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Was meine Waschmaschine, der Krieg und die Pflege mit Ronald Reagan und Boris Johnson zu tun haben

Was meine Waschmaschine, der Krieg und die Pflege mit Ronald Reagan und Boris Johnson zu tun haben

Just in jenen Tagen, da im Osten Europas der schlimmste Krieg tobt, den der Kontinent seit 1945 erlebt hat, da in Österreich die Koalition eine weitgehende Pflegereform verkündet hat, da in Großbritannien Boris Johnson für Schlagzeilen sorgt, die wie von einem anderen Planeten klingen, ist meine Waschmaschine reparaturbedürftig geworden.  Und zufällig habe ich eine alte Biographie über Ronald Reagan zu lesen begonnen, über den zweifellos wichtigsten und erfolgreichsten Nachkriegspräsidenten der USA.

Reagan hat Amerika aus der tiefen Verzweiflung der Carter-Jahre herausgeholt; er hat das Budget weitgehend saniert, zugleich die Steuern signifikant gesenkt und einen wirtschaftlichen Boom ausgelöst; und er hat gleichzeitig durch massive Investitionen in die vernachlässigte militärische Stärke der USA die Sowjetunion nicht nur zum START-Rüstungsbegrenzungsabkommen gezwungen, sondern auch zur historischen Wende des Jahres 1989. Zumindest waren er und seine Politik, so sind fast alle seriösen Analysen einig, entscheidende Hauptfaktoren für das Scheitern und Abdanken des Sowjetkommunismus, wo immer mehr Führer die Unterlegenheit des Systems erkannt haben. 

Wie hat Reagan diese (vielen kontinentaleuropäischen Politikern unmöglich scheinende) Quadratur des Kreises geschafft? Mit einem Satz: Das Entscheidende ist gewesen, dass er – im interessanten Parallelschwung mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher – zahllose, in die Jahre gekommene Regierungsprogramme auslaufen hat lassen. Dadurch hat er gleichzeitig die Beamtenzahl drastisch reduzieren können.

Das hat zwar anfangs zu einem Aufjaulen der betroffenen Beamten und der gesamten Linken geführt, die ja als Hauptideologie die tagaus, tagein erhobene Forderung nach immer noch mehr Staat hat. Aber in Wahrheit ist wegen Reagans Wohlfahrts-Kürzungen niemand verhungert, vielmehr wurden viele Amerikaner aus der jahrelangen Abhängigkeit von Wohlfahrts-Schecks herausgeholt und zum Wechsel in die Berufswelt gebracht, was sich auch auf Selbstwertgefühl und Gesundheit positiv auswirkt.

Diese vielen Wohlfahrtsprogramme waren einst von früheren US-Präsidenten eingeführt worden. Sie sind aber inzwischen längst überholt – oder waren schon von Anfang an überflüssig.

Zurück in die Gegenwart. Da lässt nun Boris Johnson einen Paukenschlag ertönen, der ganz massiv an die goldenen Reagan/Thatcher-Jahre erinnert. Er will nicht weniger als 90.000 Beamte abbauen. Diese gewaltige Zielvorgabe bliebe selbst dann eindrucksvoll, wenn der nun zweifellos einsetzende hinhaltende Widerstand der Bürokratie und Profiteure ihn dieses Ziel am Ende nur zur Hälfte erreichen lassen sollte.

  • Gleichzeitig hat Johnson seinem Land nach dem Brexit (oder durch den Brexit) neues Selbstvertrauen eingeimpft, schon weil die von Brüssel prophezeite große britische Wirtschaftskrise ausgeblieben ist (wie Reagan damals den Amerikanern).
  • Gleichzeitig stand Großbritannien an der Spitze jener Länder, die der Ukraine als allererste durch Waffenlieferungen geholfen haben (während in Deutschland fast drei Monate später noch immer die endlich angekündigten Waffenlieferungen an bürokratischen Hindernissen hängen!). Johnson setzt damit den russischen Machthaber genauso unter Druck wie Reagan damals die sowjetischen.  
  • Gleichzeitig hat Großbritannien Finnland und Schweden durch bilaterale Beistandszusagen sofort den notwendigen Rückhalt gegeben, um ungefährdet die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des angesteuerten Beitritts zur Nato mit ihrer Sicherheitsgarantie zu überstehen. Damit können sie auch die plötzlichen Querschüsse aus Ankara (deren offenbares Motto: Diktatoren aller Länder verbündet euch) ins Leere gehen lassen.

