
Babler ist nicht das einzige Bleigewicht am Bein der Sozialdemokratie
Andreas Babler hat katastrophale Umfragewerte. Dennoch scheint er fest verankert an der Spitze seiner Partei, sodass er ziemlich sicher diese auch noch durch die nächste Wahl führen darf. Für die SPÖ ist ohnedies als Machbasis das Wiener Rathaus wichtiger, wo man weiterhin ungeniert tief in die Geldtöpfe greifen kann, obwohl diese nur noch mit Schulden in Rekordhöhe gefüllt werden können. Aber dennoch wissen klügere Sozialdemokraten, dass Babler bei weitem nicht ihr einziges, nicht ihr größtes Problem ist. Er ist jedoch trotzdem ein gewaltiges.
Selbst von den eigenen Wählern will Babler nur eine Minderheit von 44 Prozent als Bundeskanzler sehen, während der Rest der SPÖ-Wählersympathien an die Chefs der anderen Parteien geht.
Ganz anders sieht es bei den übrigen Parteien aus:
- Herbert Kickl erreicht genauso wie seine FPÖ beruhigende 33 Prozent. (Er wird sogar von 5 Prozent der SPÖ-Wähler unterstützt).
- Besonders kann sich Christian Stocker freuen: Der ÖVP-Bundeskanzler hat erstmals mit 26 Prozent so etwas wie einen kleinen Kanzlerbonus und liegt damit deutlich vor der ÖVP selbst, die auf 22 steht. Die ÖVP ist damit zwar weit unter ihrem Wahlergebnis (von ebenfalls 26 Prozent), hat sich aber vom Jänner-Tiefpunkt mit 18 Prozent doch deutlich erholt. Was ebenfalls für eine gewisse Stabilisierung durch Stocker spricht.
- In den größten Jubel können aber die Neos über ihre Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ausbrechen. Diese liegt bei eindrucksvollen 17 Prozent und damit weit vor ihrer Partei, die knappe 11 Prozent erreicht. Vor allem hat die selbstbewusste Außenministerin damit Babler signifikant überholt. Ihr ist bisher kein auffälliger Fehler unterlaufen (sehr im Gegensatz zu ihrem allzu hemdsärmeligen Staatssekretär Schellhorn, der ständig in alle Richtungen aufreibt, der allerdings für die Partei auch alle unangenehmen Aufgaben übernehmen muss).
- Der grüne Werner Kogler erreicht 8 Prozent und liegt damit zwar so wie Babler hinter seiner eigenen Partei (10), aber er ist ja schon ein Parteichef im Abgang.
Das ist ein deprimierendes Bild für Babler, aber auch die SPÖ. Diese hat derzeit weit und breit keine attraktive Alternative in Reserve. Es gibt nicht einmal mehr einen Genossen, der öffentlich gegen den Parteivorsitzenden stänkern würde, so wie es Hans Peter Doskozil einst gegen Pamela Rendi-Wagner getan hatte. Das macht diese von der Zeitung "Heute" veröffentlichten Werte für Babler in Wahrheit besonders schlimm.
Noch deprimierender für die SPÖ ist, dass der tiefe Spalt, der quer durch die Partei geht, sich noch mehr vertieft hat. Da steht auf der einen Seite das in der SPÖ immer besonders mächtige Wien und auf der anderen finden sich alle anderen Bundesländer. Diesen Spalt hat man zuletzt etwa daran gesehen, dass der langjährige Wirtschaftssprecher der Partei, Christoph Matznetter, der aus Wien kommt, bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden der SPÖ-Bundesräte überraschend gegen den bundesweit unbekannten Bürgermeister von St.Veit an der Gölsen, Christian Fischer, verloren hat.
