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Der ORF: Marktplatz außer Dienst

Der ORF: Marktplatz außer Dienst

Auf den ersten Blick mutet es widersprüchlich an: Einerseits ist in den Sendungen des ORF geradezub täglich eine eindeutige schwere Linkslastigkeit bestätigt, die dem Sender immer mehr das Vertrauen der Konsumenten raubt. Auf der anderen Seite ist die rechtsstehende Freiheitliche Partei die große Siegerin aller Wahlen der letzten Zeit. Dabei ist der ORF noch immer das relativ größte Einzelmedium Österreichs. Dabei ist die FPÖ jene Partei, die am allerwenigsten Sympathisanten in den ORF-Redaktionen hat (wenn überhaupt). Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Ist am Ende der Gebührenfunk politisch irrelevant? Oder aber: Gibt es vielleicht dialektisch und soziologisch zu erklärende Zusammenhänge, die komplizierter ablaufen, als ein simples Ursache-Wirkung-Denken à la "Hie Agitation, dort Wahlergebnisse" annehmen ließe?

Die Zusammenhänge zwischen Wahlergebnissen und ORF sind in der Tat kompliziert und oft dialektisch.

Dabei ist an der Spitze auf die große Unpopularität von Journalisten generell und damit insbesondere von Redakteuren des noch immer größten nationalen Mediums zu verweisen. Dadurch kommt es quasi automatisch zu einer Gegenreaktion bei einem Teil der Wähler gegen aufdringliche Medienberichterstattung. Sie läuft aber auf mehreren, ganz verschiedenen Wegen:

  1. Je mehr die FPÖ dort kontinuierlich als "die" große Gegnerin und Gefahr hingestellt wird, umso mehr wenden sich alle jene Wähler der FPÖ zu, die das Vertrauen in die Politik, in die Medien und vor allem in den ORF verloren haben.
  2. Den gleichen Effekt erzielt diese FPÖ-Berichterstattung bei jenen, die mit ihrer Stimme aus irgendeinem Grund (Corona, Inflation, Krieg, Rezession oder auch nur, weil etwa eine bestimmte Straße nicht oder ein Spital schon gebaut wird) der Regierung den ausgestreckten Mittelfinger des Protestes zeigen wollen.
  3. Durch diese mediale Polarisierung hat die von sehr vielen ORF-Redakteuren unterstützte SPÖ bei den Nationalratswahlen praktisch den ganzen Anti-Regierungs-Protest als Stimmtreiber an die FPÖ verloren, den sie eigentlich als größte Oppositionspartei auf Bundesebene erwarten hätte können.
  4. Durch diese Darstellung der FPÖ als "der" Gegnerin der schwarz-grünen Regierung in den Medien und wieder insbesondere im ORF hat die ÖVP etliche jener Stimmen verloren, die sich eigentlich primär sehr über die Grünen auch in ihrer Agitation gegen die ÖVP geärgert haben. Aber eine FPÖ-Stimme erschien da vielen als weit deutlichere Anti-Grün-Stimme, genauso wie sie bei Wiener Wahlen als deutlichste Form einer Anti-SPÖ-Stimme erscheint.
  5. Durch diese Darstellung der FPÖ als große Gegnerin der Regierung in den Medien und insbesondere im ORF (aber gewiss auch durch die einseitige Absage Karl Nehammers an den Chef der FPÖ und damit automatisch auch die Partei) hat die ÖVP auch die Stimmen jener verloren, deren primäres Wahlmotiv es war, dass sie keinesfalls die SPÖ in der Regierung wollten, vor allem nicht ihren derzeitigen Chef.
  6. Zwar wird die ÖVP von den ORF-Redakteuren genauso negativ wie die FPÖ dargestellt, aber da sie zugleich als Mutter der verhassten Haushaltsabgabe gilt, die alle Österreicher zahlen müssen (viele sogar mehrfach), kann es bei ihr nicht zu dieser dialektischen Wählerreaktion kommen. Vielmehr läuft da bei oberflächlichen Wählern eine ganz andere Reaktion: Wenn sogar der ÖVP-geführte und dank der ÖVP zwangsfinanzierte ORF die ÖVP so sehr kritisiert, muss ja wohl etwas dran sein. Dieser Prozess funktioniert umso besser, als auch durch die Konstruktion der (in Wahrheit völlig irrelevanten) Gremien des ORF die von vielen linken Propagandisten erweckte Sprachregelung bestätigt wird, dass der ORF ein "Regierungsfunk" wäre – obwohl er auf Grund der völlig einseitigen Ausrichtung der in Wahrheit alles allein bestimmenden Redakteure eindeutig ein Linksfunk ist.
  7. Sebastian Kurz ist vom ORF zweifellos noch negativer dargestellt worden als Karl Nehammer. Und doch hat er seine Wahlen hoch gewonnen. Da lief in Hinblick auf den ORF eine andere Kausalitäts-Kette: Kurz gewann dank seiner Persönlichkeit alle Konfrontationen gegen aggressiv auf ihn losgehende ORF-Redakteure – und errang damit viel Jubel der Zuseher. Oder wie er zum Autor einmal sagte: "Ich gewinne ja gerade, weil der ORF so gegen mich ist." Das könnte heute auch Herbert Kickl sagen.

