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Die russische Gefahr: Was Europa primär tun müsste

Die russische Gefahr: Was Europa primär tun müsste

Im ganzen freien Europa herrscht große Einigkeit, dass Russland wieder bedrohlich geworden ist, dass dessen Herrscher Wladimir Putin weit über die Grenzen Russlands hinausgehende Einflusssphären und damit Dominanz beansprucht, und dass das große Land in den letzten Jahren ganz auf eine Kriegswirtschaft umgestellt worden ist, die sich nach einem Sieg über die Ukraine fast automatisch gegen neue Gegner fortzusetzen droht (so wie Russland nach 1945 im Gegensatz zum rasch abrüstenden Westen hoch gerüstet hat und bedrohlich geblieben ist). Daher herrscht auch große Einigkeit, dass massiv mehr Geld in die Verteidigung gesteckt werden muss. Trotz dieses Konsenses sollten ehrliche Analysen aber schon fragen, ob auch diese letzte Konklusion stimmt, ob es nicht bessere und billigere Methoden der kollektiven Verteidigung gibt als die gigantischen Erhöhungen, die jetzt geplant sind.

Denn Tatsache ist, dass bei aller Unberechenbarkeit Russland der Nato zumindest in Hinblick auf die Militärausgaben weit unterlegen ist. Russlands Militärausgaben werden zuletzt auf 109 Milliarden Dollar geschätzt; während die aller 32 Nato-Staaten zusammen nach Nato-Angaben auf rund 1474 Milliarden kommen.

Dieses erdrückende Verhältnis ist freilich durch mehrere Aspekte zu relativieren.

  • Rund 1000 Milliarden dieser Summe stammen von den USA, was weit über die Bevölkerungsproportionen hinausgeht. Diese sind aber zumindest unter Donald Trump nicht mehr fest als Bündnispartner einzukalkulieren. Er hat sich schon mehrfach massiv anfällig für die Schmeicheleien, Lügen und Versprechungen von Wladimir Putin gezeigt – was auch die alten Vermutungen wiederbelebt hat, dass Trump vom russischen Geheimdienst mit geschmacklosen Sex-Photos erpresst wird.

Freilich sind auch ohne die USA die übrigen Nato-Alliierten den Russen noch immer rund dreieinhalbfach überlegen. Aber auch das ist zu relativieren:

  • Diese Relation kommt nur durch die Addition der Militärbudgets von 31 verschiedenen Staaten zusammen.
  • Es bleibt letztlich trotz aller Zusagen durch den Artikel 5 des Nato-Vertrags zweifelhaft, ob wenigstens unter diesen 31 Staaten alle zu Hilfe kommen werden, wenn einer angegriffen wird, würde doch Russland einen solchen Angriff wieder so tarnen, dass leider "zurückgeschossen" werden müsse. Das würden naive oder gekaufte Politiker in Westeuropa sofort aufgreifen, die dann ähnlich wie 1938 der Brite Chamberlain die naturgemäß große Friedenssehnsucht der Bevölkerung zu verkörpern versuchen.
  • Während in Russland alles auf einen einzigen Befehl des Diktators hört, ist das in Demokratien natürlich ganz anders. Vor allem ist im Westen die eiskalte Opferung von unzähligen Soldatenleben als Kanonenfutter absolut undenkbar, wie wir sie bei allen russischen Offensiven von den Weltkriegen bis zum Ukrainekrieg sehen konnten und können.
  • In den einzelnen westlichen Armeen läuft noch immer vieles parallel, was unnötige Kosten verursacht.
  • Auch stoßen die Standardisierung der technischen Normen und Abstellung auf die englische Sprache immer wieder an Grenzen.
  • Bei der Beschaffung wird noch immer sehr viel Rücksicht auf die nationalen Industrien genommen, was die Dinge verteuert.
  • Wenn jetzt auf einmal große Summen in die wenigen Rüstungsbetriebe fließen, wird das vor allem einmal deren Preise hochtreiben.
  • Vor allem fehlt Europa – zumindest noch auf viele Jahre – das Wichtigste für eine moderne Kriegsführung: Die satelliten-unterstützte Beobachtung des gesamten Kampffeldes und des gesamten gegnerischen Territoriums. Da wird Europa noch auf viele weitere Jahre auf die USA und ihr GPS-System angewiesen sein.
  • Auch ist bei einem Vergleich der Verteidigungsausgaben mit Russland Rücksicht darauf zu nehmen, dass Berufssoldaten im Westen weit besser gezahlt werden müssen.

