
Die österreichische Gedenk-Unkultur
In den letzten Wochen war wieder ganz deutlich zu erkennen, wie manipulativ die medialpolitische Geschichtsschreibung agiert. Da ist nämlich der 70. Jahrestag des österreichischen Staatsvertrags vor allem im Zwangsgebührenmedium, aber auch sonst mit wenigen Ausnahmen nur sehr knapp behandelt worden, während der 80. Jahrestag des Kriegsendes seit Wochen groß begangen wird. Als ob das eine "Jubiläum" runder wäre als das andere. Enthüllend ist es vor allem, den Gründen für diese Ungleichbehandlung nachzugehen. Denn bei früheren ähnlich runden Erinnerungstagen an die gleichen beiden Ereignisse ist in Österreich noch der Staatsvertrag eindeutig im Zentrum gestanden, durch den Österreich seine Freiheit wiedererlangt hat. Gleichzeitig merkt man zumindest in Wien, wie heruntergekommen die Identität des Landes ist, das seine eigene Geschichte nicht mehr kennt.
- Vor allem wollte man bewusst oder unbewusst vermeiden, dass bei jedem eingehenden Rückblick auf 1955 die damals die österreichische Außenpolitik dominierenden Politiker Julius Raab und Leopold Figl ins Zentrum zu rücken wären, die damals schon vor der Unterzeichnung des Staatsvertrags zum Unterschied von der SPÖ die richtige Taktik eingeschlagen haben, um die für Ostösterreich so lähmende sowjetische Besatzung endlich loszuwerden. Aber die beiden haben halt der falschen Partei angehört. Daher redet man bei der SPÖ nicht gerne über den Staatsvertrag.
- Beim Rückblick auf 1945 kann man hingegen die Russen als Befreier darstellen (während man gleichzeitig die Zehntausenden Vergewaltigungsopfer, die drückenden Reparationszahlungen und die Demontagen der Reste der österreichischen Industrie durch die "Befreier" elegant unter den Tisch kehrt ...).
- Beim Rückblick auf den Staatsvertrag 1955 und seine Vorgeschichte müsste man ganz dominant die Rolle der USA hervorheben, die – vom Marshallplan bis zu unzähligen Diplomatenkonferenzen – an der Seite der österreichischen Regierung letztlich erfolgreich durchgesetzt haben, dass Österreich zum Unterschied vom restlichen Mittelosteuropa nicht zu einem weiteren Sklavenstaat Moskaus wird. Aber bevor man auch nur ein positives Wort über die USA verliert …
- Dabei wäre um ein Haar der 15. Mai anstelle des 26. Oktobers zum österreichischen Nationalfeiertag geworden. Das aber hat die SPÖ 1965 im letzten Moment verhindert, weil man schon damals jede positive Erwähnung des Staatsvertragskanzlers Raab vermeiden wollte.
- An den österreichischen Zeitgeschichts-Instituten befasst man sich in einer Jahrzehnte zu spät kommenden Antifa-Gesinnung fast nur noch mit dem Nationalsozialismus selbst in seinen kleinsten Nuancen.
- Die spezifisch österreichische Zeitgeschichte interessiert die an Unis und in Medien dominierenden Linken hingegen aus guten Gründen viel weniger.
Denn das Verhalten der österreichischen Linken im 20. Jahrhundert ist in Wahrheit ein so problematisches gewesen, dass sie im Eigeninteresse tatsächlich alles dafür tun mussten, um die universitäre und mediale Geschichtsschreibung manichäisch umzudrehen und die Nazis und jeden, den sie als Nazi bezeichnen, zur einzigen Bösewicht-Versammlung zu machen. Das sieht man auch bis in die Gegenwart, in der man einfach ständig behauptet, die Wahl einer rechten Partei wäre undemokratisch, während man die viel undemokratischere Geschichte der SPÖ in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts völlig in Vergessenheit geraten lassen möchte.
- So hat man schon damals die für die Sozialdemokratie unerfreulichen Ergebnisse der Nationalratswahlen als "Schaden für die Demokratie" bezeichnet, so wie man es auch heute wieder tut.