Scheinbarer Themenwechsel: Zwar sind die klassischen Medien noch immer die relativ wichtigsten Gatekeeper zwischen den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorgängen im Land und in der Welt auf der einen Seite und den einfachen Bürgern auf der anderen. Aber sie sind seit einigen Jahren erstmals nicht mehr die einzigen, die entscheiden, was die Bürger erfahren. Von Jahr zu Jahr gewinnen die diversen Internet-Medien stärker an Bedeutung. Sie beziehen zwar in hohem Ausmaß ihre Basisinformationen aus den klassischen Medien (so beschickt kein Internet-Medium etwa die drögen Pressekonferenzen von Politikern). Aber die klassischen Medien haben, erstens, total ihr Monopol bei der öffentlichen Interpretation dieser Fakten verloren, und, zweitens, bei der Frage, ob die Menschen noch sonstige Fakten erfahren dürfen.

Jenseits der Pressekonferenz-Ebene sind es nämlich ganz andere Vorgänge, wo dank der Mobiltechnologie massenhaft private Videoaufnahmen gemacht und ins Internet gestellt werden. Das sind sehr häufig Vorfälle, die von ORF&Co ignoriert werden. Da geht es etwa um Aspekte von islamistischen Demonstrationen, um Silvesterrandale, um Migrantenkriminalität, um die Zustände in Parks oder Verkehrsmitteln. In diesen privaten Videoaufnahmen wird ein ganz anderes Bild der Realität vermittelt als durch das meist klinisch saubere oder ideologisch gefärbte oder unerwünschte Vorgänge ignorierende Bild des ORF.

Dadurch kommt ein ganz wichtiger anderer Aspekt ins Spiel: das Vertrauen. Die immer mehr den kontrastierenden Eindrücken aus dem Internet ausgesetzten Menschen vertrauen immer weniger dem Bild, das die klassischen Medien und insbesondere der ORF vermitteln.

Das zeigt am besten der "Digital News Report 2024", der von den klassischen Medien nur sehr kursorisch, wenn überhaupt, kommuniziert worden ist. Dieser DNR ist die weltgrößte und detailreichste jährliche Onlineumfrage über Mediennutzung und Branchentrends mit mehr als 94.000 Befragten in 47 Ländern rund um den Globus, durchgeführt von Yougov für das Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität Oxford. Er zeigt ein dramatisches und für die Medien sehr deprimierendes, wenn auch von diesen totgeschwiegenes Bild.