Johnson will ganz offenbar als ähnlich prägende Figur in die Geschichte Großbritanniens eingehen, wie das Reagan für die USA gelungen ist. Und er tut dies mit ganz ähnlichen Rezepten.

Der Österreicher hingegen kann sich nicht erinnern, dass hierzulande jemals auch nur ein Bruchteil eines solchen Beamtenabbau-Zieles nach Johnson- oder Reagan-Art angesteuert worden wäre. Maximal hat es für kurze Zeit einen Aufnahmestopp auf Bundesebene gegeben. Es ist offenbar alles unglaublich wichtig, was da jeder einzelne Beamte tut. So vermitteln es uns zumindest die Beamten selbst und die dafür verantwortliche Politik. Und seit Wolfgang Schüssel und Jörg Haider ist ein Beamtenabbau nicht einmal mehr verbal angesteuert worden.

Aber auch sonstige Einsparungen überflüssiger Staatsausgaben bestehen oft nur aus Überschriften. Das hat mir das Schicksal meiner Waschmaschine wieder einmal klargemacht (ich könnte aber beispielsweise auch nochmals die vor kurzem hier geschilderten Irrsinns-Erlebnisse mit völlig überflüssigen und unsinnigen Polizei-Aktionen wiederholen).

Die Waschmaschine war nach mehr als zehn Jahren altersschwach geworden. Die Herstellerfirma hat die Reparatur prompt durch einen kompetenten Monteur erledigen können. Die Rechnung dafür blieb ziemlich genau im Rahmen dessen, was ich erwartet hatte. Dann aber sagt der Reparatur-Experte Verblüffendes: "Sie müssen nur die Hälfte zahlen."

Wie das? Ich solle den Reparaturbonus der Republik Österreich in Anspruch nehmen. Dafür genügen ein paar Klicks im Internet.

Die ich gerne machte. Die mir aber auch eindrücklich vermittelten, für wie viele sinnlose Dinge doch der Staat Geld hinauswirft. Denn natürlich hätte ich so wie die allermeisten, die vom Reparaturbonus profitieren, genauso die Waschmaschine reparieren lassen, wenn ich keinen solchen Anspruch gehabt hätte. Von dem ich gar nichts gewusst habe.

Das lässt wieder einmal intensiv darüber nachdenken, wie sehr der Staat Geld verschwendet. Denn höchstens ein winziger Bruchteil der Reparaturbonus-Gelder bewirkt das, was ursprünglich beabsichtigt gewesen ist: dass Österreicher kaputte Geräte nicht wegwerfen, sondern reparieren lassen. Ab einer gewissen Größenordnung lässt man jedoch so und so reparieren. Für billige Kleingeräte hingegen kann man den Menschen das Wegwerfen auch mit Reparaturbonus nicht abgewöhnen, wie die mit solchen Geräten vollen Container in den Müllsammelplätzen beweisen.

Ebenso ins Leere geht die zweite Hälfte des ursprünglichen Zwecks dieser Idee: Das war die Schaffung von Arbeitsplätzen in den erhofften zusätzlichen Reparatur-Unternehmen. Die sind kaum entstanden, auch wenn es die Wirtschaftskammer nie offiziell zugeben wird. Und mit absoluter Sicherheit lässt sich sagen: Menschen, die so geschickt sind, dass sie elektrische Geräte reparieren können, werden vom Arbeitsmarkt ohnedies gesucht wie in Briefmarkenzeiten die blaue Mauritius. Da braucht es erst recht keine Förderung.

