
Wien: ein bürgerliches Trauerspiel
Der für bürgerliche Wiener demütigende Wahltag ist vorbei. Mangels ernstzunehmender Konkurrenz hat die SPÖ mit einem blauen Auge das Wiener Rathaus locker verteidigen können. Ihr hat die auf allen Gebieten katastrophale Bilanz ihrer seit dem Krieg ununterbrochen ausgeübten Macht, bei der die Neos zuletzt das Weihrauchfass geschwungen haben, so gut wie gar nicht geschadet. Weil sie die Medien mit Erfolg gekauft hat. Weil sämtliche anderen Parteien in Wien unfähig sind, zu einer echten Alternative zu werden. Weil sie mit den eingeösterreicherten Migranten einen sicheren und geschlossenen Wählerblock aufgebaut hat, für den sie die heimischen Proletarier geopfert hat. Es ist ein Trauertag für Wien, weil alles so weitergehen wird. Weil alle Wiener Skandale unter dem Teppich geblieben sind: von der großangelegten Medienbestechung, die alle Parteien aus Angst vor einer Rache der bestochenen Medien totschweigen, bis hin zur Verschwendung hunderter Millionen für Menschen, die rechtswidrig eingereist sind, die auch keinen Asylanspruch haben und die dennoch in Wien besser leben können als in jedem anderen Bundesland, was zumindest die FPÖ zu Recht Tag und Nacht getrommelt hat.
Aber es eben nicht schafft:
o weil sie nicht einmal einen irgendwie glaubwürdigen Versuch gemacht hat, einen Machtwechsel in Wien strategisch einzuleiten, den es ohne Partner nie geben kann;
o weil ihr die Politik von Bundesparteichef Kickl während der letzten Monate nicht gerade nützt, der durch seinen Absprung von den Koalitionsverhandlungen vielen klar gemacht hat, dass die FPÖ derzeit nur opponieren, nicht regieren kann;
o weil im Bewusstsein gerade vieler Bürgerlicher die Nähe der FPÖ zu Russland wie auch ihre verantwortungslose Corona-Politik abschreckend wirkt, was auch durch ihre wichtige und richtige Migrations-Kritik nicht ganz übertüncht werden kann;
o weil sie es in Wien aber auch angesichts der vielen Neoösterreicher, die SPÖ wählen, zunehmend schwer hat (trotz der wenig erfolgreichen Versuche, zuletzt auf Türkisch zu werben, und trotz der massiven Wahlhilfe durch die AKP-Partei des türkischen Diktators Erdogan – die für viele andere Wähler mit und ohne Migrationshintergrund aber auch wieder abschreckend gewesen ist, selbst wenn die FPÖ geglaubt hat, dass diese Wahlhilfe nur in der türkischen Community bekannt wird).
Die SPÖ mit 39,5 Prozent kann zwar über die erfolgreiche Verteidigung des (nie gefährdet gewesenen) Bürgermeisterthrones jubeln, aber auch sie sollte sich mehrere Faktoren ins Bewusstsein rufen:
- Die Wiener Machtmissbrauchspartei ist überhaupt erstmals unter die 40-Prozent-Hürde gesunken;
- sie hat noch im Jahr 2005 in Wien 49 Prozent gehabt;
- Wien hat auf Grund seiner wirtschaftsfeindlichen Politik gewaltige und sich verschärfende Probleme, wie zum Beispiel einen 39-prozentigen Anteil an den österreichischen Arbeitslosen, obwohl der Bevölkerungsanteil Wiens nur 22 Prozent ausmacht.
Die weitaus größten Sorgen müssen sich aber die Schwarzen machen. Sie sind ohne wirkliches eigenes Thema, mit einem schwer überforderten Spitzenkandidaten und mit einer geradezu selbstmörderischen Linie in die Wahl gegangen – und zu Recht mehr als halbiert worden. Denn wenn die bisherige Nummer zwei der Stadt keine Sekunde lang den Anspruch stellt "Wir wollen den Bürgermeister stellen, wir wissen, wie man es besser macht", sondern nur tief in den Mastdarm der Nummer eins hineinzukriechen versucht, verdient sie nicht, ernstgenommen zu werden.
Diese Mastdarmakrobatik ist auch bei Pink und Grün dominant gewesen. Sie hat auch dort auf die Wähler eher abschreckend gewirkt, aber viel weniger als bei der ÖVP, weil die beiden der SPÖ ideologisch ohnedies recht nahe stehen. Bei der ÖVP ist eine solche Strategie überhaupt total unverständlich, deren Wähler eigentlich keine Nähe zur SPÖ haben – so wie sich ja auch umgekehrt die SPÖ-Wähler bei Wiener Umfragen die Neos und die Grünen lieber als Partner wünschen als die Schwarzen.
So war der Auftritt von Karl Mahrer mit einem rot-schwarzen Feuerlöscher knapp vor der Wahl als Symbol der angestrebten Koalition nur noch dumm und abschreckend. Weder Mahrer noch die beiden Damen, die sich als Chefinnen der anderen beiden Kleinparteien primär einen Zickenkrieg um das Bobo-Wählerpotential geliefert haben, sind bei den Wählern als sympathische und ernstzunehmende Persönlichkeit angekommen. Mahrer hat es trotz seines Alters nicht einmal geschafft, so wie Michael Ludwig oder Christian Stocker zum Ruhe und Sicherheit ausstrahlenden Großvater-Typ zu werden. Seine Tage in der Politik sind daher zweifellos gezählt – auch wenn der Wirtschaftskammerchef als wahrscheinlicher Nachfolger ebenfalls niemanden überzeugt.
Alle, aber vor allem die Oppositionsparteien sollten noch etwas bedenken: Dieser Wahlkrampf hat die Zahl der Nichtwähler dramatisch in die Höhe getrieben. Wenn nur 63 Prozent der wahlberechtigten Wiener wählen gegangen sind, dann ist das demokratiepolitisch traurig und ein verheerendes Urteil über die drei Parteien, die alle gleichzeitig Herausforderer und Bettgenossen der Machtpartei werden wollen.
Gerade in Wien haben es interessanterweise alle drei Parteien nie – oder schon sehr lange nicht – geschafft, irgendwelche interessanten Spitzenleute zu präsentieren. Wahrscheinlich will sich kein tüchtiger Spitzenmann den Terror und die Demütigungen durch die sozialistische Rathaus-Allmacht, aber auch die intriganten Querschüsse aus der Wiener Wirtschaftskammer antun. Denn es ist eindeutig: Die repräsentative Demokratie lebt trotz allem fast nur von den Spitzenkandidaten.
Michael Ludwig wird bei der nächsten Wahl weit über dem Alter des von seiner Partei so hartnäckig verteidigten Pensions-Dogmas liegen. Dadurch hätte dann Dominik Nepp ganz gute Chancen, wenn er und vor allem die Bundes-FPÖ die oben skizzierten Fehler vermeiden können. Aber nur dann. Die FPÖ muss endlich zeigen, dass sie regieren will und kann. Sie darf nicht abhängig sein von den Befindlichkeiten des mit aller Welt zerstrittenen Herbert Kickl. Sie muss kompromissfähig werden und nervenstark, auch wenn es Rückschläge gibt. Und sie darf nicht wie ein verkappter Agent des russischen Diktators wirken.