Ihm zufolge vertrauen die Österreicher ihren Medien deutlich weniger, als international in Demokratien üblich ist. In Österreich sind es blamable 35 Prozent, die den Nachrichtenquellen "die meiste Zeit" vertrauen. In einem Dutzend anderer Länder der ersten wie der dritten Welt sind es hingegen sogar über 50 Prozent. Und der globale Vertrauens-Durchschnitt liegt immer noch knapp über 40 Prozent.

Für Österreichs Medien zeigt sich auch beim Jahresvergleich ein katastrophaler Rückgang: 2021 haben noch über 46 Prozent den Nachrichten vertraut. Seither ist das Vertrauen Jahr für Jahr zurückgegangen.

Das Vertrauen geht in Österreich vor allem seit Corona ständig zurück. Es erreichte 2024 den tiefsten Punkt seit 2016, der letzten rot-schwarzen Regierungszeit. In den ersten Kanzler-Jahren des Sebastian Kurz hingegen ist interessanter Weise auch das Vertrauen in die Medien deutlich gestiegen. Der Abstieg dann ab 2020 hängt zweifellos mit der allzu einseitigen Corona-Berichterstattung vieler Medien und nicht zuletzt des ORF zusammen. Damals haben die Bürger ganz stark das Gefühl bekommen, dass sie nicht informiert, sondern umerzogen werden. Dieser Berichterstattung haben sie nur in den ersten Pandemie-Monaten weitgehend zugestimmt (in denen übrigens auch die ÖVP mit 45 Prozent Rekordwerte bei den Umfragen erzielt hat).

Diese Berichterstattung hat bei einem Teil der Bevölkerung in Hinblick auf die Ernsthaftigkeit der Pandemie auch große Überzeugungserfolge erzielt. Das hat aber beim anderen Teil massiv Vertrauen in die Ausgewogenheit und Objektivität der Medien als Ganzes vernichtet.

Die Vertrauensaspekte sind aber nicht die einzigen schlechten Aussagen des DNR über den ORF: Dieser ist nicht mehr "der" Marktplatz der Nation, als den er sich so gerne ausgibt, nicht einmal mehr der halben. Und er ist es von Jahr zu Jahr weniger. Denn auch die Zukunftsaussichten sind für ORF&Co alles andere als gut. Aus keinem Indiz lässt sich Hoffnung ableiten, dass die Dinge besser werden.

  • So erlebten 2024 die Fernsehnachrichten den weitaus stärksten Rückgang der Nutzung unter allen Nachrichtenquellen (minus 3,9 Prozentpunkte).
  • So sehen, nur noch 50,2 Prozent der Österreicher die Fernsehnachrichten irgendeines Senders.
  • So zeigt der Teletest, dass ein wachsender Anteil der Konsumation von TV-Nachrichten der österreichischen Sender gar nicht mehr beim ORF erfolgt.
  • So ist trotz des starken Rückgangs die Nutzung von Fernsehnachrichten im internationalen Vergleich sogar noch immer relativ hoch: Global ist sie zuletzt auf 43 Prozent zurückgegangen – und viele globale Trends treten in Österreich erst mit gewisser Verzögerung ein.
  • So zeigen auch alle anderen Studien, dass primär nur noch die Generation ab 50 und vor allem Pensionisten lineares TV nutzen.
  • So hinkt Österreich beim Wechsel der Konsumenten ins Internet noch deutlich nach: Soziale Medien werden in Österreich mit 37 Prozent vorerst noch deutlich weniger genutzt als im globalen Schnitt, wo es schon 51 Prozent sind.
  • So bewegt sich laut den (nicht veröffentlichten) Mediaanalyse-Zahlen das Durchschnittsalter der Konsumenten der ZiB tief im Pensionistenalter.

Da in Österreich soziale Entwicklungen meist erst mit Verspätung stattfinden, sind die Zukunftsaussichten trotz eines zuletzt wieder leichten Rückgangs der sogenannten Sozialen Medien (vor allem des durch Katzenfotos, Zensur und Prostitutionsangebote schwer beschädigten Facebook) in Österreich weder gut für den ORF noch die Zeitungen. Was noch dramatischer ist: Auch online verlieren die Nachrichtenmarken aus der traditionellen Medienwelt an Nutzung.

