
Otto Habsburg, die SPÖ und Österreichs Geschichte
Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hat zu Ostern in einem großen Beitrag eine der schmachvollsten Fehlentscheidungen Österreichs unter dem einstigen Bundeskanzler Faymann ans Licht gebracht. Sie beweist, wie strategisch die österreichischen Sozialisten auch unter diesem an sich wenig glänzenden Mann die einseitige Umschreibung der Geschichte dieses Landes im 20. Jahrhundert vorangetrieben haben. Dem ist damals wie heute von Seiten der ÖVP kein Widerstand entgegengesetzt worden. Diese Haltung setzt sich auch ganz aktuell in der neugebildeten Regierung fort, wo die SPÖ praktisch alle ideologierelevanten Ressorts besetzen konnte. Insbesondere jene für Kultur, Justiz und Wissenschaft.
Dabei hat ja gerade auch die SPÖ-Geschichte mehrere absolute Tiefpunkte aufzuweisen, die aber geschickt aus den meisten Geschichtsbüchern eliminiert worden sind, die ganz hinter den ebenfalls nicht zu leugnenden, aber von den SPÖ-Historikern einseitig hervorgehobenen Tiefpunkten des bürgerlichen Lagers versteckt werden sollen.
Die sozialistischen Tiefpunkte waren insbesondere:
- 1918/19: Vor allem die Sozialdemokraten haben die Vertreibung der Habsburger und die dauerhafte Demütigung jenes Herrschergeschlechts betrieben, das mehr als jede andere Familie dafür gesorgt hat, dass Österreich einst bedeutend geworden ist, dass Wien eine überaus schöne und lebenswerte Stadt geworden ist (was die SPÖ auch in diesem Wiener Wahlkampf wieder einmal wagt, sich durch eine kulturelle Leichenfledderei groteskerweise als eigenes Verdienst zuzuschreiben).
- 1927: Das ausdrückliche Verlangen nach einer "Diktatur des Proletariats" im Parteiprogramm hat logischerweise das gesamte Bürgertum Österreichs in Angst und Schrecken versetzt. Diese Forderung nach einer Diktatur für Österreich hat umso dramatischer gewirkt, als sie so knapp nach der Ausrufung einer ebensolchen "Diktatur des Proletariats" in Russland und den damit verbundenen Greueln sowie Verarmung jenes Landes erhoben worden ist. Von dieser Drohung sowie der Verbrennung des Justizpalastes durch Genossen im gleichen Jahr, die mit einem Urteil unabhängiger Geschworner unzufrieden gewesen sind, führt ein direkter Weg zur (aktuell vor allem von den Christlichsozialen verursachten) Ausschaltung des Parlaments 1933.
- 1934: Der Aufstand des SPÖ-"Schutzbundes" forderte Hunderte Tote auf beiden Seiten, sowohl bei den Aufständischen wie auch den Regierungseinheiten.
- 1938: Die SPÖ lehnte es gegen den Rat gemäßigter Mitglieder wie etwa Franz Olah ab, ihren Zorn auf die autoritär regierenden christlich-sozialen "Vaterländischen" beiseitezuschieben, und zur Rettung Österreichs an deren Seite gegen die Bedrohung aus dem Hitler-Reich zu treten.
- 1970: Damals nahm Bruno Kreisky gleich vier ehemalige Mitglieder der NSDAP als Minister in seine Regierung, um das altbraune Lager an sich zu binden und um die ÖVP auf Dauer zu einer Minderheitspartei zu machen.
- 1989: Bis zu jenem Jahr sabotierte die SPÖ den Beitritt Österreichs zur europäischen Integration.
Einen weiteren Tiefpunkt macht nun der Bericht der Frankfurter FAZ bewusst: Zwischen 2013 und 2016 hat sich die Regierung Faymann geweigert, den Nachlass des verstorbenen Otto von Habsburg zu übernehmen. Wer dafür die genaue Verantwortung getragen hat, ist unklar (in Frage kommen dafür Kulturministerin Claudia Schmied, der auch die Museen unterstanden, Josef Ostermayer als Staatssekretär für alles Schmutzige und Grobe oder eben Bundeskanzler Werner Faymann selber, wofür der Umstand spricht, dass auch in Ungarn der Regierungschef in die Causa involviert gewesen ist).