Der Antagonismus zwischen Wien und den übrigen Bundesländern ist im Grund ja ein alter und geht auch über die Parteigrenzen hinweg. Aber er trifft die SPÖ ganz besonders, weil Wien halt bei ihr immer besonders wichtig gewesen ist. Wien hat freilich nur 22 Prozent der Einwohner Österreichs. In der FPÖ hingegen sind etwa die Bundesländer Kärnten und Oberösterreich viel wichtiger. Und in der ÖVP ist die Wiener Landesorganisation traditionell besonders schwach, während bei ihr vor allem Niederösterreich sowie die Westachse dominiert.
Als ob das der Probleme für die SPÖ nicht genug wären: Auch der Blick ins Ausland ist für die Roten alles andere als rosig. Das gilt etwa schon für Deutschland. Dort hat die SPD im Februar mit 16,4 Prozent das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte erzielt. Dort liegt sie seither bei allen Umfragen sogar noch darunter. Dort hat der neue Parteichef Lars Klingbeil beim Parteitag nur bkamable und eine tiefe Spaltung zeigende 65 Prozent der Stimmen bekommen. Dabei haben die Sozialdemokraten in der deutschen Koalition so wie in der österreichischen immerhin den Finanzminister erobert und auch einen sehr sozialdemokratischen Budgetkurs durchgesetzt: nämlich einen weiteren Schuldenschub, um nur ja nicht den metastasierenden Wohlfahrtsstaat ernstlich anzutasten, wie es etwa einst am Beginn des Jahrtausends der SPD-Kanzler Schröder noch mit einem rot-grünen Kabinett sehr verdienstvoll getan hat, und wie es die CDU – theoretisch – verlangt hat.
Es gibt nur noch wenige Länder, wo die Sozialdemokraten regieren. Und selbst in diesen sind die Regierungen ideologisch meilenweit auseinander.
- So regiert in Dänemark eine rechte Sozialdemokratin, die sowohl in der Migrationsfrage als auch bei der Budgetdisziplin allen Rechtsparteien ein sehr positives Vorbild sein könnte. Besonders imponiert, dass sie im Jahr 2024 sogar einen Budgetüberschuss erzielt hat (das hat Österreich einzig unter Sebastian Kurz mit Schwarz-Blau erreicht).
- So amtiert in Spanien hingegen ein sehr linker Regierungschef (trotz Wahlniederlage mit Hilfe der sezessionistischen Parteien), der massiv linke – feministische, klimakämpferische, antiamerikanische, antiisraelische, antikirchliche, "antifaschistische", migrationsfreundliche – Akzente setzt. Er hat freilich angesichts gleich mehrerer Korruptionsskandale in seiner Partei nur schlechte Aussichten, wiedergewählt zu werden.
Ganz offensichtlich sind in der einst international starken Sozialdemokratie zwei völlig unterschiedliche Gruppierungen aktiv, welche in einander entgegengesetzte Richtungen zerren:
- Auf der einen Seite stehen da die städtisch-studentisch-geprägten Bobo- und LGBTQ-Szenen, die aber inhaltlich fast deckungsgleich mit den Grünen und noch weiter links stehenden Parteien sind. Diese Szenen drohen nach links abzuwandern, sobald die Partei in die Mitte geht.
- Auf der anderen Seite stehen die Arbeiter, die das klassische Wählerpublikum der Sozialdemokraten gebildet haben: Dort sind viele Wähler schon zu den sogenannten Rechtspopulisten gewechselt. Die sozialdemokratischen Parteien können sie auch mit traditionell gewerkschaftlicher Lizitationspolitik oder mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn längst nicht mehr halten. Das alles ist nämlich für gutverdienende Facharbeiter völlig irrelevant geworden. Sie wissen längst, dass sie wegen ihrer eigenen Leistung einen guten Lohn bekommen, nicht wegen Partei oder Gewerkschaft. Neben der von den S-Parteien lange als "Haltung" unterstützten illegalen Massenmigration mit all ihren negativen Folgen (Wohnungsmangel, Kriminalität, Verfall der Schulen, Entfremdung), die viele Arbeiter verärgert hat, verlieren die Sozialdemokraten die Wähler aus der Arbeiterschaft auch rapid durch ihr genderistisches und LGBTQ-Getue.