Diese Entwicklung lässt schon ganz unabhängig von der Bewertung der Inhalte ganz massiv eine privilegierte Finanzierung des ORF als fragwürdig, undemokratisch und (ähnlich wie das nicht mehr nachhaltige Pensionssystem) als Bevorzugung der Älteren erscheinen. Für dieses Urteil ist egal, ob diese privilegierte Finanzierung durch Zwangsgebühren erfolgt, die automatisch alle Haushalte und Betriebe zahlen müssen, oder ganz durch Steuergelder oder durch eine Mischfinanzierung aus Zwangsgebühren und Budget.

Die zentrale und auch parteipolitisch hoch relevante Frage lautet: Warum muss die ganze Bevölkerung für etwas zahlen, was nicht einmal die Hälfte nutzt, und dem die Mehrheit misstraut?

Das wäre nur dann vertretbar, wenn es andere zwingende Gründe gäbe, etwa soziale, staatspolitische oder kulturelle. Aber die gibt es nicht – oder nicht mehr. In Hinblick auf Kultur und österreichische Identität wie auch bei seinen Diskussionsrunden liegt der Privatsender Servus-TV weit voran; dieser hat den ORF durch seine intensiven diesbezüglichen Aktivitäten überhaupt erst dazu gezwungen, etwas mehr der vorher vom linken Mainstream als provinziell verachteten heimatorientierten Programme zu machen; bei der Live-Übertragung aller wichtigen Vorgänge sind die Privatsender Puls 24 und oe24 zumindest ein völlig gleichwertiger Ersatz.

Gleichgültig wie der – ja ebenfalls nicht von politischer Schlagseite freie und sehr ORF-freundliche – Verfassungsgerichtshof all diese Fakten aus seiner rechtlichen Warte sieht: Politisch haben sie jedenfalls massiv zum großen Wahlerfolg der FPÖ im September 2024 beigetragen.

Diese Zahlungspflicht ist für zwei Gruppen besonders empörend:

  • Dabei geht es einerseits um jene, die bisher nicht die GIS-Gebühr bezahlt haben, weil sie bewusst fernsehabstinent leben oder als bloße Internet-User nicht zahlungspflichtig gewesen sind (oder gewiss auch, weil sie sich um die Zahlungspflicht herumgeschwindelt haben).
  • Dabei geht es andererseits um jene, die erstmals auch als Unternehmer oder Selbständige für ihre Betriebsstätten zahlen müssen, obwohl sie für ihren privaten Wohnsitz ohnedies schon zahlen.

Vor allem der letzte Aspekt hat klare Auswirkungen auf den Wahlausgang gehabt. Mit der FPÖ hat erstmals eine andere Partei unter den Unternehmern und Selbständigen einen genauso hohen Anteil wie die ÖVP, nämlich jeweils 31 Prozent. Das mag zwar gewiss auch mit dem – angeblich oder wirklich – von der ÖVP "abgeschriebenen" Wirtschaftsprogramm der FPÖ zusammenhängen (und der wahltaktischen Dummheit der ÖVP, dieses Abschreiben auch noch öffentlich zu betonen, womit die FPÖ wirtschaftspolitisch von der konkurrierenden Volkspartei eine komplette Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten hat). Das hängt zweifellos auch bei gar nicht wenigen Unternehmern mit dem Ärger zusammen, künftig mehrfach für den ORF zahlen zu müssen, ohne dass die ÖVP-nahe Wirtschaftskammer dagegen Protest erhoben hätte.