Nur wenige erinnern sich noch, wie laut sich eine einstige Regierung der Einführung des Bonus berühmt hat. Man hat damals über den Stein der Weisen gejubelt, der gleich zwei politische Interessen bedient: Hie die Umweltbewegten, die das Wegwerfen reduzieren wollten, dort die Wirtschaftskammer, die sich ein Geschäft für ihre Mitglieder versprochen hat.

Das Allerschlimmste ist aber, dass keines der vielen Projekte, die meist nur ein paar Tage dazu gut waren, dass sich Politiker bei der Einführung auf die Schulter klopfen können, ab Einführung jemals wieder auf seine Notwendigkeit überprüft wird.

Genau dazu bräuchte es einen eisernen Besen eines Reagan oder Johnson. Dabei kennt wohl jeder von uns solche Beispiele sinnloser – aber teurer Politaktivitäten.

Die größte Sinnlosigkeit der letzten Jahre war zweifellos der Datenschutz, der für jeden Internet-Benutzer eine nervende Belästigung ist, der Unternehmer und die Republik aber Milliarden gekostet hat, und der die billigste Ausrede für Behörden geworden ist, nichts zu tun. Und der in keiner Weise die Unmenge an terrorisierenden Spam- und Phishing-Mails reduziert hat.

Ähnlich viel Geld könnte sich der Steuertopf durch einen einzigen Paragraphen des Strafgesetzbuches ersparen, der die Vergabe von Inseraten und Kooperationen streng an die Einhaltung der sonst üblichen Vergabe- und Ausschreibungsvorschriften bindet.

An all das muss ich denken, wenn jetzt mit der Pflegereform wieder ein neuer milliardenschwerer Ausgabeposten eingeführt wird. Keine Frage: Das Thema Pflege ist für zahllose alte Menschen und viele Familien ein ganz wichtiges. Daher ist die Befassung damit im Prinzip und aus Menschlichkeit durchaus positiv. Nur bin ich ganz und gar nicht sicher, ob jetzt durch dieses Maßnahmenbündel die Pflegeproblematik wirklich gemildert wird. Oder ob einfach Geld in ein System gebuttert wird, ohne dass dort außer Mitnahmeeffekten viel bewegt wird.

An dieser Sorge ändert es auch nichts, dass die Opposition wie immer losschreit: "Viel zu wenig!" Als ob österreichische Parteien schon jemals gesagt hätten: "Viel zu viel!"

Nur erstaunt schon, dass die Politik immer wieder neue Ausgabenprojekte (die natürlich auch fast immer eine saftige Anzahl von Beamtenposten schaffen) in die Welt setzt, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, welches alte Projekt man statt dessen einsparen kann.

Dabei ist absolut sicher, dass es davon eine Unzahl gibt. Ist doch die Staatsquote in Österreich – also jener Prozentsatz des BIP, den Bund, Länder, Gemeinden und sonstige Zwangsgebührenkassierer ausgeben – hierzulande weitaus höher als in den USA.

Dabei tun diese seit Reagan sehr viel für die eigene Sicherheit und die ihrer Verbündeten (was man von Finnland bis Schweden sehr zu schätzen weiß), während Österreichs Verteidigungsausgaben trotz der hohen Staatsquote nur noch als Schande bezeichnet werden können. Dabei wären Verteidigung gegen äußere Feinde und Sicherung von Ruhe und Ordnung eigentlich die wichtigste Hauptaufgabe des Staates. Aber nicht das Auszahlen von "Alters"-Pensionen an jugendliche Sechzigjährige.

PS: Bisher hat mich niemand überzeugen können, dass die unstrukturierte Gleichzeitigkeit der jetzigen Reform mit dem weiterlaufenden Pflegegeld – einer früheren vielbejubelten Reform in die genau gleiche Richtung – wirklich durchdacht, effizient und finanzierbar ist.

PPS: Überdies wird durch die jetzige Reform eine andere Fehlentwicklung einzementiert: Das ist die Tatsache, dass Pflege- und Gesundheitssystem rechtlich nichts miteinander zu tun haben. Obwohl sie im wirklichen Leben sehr eng ineinander verwoben sind. Und obwohl es sicher effizient wäre, beides organisatorisch miteinander zu verbinden.