlich gewesen, aber dennoch kein sinnvoller Grund für Massenproteste. Denn Demonstrationen oder Revolutionen können weder Missernten aus der Welt schaffen, noch die Wirtschaft ankurbeln, noch Jobs schaffen. Viele "soziale Revolutionen" – von denen an manchen Unis bis heute romantisch geschwärmt wird – haben sogar eindeutig zu einer kurz- wie langfristigen Verschlechterung der Ernährungs- und Wirtschaftssituation geführt.

Das heißt: Die Studenten, die 1968 in Prag oder Peking für die Freiheit auf die Straße gegangen (und dann blutig von kommunistischen Panzern niedergerollt worden) sind, zählen zu den ethisch wertvollsten Helden der jüngeren Weltgeschichte. Jene Studenten, die 1968 von Wien bis Paris unter Skandierung neomarxistischer Phrasen auf die Straße gegangen sind, zählen zu den dümmsten und übelsten Episoden der gleichen Epoche. Schwieriger ist es, die aggressiven Proteste der amerikanischen Studenten des gleichen Jahres zu bewerten: Diese wollten damit zeigen, nicht bereit zu sein, für die Freiheit der von den Kommunisten angegriffenen Südvietnamesen die eigene persönliche Freiheit aufzugeben (und als Soldat in einen Krieg geschickt zu werden ist zweifellos die absolute Antithese zur Freiheit): Bei ihnen stand also die eine Freiheit gegen eine andere.

Zurück in die Gegenwart: Die um ihre Freiheit gegen die Diktatoren Putin und Lukaschenko kämpfenden Bürger von Belarus und Russland zählen eindeutig zu den am meisten zu bewundernden Zeitgenossen. Sie zeigen große Tapferkeit. Sie sind bereit, ihr eigenes Leben gegen die Brutalität der bewaffneten Staatsmacht einzusetzen.

Zurück nach Österreich: Hier riskiert kein einziger Demonstrant sein Leben. Hier ist meist das Äußerste, was ihm passieren kann, eine Verwaltungsstrafe und eine kurzfristige Festnahme, wenn er sich nicht ausweisen will.

Der noch viel größere Unterschied zwischen der Alpenrepublik und den beiden postkommunistischen Diktaturen: Hier sind weder die Anliegen der linken noch die der rechten Demonstranten auch Anliegen einer Bevölkerungsmehrheit. Ganz im Gegenteil: Eine klare Mehrheit der Österreicher ist gegen die illegale Immigration und für die Abschiebung rechtswidrig Eingewanderter. Eine ebenso klare Mehrheit ist durchaus für einen konsequenten Kampf gegen die Pandemie und für Impfungen.

Daran ändert die Tatsache nichts, dass es in Österreich wie in vielen anderen Ländern bei diesem Corona-Kampf eine Unzahl von Fahrlässigkeiten, Pannen, Unsicherheiten, Zickzack-Entscheidungen und Widersprüchlichkeiten sowie eine gefährliche Vernachlässigung der Kollateralschäden in gesundheitlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht gegeben hat und gibt. Diese sind auch in diesem Tagebuch immer wieder aufgespießt worden.

Aber in Summe ist sich die Mehrheit der Österreicher durchaus bewusst, dass angesichts der chaotischen Dimensionen der Pandemie die Häufung von Pannen letztlich unvermeidlich ist – schon deshalb, weil auch in der Welt der sich äußernden Wissenschaftler eine Fülle von Widersprüchen zu hören war und ist.

Ebensowenig hat eine Mehrheit der Österreicher Verständnis für die linksradikalen Kundgebungen gegen die Abschiebungen. Und schon gar nicht für das klar rechtswidrige Ziel dieser Demos, nämlich dass die Polizei rechtskräftige Urteile ignoriert.

Genausowenig Verständnis gibt es bei der Mehrheit der Österreicher für die Ziele der Anti-Corona-Demonstranten. Denn so sehr alle unter der Pandemie, den diversen Lockdowns und all den anderen Maßnahmen leiden, so sehr allen gleichsam alles auf die Nerven geht, so wenig glauben sie, dass die diversen "Spaziergeher" und Querdenker eine auch nur halbwegs sinnvolle Alternative aufzeigen können. Die Menschen wissen, dass man das Virus nicht wegputschen kann.

Die Mehrheiten gegen die einen wie die anderen Demonstranten bestätigen sich in allen Umfragen. Daran ändert der Umstand nichts, dass der ORF seit Jahr und Tag eine unverschämt einseitige Hetzkampagne in fast allen seinen Programmen zugunsten der Minderheit der Migrations- und Nur-ja-nicht-Abschieben-Extremisten veranstaltet.