Tatsache ist, dass es neben dem Schweigen der Bundesregierung nur aus Niederösterreich zugunsten der wenig attraktiven Stadt St. Pölten Interesse am angebotenen Nachlass gab. Tatsache ist weiter, dass der ungarische Regierungschef Viktor Orbán rasch zugriff, als er von dem Nachlass hörte. Tatsache ist, dass dieser jetzt in Ungarn liegt, und dass für ihn auf der Budapester Burg vom ungarischen Staat ein ebenbürtiges Quartier vorbereitet wird.
Die Motive, warum Österreichs und Wiens Sozialisten den Nachlass nicht haben wollten, obwohl gerade sie bis heute so sehr von der Habsburger Geschichte profitieren, liegen auf der Hand. Die Genossen wollten und wollen an vieles nicht erinnert werden:
- An ihre Habsburg-Fresserei, die sich nicht nur in den Habsburgergesetzen nach dem ersten Weltkrieg geäußert hatte, sondern die bis in die Gegenwart bei vielen Genossen Nachwirkungen hat.
- An die Tatsache, dass sich insbesondere dieser Otto Habsburg im zweiten Weltkrieg in Washington entscheidend für das Wiedererstehen eines unabhängigen Österreich und für die Gleichbehandlung mit den anderen Opfern Hitlers eingesetzt hat.
- An ihre eigene Agitation der Geschichtsumschreibung, deren Hauptbehauptung im Leugnen der Tatsache besteht, dass Österreich und seine Unabhängigkeit Opfer der Nazis gewesen sind. SPÖ-Historiker haben diese Tatsache sogar als "Geschichtslüge" bezeichnet. Sie wollen die Republik Österreich lieber als freiwilligen Mittäter an den NS-Verbrechen denunzieren (obwohl diese Behauptung durch keine einzige Aktion des Staates Österreich bewiesen werden kann, sondern immer nur auf die Verbrechen einzelner Österreicher bezogen werden kann, die etwa schon vor 1938 illegal gegen Österreich agitiert haben).
- An ihre eigene Rolle, als sie bis in die 60er Jahre lange mit allen möglichen Tricks verhindert haben, dass Otto Habsburg in sein Geburtsland auch nur einreisen darf.
- An das historische Paneuropa-Picknick an der österreichisch-ungarischen Grenze, das eine entscheidende Öffnung des Eisernen Vorhanges geschafft hat (Paneuropa ist eine der Familie Habsburg sehr nahestehende Vereinigung).
- Und durchaus auch an viele weise Reden und Interventionen des Sohnes des letzten Kaisers. So hat dieser in seinen letzten Jahrzehnten viele kluge Analysen zur Situation Europas verfasst. So hat er von Anfang an – bis Ende der 80er Jahre - gegen den Widerstand der SPÖ – für einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft (= die heutige EU) gekämpft. So hat er stets vor der Bedrohung Europas durch einen ehemaligen KGB-Agenten an den Hebeln der russischen Macht gewarnt (auch das ist lange der SPÖ unangenehm gewesen – heute sind solche Warnungen vor Putin allerdings vor allem der FPÖ unangenehm, die ohnedies mit der Rolle des von Hitler inbrünstig gehassten Otto in der NS-Zeit nicht viel anfangen kann).
Aus all diesen Gründen hat die SPÖ immer gegen Otto intrigiert. Sie wollte und will jedes Hindernis für die gezielte Umschreibung ihrer eigenen, keineswegs sonderlich ruhmreichen Geschichte aus dem Weg räumen. Aus diesen Gründen war ihr auch immer sehr wichtig, dass sie das Zeitgeschichtsinstitut an der Wiener Universität mit strammen Parteigängern besetzt, dass das Haus der Geschichte von Anfang an einen klaren Kurs der linken Geschichts-Uminterpretation fährt, und dass auch die politische Kompetenz für die Museen fast immer in roter Regierungshand geblieben ist.
Nach dem Abgang von Erhard Busek hatte umgekehrt die ÖVP niemanden mehr, der sonderliches Interesse an der Geschichte gezeigt hat. Den Schwarzen waren immer viele andere Dinge wichtiger. Deshalb gelang es der SPÖ sogar, so lange gegen den Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums zu intrigieren, bis dieses Haus ebenfalls in ihrem Sinn umgedreht werden konnte, obwohl es eigentlich einer ÖVP-Verteidigungsministerin untersteht. Lediglich die niederösterreichische ÖVP versucht, all dem etwas entgegenzusetzen – das ist aber naturgemäß immer mit dem Hauch der Provinzialität behaftet geblieben.