In englischsprachigen Ländern haben sich linke Kandidaten dadurch lächerlich gemacht, dass sie auf ihren Internet-Profilen sogar angegeben haben, mit welchem grammatischen Geschlecht sie gerade angesprochen werden wollen: also etwa mit "he/him/his", mit "she/her/hers", mit "they/them/theirs" (was gender-neutral sein soll) oder mit Neuschöpfungen wie "xe/xem". Manche haben inzwischen wieder darauf verzichtet, aber der Schaden bleibt.
Geradezu eine Verkörperung dieses Antagonismus bilden derzeit die Vorgänge in der Weltmetropole New York bei den dortigen US-Demokraten. Diese gelten ja in ihrer Geschichte als weitgehend deckungsgleich mit den europäischen Sozialdemokraten. Sie haben bei den Vorwahlen für die nächste Bürgermeisterwahl nun den ganz weit links stehenden Moslem Zohran Mamdani aufgestellt. Er siegte über den langjährigen Gouverneur des Bundesstaates New York, den auch international renommierten Andrew Cuomo, einen Mann der gemäßigten Mitte.
Damit ist bei den Demokraten mit umgekehrten Vorzeichen das gleiche passiert wie bei den Republikanern vor der Präsidentenwahl. Obwohl dort die in der Mitte stehende Nikki Haley bessere Umfragewerte als Trump hatte, wurde dieser von den republikanischen Vorwahlteilnehmern mit großer Mehrheit gewählt.
Ob der 33-jährige Mamdani bei den allgemeinen Wahlen ebenfalls eine Mehrheit erringen wird, ist freilich mehr als ungewiss.
Aus mehreren Gründen:
- Etwa weil Cuomo dabei wahrscheinlich als unabhängiger Kandidat antreten und Mamdani viele Stimmen wegnehmen dürfte (Cuomo werden freilich Sexskandale nachgesagt);
- etwa weil Mamdani in einer Stadt, die ob ihrer Größe und Unterschiedlichkeit ohnedies zum Chaos neigt, keinerlei Verwaltungs- oder Führungserfahrung hat;
- etwa weil New York mit 360.000 städtischen Angestellten wirklich eine Monsterherausforderung darstellt;
- etwa weil Mamdani radikal sozialistische Vorstellungen propagiert wie unentgeltliche städtische Busse oder die Einführung von der Stadt betriebener Supermärkte;
- etwa weil Mamdani ein scharfer Gegner Israels ist, was die jüdischen Wähler der Partei total entfremdet;
- etwa weil auch viele christliche Wähler nicht unbedingt einen Moslem als Bürgermeister haben wollen;
- etwa weil Mamdani ursprünglich gar kein Demokrat war, sondern Mitglied der "Demokratischen Sozialisten Amerikas" – wo schon diese Bezeichnung sehr an die europäischen Nachfolgeparteien der Kommunisten erinnert;
- etwa weil Mamdani eine allgemeine Kindergartenversorgung von sechs Wochen bis sechs Jahren einführen will;
- etwa weil sogar die immer eher linke "New York Times" seine Politik als "einzigartig unpassend für die Herausforderungen der Stadt" kritisiert;
- etwa weil Mamdani zumindest in der Vergangenheit dafür gekämpft hat, dass man der Polizei die Budgetmittel kürzen soll (und das ausgerechnet in einer Stadt mit einer heftigen Vergangenheit als Verbrechensmetropole!).
Aber dafür sind innerhalb der Partei viele glücklich – so wie sie es schon bei Kamala Harris gewesen sind –, dass nun endlich in New York der wahre Sozialismus einkehrt.
PS: Freilich tun es bisweilen auch die konservativ-christdemokratischen Partei den Sozialdemokraten gleich. Das hat man jetzt in einer anderen großen Metropole gesehen: In Berlin dürfen Lehrerinnen künftig mit dem Kopftuch unterrichten. Dabei hat Berlin einen CDU-Bürgermeister …