Auf der linken Seite haben weder Grün noch Pink jemals von ihrer radikalen Pro-Migration/Anti-Abschiebungs-Haltung profitieren können. Sie bekämpfen einander letztlich nur gegenseitig im Kampf um Stimmen am äußersten linken Rand, ohne dass es aber dabei bisher nennenswerte Erfolge geben würde. Eigentlich sollte man glauben, dass in einer solchen Situation eine Oppositionspartei gegenüber einer Regierungspartei Vorteile haben müsste. Dennoch gelingt es den Neos durch ihre immer deutlicher werdenden Ansätze zum Linksüberholen lediglich, zu verhindern, dass die Grünen vernünftiger werden.

Auf der anderen Seite haben aber auch die Freiheitlichen durch die Unterstützung des radikalen Corona-Leugner- und Impfgegner-Lagers nicht punkten können. Diese Unterstützung hat ihnen wohl sogar geschadet. Denn sie liegen bei allen Umfragen höchstens beim (Tiefst-)Stand von der letzten Nationalratswahl. Dabei müsste eigentlich die Behinderung der ÖVP durch die Grünen beim Migrationsthema ein idealer Treibsatz für die Blauen sein. Findet doch die ÖVP bei diesem Thema erwartbarerweise mit den Grünen nie einen Konsens für irgend ein neues Anti-Migrations- oder Anti-Islamisierungs-Gesetz. Diese Situation müsste den Freiheitlichen eigentlich helfen. Sind sie doch als Anti-Migrationspartei stark geworden. Aber sie haben eben gleichzeitig durch ihre von Herbert Kickl vorangetriebene scharfe Corona-Politik eine ganze Reihe von Wählern abgeschreckt, die gerade zu diesem Thema ganz anders denken.

Spannend ist aber auch, wie sehr die zwei derzeit so aufwühlenden Themen gleich für mehrere Spaltungen sorgen:

  • Die Regierung steht vor einer Zerreißprobe zwischen ÖVP und Grünen in Sachen Abschiebungen;
  • Die SPÖ ist beim gleichen Thema sogar innerlich zerrissen: Einerseits kämpft der linke Flügel mit Grünen und Neos um die radikalste Position, andererseits erkennt die Parteiführung zunehmend, dass linke Positionen bei diesem Thema viele Arbeiter und Bürgerliche davor abhalten, sich wieder mit der SPÖ auszusöhnen;
  • Noch deutlicher ist die Bruchlinie quer durch die FPÖ. Da gibt es die radikale Corona-Linie von Herbert Kickl, der die Anti-Migrationspartei mit diesem Thema wieder einmal komplett neu erfinden will. Da gibt es auf der anderen Seite den gemäßigten Norbert Hofer und die oberösterreichische FPÖ (den stärksten Landesverband der Blauen), die viel gemäßigter agieren, wo man sich auch gerne impfen lässt, während die radikalen Gegner so tun, als ob die Impfungen ein Vergiftungsanschlag durch Bill Gates oder Sebastian Kurz wären.

Jedoch so irrelevant inhaltlich die Demonstrationen sind, und so überschaubar sie von der Größe her vorerst noch sind – links haben trotz massiver Unterstützung durch ORF und die drei Linksparteien ein paar Hundert teilgenommen, rechts rund um die FPÖ ein paar Tausend, – so dramatisch hat sich jedoch das ganze Bild durch das überflüssig massive Vorgehen der Polizei gewandelt. Jetzt geht es nicht mehr um die Dummheiten der Demonstranten, jetzt geht es um die Gefahr, dass sich Österreich in diesen Tagen in einen Polizeistaat verwandelt hat. Und diese Verwandlung hat ein Gesicht: Das des Karl Nehammer.

Wien darf nicht Moskau werden

Er ist hauptverantwortlich dafür, dass man neuerdings bei den abendlichen Fernsehnachrichten vor allem ein Problem hat: Man weiß nicht mehr genau, ob man gerade Bilder aus Moskau, Minsk, Amsterdam, Paris oder – Wien sieht. Überall bekommt man martialisch gewandete Polizisten zu sehen, die brutal gegen Demonstranten vorgehen.

Das aber ist für sehr, sehr viele Österreicher unerträglich anzusehen. Also auch für die, die absolut keine Sympathien für die Kundgebungen hegen.