- So hat man offen die "Diktatur des Proletariats" verlangt, was wenige Jahre nach der Oktoberrevolution und ihren schlimmen Folgen für alle Nichtsozialisten eine überaus gefährliche Drohung gewesen ist.
- So hat das Linzer Parteiprogramm von 1926 angekündigt, den "Widerstand der Bürgerlichen mit den Mitteln der Diktatur zu brechen".
- So wurde in mehreren sozialdemokratischen Äußerungen damals der Slogan getrommelt: "Demokratie ist der Weg, Sozialismus das Ziel": Das hat ganz eindeutig Demokratie zum bloß vorübergehenden Mittel für einen ganz anderen Zweck degradiert; sie ist also für die Sozialisten kein Wert gewesen, der anzustreben ist.
- So wurde der Februar-Aufstand 1934 in allen Slogans als sozialistischer Machtkampf und nicht als Einsatz für die Demokratie empfunden.
Dass dieses Denken auf der Linken noch keineswegs tot ist, hat man dieser Tage etwa auch in Deutschland wieder hören können, als die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Heidi Reichinneck, forderte, man müsse "die Systemfrage stellen", und als sie dabei den "demokratischen Sozialismus" als Ziel proklamierte. Gewiss, die kommunistische Linkspartei ist nicht die SPD, aber diese hat im Gegensatz zu ihrem wie eine Monstranz einhergetragenen Moralismus keine Probleme, mit ihr auf Landesebene Koalitionen einzugehen, während man die AfD am liebsten verbieten würde. Abenteuerlich ist im Übrigen auch, dass der deutsche Verfassungsschutz, der ganz auf die AfD-Jagd eingestellt ist, jemanden, der die "Systemfrage" stellt, nicht als Extremisten verfolgte.
Was der "Sozialismus" genau ist, den Sozialdemokraten wie Kommunisten schon so lange ansteuern, wird freilich nie zugegeben. Mit Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat kann er aber nichts zu tun haben, wenn man alle Staaten betrachtet, die sich nach "Überwindung" der Demokratie "sozialistisch" genannt haben. Gleichgültig, ob man nun nach Venezuela oder Kuba, nach China oder Nordkorea oder auf das Dreivierteljahrhundert der "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" und ihr Kolonialreich blickt.
Zurück nach Österreich. Hier werden ununterbrochen die Verbrechen des Nationalsozialismus "bewältigt" – und der Rest der Geschichte ignoriert; hier wird geplappert "Nie wieder!" – während man selbst Demokratie und Meinungsfreiheit immer mehr einschränkt; hier wird mit ständig neuen Gedenktagen den Österreichern rund um die Uhr eingetrichtert, dass ihre Vorfahren alle schuldige Verbrecher gewesen wären.
Die nur wenige Jahre länger zurückliegenden Verbrechen der SPÖ gegen die Demokratie werden hingegen nie "bewältigt", weil gar nicht erwähnt. Genausowenig erwähnt werden ihre Untaten gegen die österreichische Identität und Eigenstaatlichkeit, waren doch SPÖ-Exponenten vom antisemitischen Hitler-Bejubler Karl Renner bis zum Kommandanten der bewaffneten Parteitruppe "Schutzbund" Julius Deutsch noch viel länger als die Christlichsozialen für den Anschluss.
Daran merkt man: Es geht den Genossen nicht zuletzt um die Verdrängung des eigenen schlechten Gewissens, wenn sie in den letzten Jahren die Zeitgeschichtsschreibung an Universitäten und im Zwangsgebührenmedium so an sich gerissen haben, dass sie alles für sie Unerwünschte totschweigen können.
Aber an anderer Stelle und in ganz anderem Zusammenhang sieht man im eigenen Land eigentlich doch sehr deutlich, wie sich die heutige SPÖ offensichtlich den Sozialismus vorstellt: Denn in den Wiener Festwochen proklamiert sie mit pornographischen Plakaten eine angebliche "Republik der Liebe", die bei näherem Hinsehen wie ein schwül-homosexuelles Bordell auftritt, wo Genossen ihre heißesten und düstersten Gefühle ausleben können …