Es kann keinen Zweifel geben, dass dieser Ärger vor allem die "Wirtschaftspartei" ÖVP trifft, war doch deren Medienministerin Susanne Raab Architektin der Zwangsabgabe für alle Haushalte. Das haben viele Wähler auch deshalb der ÖVP angelastet, weil an der ORF-Spitze ein ÖVP-naher Mann steht. Obwohl dieser de facto schon mangels journalistischer Kompetenz keinen Einfluss auf die Informationsprogramme nimmt (wo Basisräte die Macht übernommen haben, die bei Bedarf jeden Vorgesetzten abschießen können), entstand vielfach der Eindruck, dass da eine ÖVP-Frau einem ÖVP-Mann zu Lasten der Bevölkerung einen Gefallen leistete.

Auch die Verteidigungsargumentation ist falsch, dass ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs diese Haushaltsabgabe erzwungen hätte. Denn der VfGH hat es nur als ungerecht bezeichnet, dass Besitzer eines traditionellen Fernsehgeräts die GIS-Gebühr zahlen mussten, während jene, die den ORF über Internet konsumieren (via Handy oder Computer), frei von dieser Pflicht waren. Aus der nachvollziehbaren Logik dieses höchstgerichtlichen Erkenntnisses hätte man aber genauso eine andere Form der Finanzierung des ORF ableiten können: Man hätte etwa den Internet-Zugang zu den ORF-Programmen von einem zahlungspflichtigen Code abhängig machen können, den nur Zahlende bekommen. Das hätte sich problemlos technisch durchführen lassen. Das ist keine Raketenwissenschaft. Das gibt es schon bei vielen anderen Internet-Angeboten. Das hätte auch die Medienministerin wissen können.

Von ORF-Seite wird immer behauptet, dass er ohne die Einnahmen aus Zwangsgebühren zusperren müsste. Dieses Argument ist einerseits ein Zeichen eines großen Minderwertigkeitskomplexes, mangelnder Sparbereitschaft und schlechten Gewissens angesichts eines viel zu hohen Gehaltsniveaus. Es gibt genug andere Sender in der Welt, die nur von freiwillig abgeschlossenen Abonnements und/oder Werbung leben (Gerechterweise müssten natürlich bei Abschaffung der Zwangsgebühren zum Ausgleich auch alle kleinlichen Beschränkungen für den ORF in Hinblick auf Werbezeiten oder Online-Auftritt fallen).

Es wäre andererseits zwar sicher für die Betroffenen bedauerlich, wenn sich theoretisch rund 3500 ORF-Bedienstete beim Arbeitsmarkt-Service anmelden müssten, weil der ORF zusperrt. Aber es gibt überhaupt keinen Zweifel: Der Großteil der ORF-Mitarbeiter, zumindest jene mit technischen oder kaufmännischen Fähigkeiten, kann auf dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt binnen kürzester Zeit interessante, wenn auch vielleicht nicht so üppig wie beim ORF bezahlte Jobs finden.

Jedenfalls gibt es kein moralisches oder juristisches Argument, wonach ORF-Angestellte bei Krisen ihres Arbeitgebers Anspruch auf mehr als die übliche, durchaus nicht kleinliche Unterstützung durch das Arbeitsmarkt-Service hätten. Die Annahme, dass sie von der Allgemeinheit in höherem Ausmaß zu unterstützen wären als etwa die Angestellten von Kika, Leiner, KTM oder Signa – um nur die größten Insolvenzen aus 2024 zu nennen –, ist reine Hybris.

Es waren überdies die ORF-Menschen selber – von der Spitze bis zu den Redaktionsräten – die immer betont haben, dass der ORF kein Staatsbetrieb ist, sondern als Stiftung sich selber gehört. Eine Stiftung hat aber schon gar keinen Anspruch auf besondere öffentliche Hilfe. Ein solcher folgt auch nicht aus der Tatsache, dass der ORF bisher vom Staat (durch die gesetzlichen Gebühren) einseitig wettbewerbswidrige Vorteile zugeschanzt bekommen hat.