Damit macht Nehammer diese relativ kleinen Gruppen plötzlich relevant. Damit schürt er ein Feuer, das leicht zu einer Explosion führen kann. Er begreift nicht, dass Rechtsstaat und Demokratie viel mit Freiheit zu tun haben sollten. Er begreift nicht, dass Bürger keine Kompanie Soldaten sein wollen, die auf Befehl des Herrn Offiziers Habtacht stehen.

Auch wenn man deren Ansichten absolut nicht teilt, muss man auch als Minister zur Kenntnis nehmen, dass mehr oder weniger große Gruppen von Bürgern Anliegen haben, die sie irgendwie äußern wollen. Und sollen. Denn wenn man alle Ventile ständig zuhält, wird der Explosionsdruck einfach zu groß. Vor allem weil es keinerlei seriöse Nachweise gibt, dass bei Demonstrationen wirklich eine so große Ansteckungsgefahr besteht, die das brutale Dreinhauen zumindest ansatzweise rechtfertigen könnte.

Freilich sollte man auch nicht alle Fehler bei Nehammer suchen. Ein ebenso großer Fehler ist in den zehn Monaten davor passiert. Speziell in der Corona-Frage haben die Bürger das Gefühl gehabt, dass ihnen nicht zugehört wird (höchstens den sich ständig wichtigmachenden Theaterdirektoren), dass niemand auf gleicher Augenhöhe mit ihnen diskutiert. Gewiss kann nicht jeder einzelne Bürger die Politik bestimmen. Aber bisweilen würden sich auch bei den "Querdenkern" interessante Gedanken finden. Gewiss kann die Regierung auch in einem ernst genommenen Bürgerdialog nicht zum Hellseher werden, der voraussagt, wie in einem Monat die Infektionszahlen sein werden, um allen Schulen und Betrieben die von diesen so ersehnte Planungssicherheit geben zu können.

Aber genau das wäre eigentlich seit einem Jahr vor allem Aufgabe eines Gesundheitsministers gewesen, der seinem Amt gewachsen ist, der sich ständig den Menschen stellt. Auch wenn die Pandemie über uns alle drüberfährt, dürfen die Menschen niemals das Gefühl bekommen, dass die Politik oder gar die Polizei über sie drüberfährt.

Natürlich hätte das auch Aufgabe des fetten Zwangsgebühren kassierenden ORF sein können. Dieser versteht sich aber als das absolute Gegenteil von einem Dialogsender: als Kampagnensender. Das hat er in den letzten Tagen wieder in unglaublich provozierender Form zugunsten der Migrationslobby betrieben. In Sachen Corona hingegen betätigt er sich auf Regierungsseite. Aber auch da bemüht er sich keine Sekunde um einen offenen und gleichberechtigten Dialog. Wer etwa Sonntagabend die Berichte über die Wiener Corona-Demonstrationen sowohl im ORF wie auf Servus-TV gesehen hat, der würde niemals glauben, dass dabei über die gleichen Vorgänge berichtet worden ist.

Was aber am unglaublichsten ist, ist die Tatsache, dass gegen den einzigen wirklichen Skandal dieser Tage und Wochen, gegen jenen Skandal, der Tausende Menschenleben kostet und noch viel mehr Schicksale massiv beeinträchtigt, keine einzige Demonstration stattfindet: Das ist das Totalversagen der EU, genügend und rechtzeitig alles für die Impfstoffbeschaffung unternommen zu haben.

Auch da kommen wir wieder auf den Gesundheitsminister zu sprechen, der von österreichischer Seite der Hauptverantwortliche dafür gewesen wäre, Druck auf die EU auszuüben – oder auch einen Alleingang zumindest anzuregen, wie ihn das gleich große Israel mit Erfolg gegangen ist. Stattdessen hat uns der Mann täglich Statistiken vorgelesen und einen subalternen Beamten mit dem Thema Impfstoffbeschaffung beauftragt. Und gar nicht bemerkt, wie das Wichtigste verschlafen worden ist.

Es kann keine Frage mehr sein: Österreich wäre viel besser dran, wenn die Regierung jemand Besseren für ihre Ämter fände als die Herren Anschober und Nehammer.

PS: Einen wenig intelligenten Vorschlag hat der Wiener Bürgermeister Ludwig zum Abschiebethema präsentiert: Wir sollten die "G'fraster" abschieben, und die anderen dalassen. Mit Verlaub, Herr Bürgermeister, und bei allem Verständnis für einfache Sprache: Ist nicht im Grunde jeder ein G'frast, der illegal nach Österreich kommt? Oder ist man erst ab der dritten Vergewaltigung ein solches?