
Es den Deutschen nachmachen
Österreich und Deutschland haben jetzt fast die gleiche Koalitionsformel. In beiden Ländern haben die Regierungen auch fast gleichzeitig zu arbeiten begonnen. Und da wie dort sind sie von der gleichen Angst vor dem Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei geprägt und dadurch verunsichert, aber auch zusammengeschweißt. Dennoch gibt es dramatische Unterschiede: War vor 20 Jahren noch Österreich ein beim größeren Nachbarn gepriesenes Beispiel, wie man ein Land richtig regiert, so müsste es heute zumindest in einem Punkt umgekehrt sein.
Es führt einfach kein Weg an der Tatsache vorbei: Eine Lösung der drängenden Finanzprobleme kann angesichts der gestiegenen Lebenserwartung, angesichts des Geburtendefizits und angesichts des Arbeitskräftemangels nur eine deutliche Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters bringen. Aber vor dem scheuen fast alle Parteien aus grenzenloser Feigheit vor dem Wähler weiterhin zurück.
Und in Deutschland? Ab 2031 gilt dort ein gesetzliches Antrittsalter von 67 Jahren (für beide Geschlechter)! Und die Pension ist nur mit 48 Prozent des Erwerbseinkommens garantiert – in Österreich hingegen beträgt sie bei 45 Beitragsjahren 80 Prozent. Dabei ist die Lebenserwartung der Deutschen ein paar Monate niedriger.
Es gibt also keinen echten Grund, warum der österreichische Nationalrat weiterhin die wichtigste Notwendigkeit ignoriert, die – wegen der von der Judikatur verlangten Vorlauffrist – besser heute als morgen beschlossen werden müsste. Der wahre Grund ist ein für Österreich recht blamabler: Deutschland hat jetzt – bei aller auch dort notwendiger Kritik in vielen anderen Aspekten – eine Regierung, die erstens mutiger ist und die zweitens die Grundrechnungsarten beherrscht.
In Deutschland ist man neuerdings auch sonst mutiger: Dort werden jetzt alle Limitierungen der täglichen Arbeitszeit aufgehoben – während es in Österreich bei deren Erhöhung von zehn auf zwölf Stunden so massive Proteste gegeben hat, als ob die Sklavenhalterzeit zurückgekommen wäre …
Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".