Ebenso ist es reine Hybris – oder Ideologie – anzunehmen, dass die ungeschmälerte Existenz des ORF irgendetwas mit Medienfreiheit zu tun hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Die durch die Gebühren gegebene Übermacht des ORF benachteiligt viele andere Medien wirtschaftlich, ja existenziell, ob in Print, im Internet, oder in der Rundfunkwelt. Es kann überhaupt keinen Zweifel geben: Ohne ORF gäbe es mehr und wirtschaftlich relativ besser aufgestellte Medien, weil sich der Werbe- und Konsumentenkuchen gerechter auf mehr Medien verteilen würde.

Wenn man das bezweifelt, gäbe es immer noch einen weiteren – wenn auch viel weniger populären – Weg als die ersatzlose Abschaffung der Haushaltsabgabe, etwas für die Medienvielfalt und damit Medienfreiheit zu tun, ohne einseitig ein Medium zu bevorzugen: Man lässt die Haushaltsabgabe zwar weiterlaufen, verteilt ihre Erträgnisse aber nach einem strengen gesetzlichen Maßstab auf alle österreichischen Medien, gleichgültig, welcher technischen Art. Dabei wäre zu berücksichtigen, inwiefern ein Medium Qualitätsinhalte produziert, die da etwa wären:

  • österreichische Kulturinhalte,
  • globale Berichterstattung,
  • eigenständige Redaktionen,
  • ausgewogene und um Objektivität bemühte politische Inhalte,
  • qualifizierte Wirtschaftsredaktionen,
  • Verzicht auf Glücksspielwerbung, Astrologie und Pornographie,
  • wenig Gewalt.

Gewiss, solche Maßstäbe können Kontroversen auslösen. Gewiss ist schon die Entscheidung, wer das zu bewerten hat, heikel: Richter? Pensionierte Journalisten mit qualifizierter Erfahrung? Wissenschaftler? Internationale Experten? Zufällig ausgewählte Bürger?

Aber ganz sicher ist alles gerechter und mehr den Grundrechten entsprechend als die einseitige Bevorzugung eines Mediums durch den Gesetzgeber.

Ein solches Gremium sollte gleichzeitig auch die Korruption durch Bestechungsinserate aus der Politik oder Wirtschaft prüfen. Medien, bei denen die Beeinflussung der Berichterstattung durch Inserate nachweisbar ist, müssen jeden Anspruch auf Unterstützung verlieren.

Zugleich müssten auch sämtliche aus Steuergeldern finanzierten Inserate von einem solchen Gremium überprüft werden:

  1. Werden da inhaltlich relevante Informationen ohne parteipolitische Schlagseite verbreitet?
  2. Wird da wirklich jeweils ganz neutral die billigste und zielgruppenadäquate Form der Verbreitung gewählt? Das kann nur über einen vierstufigen Prozess erfolgen:
    • Definition der Zielgruppe einer Werbekampagne;
    • Definition des vorgesehenen finanziellen Einsatzes;
    • Gestaltung des zu schaltenden Sujets durch Kreativagenturen
    • und Entscheidung über den konkreten Schaltplan durch eine externe Mediaagentur, welche die meistmöglichen Kontakte für ein Inserat herstellen muss.

Ein solches Modell wäre nur dann realisierbar, wenn ihm alle drei großen Parteien zustimmen, denn sonst ist Dauerstreit vorprogrammiert. Es könnte aber die Leiden der existenziell bedrohten Printmedien mildern und für eine größere Vielfalt und Sauberkeit im österreichischen Mediensektor sorgen. Gelingt das nicht, dann bliebe nur der Weg, den ORF wie jedes andere Medium zu behandeln, also in Konkurs gehen zu lassen.

Jede Form der Staatseinmischung in die Medienwelt ist jedenfalls schlecht – und schadet auch den dafür verantwortlichen Parteien. Diesen Schaden erleidet vor allem die in der letzten Regierung für Medienfragen hauptverantwortlich gewesene ÖVP:

  1. bei den über die erhöhte Zahlungspflicht verärgerten Unternehmern und Selbständigen;
  2. bei jenen, die für etwas zahlen müssen, was sie gar nicht konsumieren (Die FPÖ hat vor allem bei den jüngeren und mittelalterlichen Wählern den besten Erfolg erzielt. Das sind genau jene, deren Medienkonsum sich stark ins Internet verlagert hat);
  3. und bei jenen, die sich ärgern, weil der dank der ÖVP finanzierte ORF eine grünrote Schlagseite hat, weil er ein einseitiges Bild von der Welt vermittelt, weil viele jener Inhalte und Augenzeugenberichte ignoriert werden, die man im Internet zu sehen bekommt (wobei sich die Menschen durchaus bewusst sind, dass es auch im Internet nicht "objektiv" zugeht, wo sie aber einerseits eine viel größere Pluralität von Links bis Rechts erleben, und wo sie andererseits annehmen, da gibt es keine politischen Eingriffe).

Die inhaltliche Linkslastigkeit der ORF-Berichterstattung hat nur bei jenen, die nicht mit dem Internet vergleichen können, der FPÖ geschadet. Letzteres sieht man insbesondere am Wahlverhalten der Über-60-Jährigen, also jener Gruppe, die sich noch stark oder ganz über den ORF informiert. Bei ihnen hat die vom ORF schlecht behandelte FPÖ tatsächlich mit 22 Prozent (gegenüber 29 in der gesamten Wählerschaft) besonders schlecht abgeschnitten. Das lässt also sehr wohl eine klare direkte Auswirkung der ORF-Berichterstattung vermuten, aber eben nur bei dieser Minderheit der Bevölkerung.

Andererseits zeigt der große Erfolg der ÖVP in dieser Gruppe (sie hat dort bei der Nationalratswahl 38 Prozent erzielt statt der 26 in der allgemeinen Wählerschaft), dass auch schlagseitige Berichterstattung im ORF, sei es durch direktes Kommentieren, sei es durch eine ideologisch geprägte Themenwahl, nur begrenzte Auswirkungen hat. Das heißt: Auch noch so einseitiger Berichterstattung gelingt es halt nicht, aus einem tendenziell rechten – also wertkonservativen oder wirtschaftsliberalen – Wähler einen linken zu machen.

Zur konkreten Erläuterung des Vorwurfs einer verzerrenden ORF-Berichterstattung abschließend noch einige konkrete Detail-Punkte aus der stochastischen Beobachtung redaktioneller Inhalte, von denen man im Lauf des Jahres Hunderte erleben musste:

  1. Die regelmäßige Zusammensetzung von "Runden Tischen" und ähnlichen von Parteiexponenten bestückten Diskussionssendungen im ORF war massiv ungünstig für die ÖVP: Denn obwohl die beiden Regierungsparteien (logischerweise) eine parlamentarische Mehrheit hatten, hatten an diesem Tisch zur Zeiten einer Zweierkoalition immer die drei Oppositionsparteien die Mehrheit. Das ist im Grund extrem undemokratisch. Dieser Effekt wurde oft noch dadurch verschärft, dass sich die Grünen, obwohl Koalitionspartner, gerne auf die Seite der ÖVP-Gegner schlugen (wofür allerdings der ORF nichts kann).
  2. Den gleichen Anti-ÖVP-Effekt hatte die Art, wie der ORF die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse fast nur durch ständige Interviews mit den Vertretern aller Parteien (und damit von den Grünen bis zur FPÖ) "vermittelte", statt sich sachlich die Mühe zu machen zu berichten, was dort tatsächlich gesagt worden ist.
  3. Beim Bericht über die KTM-Insolvenz 2024 berichtete der ORF in der ZiB als scheinbare Ursache, dass das Unternehmen 2017 der ÖVP eine Wahlspende gegeben hat.
  4. Als man in Zeitungen (zumindest im "Kurier") über die argen Pannen und Verspätungen beim U-2-Bau berichtete, gab es im ORF lediglich eine PR-Story, wonach die Arbeiten bei der U-1 "gut vorangehen".
  5. Ohne dass dem Autor jemals eine adäquate Entschuldigung aufgefallen wäre, behauptete Frau Dittlbacher auf ORF3, dass Sebastian Kurz in erster Instanz zu "acht Jahren" bedingter Haft verurteilt worden wäre (es waren acht Monate).
  6. Wenn wenige hundert Linke demonstrieren, findet das regelmäßig Platz in der ORF-Berichterstattung wie etwa die Demonstration einiger Handvoll Frauen in einem südamerikanischen Staat für die Abtreibung – wenn eine viel größere Anzahl christlicher Jugendlicher in drei österreichischen Städten Aktionen gegen die Abtreibung setzt, wird das hingegen ignoriert.
  7. Ebenso wird regelmäßig Abtreibung als "Frauenrecht" bezeichnet, obwohl Abtreibung an sich mit Ausnahme einer bestimmten Schwangerschaftsperiode strafbar ist.
  8. Bei Kriminalität von Ausländern wird die Herkunft nicht oder nur ganz versteckt verzeichnet, sonst wird meist sehr rasch betont, dass es "Österreicher" gewesen sind – ein Migrationshintergrund wird fast immer verschwiegen.
  9. Nach übereinstimmenden Beobachtungen mehrerer Zeugen hat es im ORF-Fernsehen nie einen Bericht über die kollektive Wahlempfehlung der Sozialistischen Jugend Vorarlbergs für die Kommunisten vor der Nationalratswahl gegeben.
  10. Ohne jeden konkreten Beweis hat der ORF, der Diktion von Rot und Grün automatisch folgend, mehrfach die Bezeichnung "rechtsextrem" für die Freiheitlichen und die AfD verwendet. Das Wort "linksextrem" kommt im ORF-Vokabular hingegen praktisch nicht vor, nicht einmal in Hinblick auf die KPÖ war es zu hören.
  11. Zwar werden im ORF auch rote und grüne Politiker immer wieder kritisch befragt, aber praktisch immer unter dem Motto: Warum habt ihr euch nicht gegen die ÖVP durchgesetzt? Oder: Warum habt ihr die FPÖ nicht verhindert?
  12. Letztlich findet sich die Ursache der schlagseitigen ORF-Berichterstattung am deutlichsten im Ergebnis der Arbeiterkammerwahl: Da haben die linken Listen (sozialistisch, kommunistisch, grün) im ORF 84 Prozent der Stimmen erzielt. Das wurde bekannt, auch wenn die Arbeiterkammer in undemokratischer Weise die Detailergebnisse geheim zu halten versucht. Diese Zahl wird dadurch noch viel dramatischer, dass die wenigen Nicht-Linken vor allem in der Verwaltung, in der Sport- und in einigen Bundesländer-Redaktionen, nicht aber in den Zentralredaktionen zu finden sind. Das deckt sich mit einem generellen Trend im Journalistenberuf (für den es einige an dieser Stelle zu weit führende soziologische und gesellschaftliche Erklärungen gibt, der sich aber nicht zuletzt durch bewusste Wahl ideologisch ähnlich Denkender durch die vorhandenen Redakteure bei der Nachwuchsrekrutierung erklärt): So gaben in Deutschland nur 8 Prozent aller Journalisten an, der CDU nahezustehen, und Null Prozent nannten die AfD. Dabei haben beide in der Bevölkerung zusammen kontinuierlich mindestens 50 Prozent.
  13. So wurde im Zuge der Regierungsbildung mehrfach darauf verwiesen, dass es schon schwarz-blaue Koalitionen gegeben hat; dass es davor auch eine rot-blaue Koalition gegeben hat, wird hingegen konsequent verschwiegen.

(Dieser Text ist in ähnlicher Form im "Österreichischen Jahrbuch für Politik 2024" erschienen.)