Wenn man all das miteinkalkuliert, dann verschwindet der westliche Vorsprung rasch. Das Wichtigste aber und zugleich Bitterste: Ohne die USA ist Westeuropa am Ende jedenfalls durch Russland nuklear erpressbar. Zwar hat Frankreich angeboten, seine Atomwaffen in den Dienst der europäischen Sicherheit zu stellen. Aber das schien vorerst eher bedeutet zu haben, dass die anderen Staaten die Force de Frappe mitfinanzieren sollen, während die letzte Entscheidung über den Einsatz beim französischen Präsidenten bleibt. Und ob dieser in einem Ernstfall die Zerstörung von Paris und Marseille durch einen russischen Gegenschlag riskiert, "nur" weil bloß ein Bündnispartner angegriffen wird, wird immer zweifelhaft bleiben.

Das Fatale: All diese Fragen bleiben auch dann unbeantwortet, selbst wenn die Nato-Bündnis-Partner jetzt die von den USA verlangte und von den Verteidigungsministern im Prinzip zugesagte Erhöhung ihrer nationalen Sicherheitsausgaben auch wirklich umsetzen sollten. Dabei sind diese gewaltig: Während die Europäer schon seit vielen Jahren die eigentlich vereinbarten 2 Prozent des Wirtschaftsprodukts BIP an Verteidigungsausgaben großteils nicht erreichen, scheint es mehr als fragwürdig, dass sie die nunmehr ausgemachten 5 Prozent erreichen können (die sich aus 3,5 Prozent für Militärausgaben und 1,5 für damit zusammenhängende Infrastrukturausgaben wie strategische Bahnlinien, Straßen und Flugplätze zusammensetzen sollten).

Daher sollten sich die Europäer vorerst auf die wichtigsten, aber realistischen Zielen einigen. Die da wohl wären:

  1. Volle Konzentration auf Waffenhilfe an die Ukraine: Denn diese ist zur Verteidigung der eigenen Freiheit kampfesbereit und in der Kriegsführung trotz der numerischen Unterlegenheit viel kreativer als die Russen, siehe etwa ihre geniale Drohnen-Taktik. Denn solange sich Russland in der Ukraine abmühen muss, besteht keine Gefahr, dass das Putin-Reich gegenüber dem restlichen Europa provokativ wird.
  2. Vorrang auf die rasche Entwicklung des seit Jahrzehnten feststeckenden Satellitensystems Galileo, um die Abhängigkeit vom amerikanischen GPS zu reduzieren.
  3. Intensives Vorantreiben der Sicherheitszusammenarbeit zwischen allen EU-Staaten und Großbritannien (was auch die besonders problematische Abhängigkeit vom Nato-Partner Türkei reduzieren würde).
  4. Europaweite Zusammenarbeit bei der Rüstungsentwicklung unter Einbeziehung wichtiger und militärisch hochentwickelter Freunde wie Israel, wie Südkorea, wie der Ukraine.
  5. Intensive Versuche, mit Frankreich und Großbritannien eine haltbare Regelung zu finden, dass deren Atomarsenal zum wirklichen gemeinsamen Schutz für das freie Europa wird.
  6. Selbstverständlich sind auch mehr Verteidigungsausgaben als heute notwendig, aber man würde so den Frust und Streit vermeiden, der unweigerlich entsteht, wenn sich die 5 Prozent am Ende als unerreichbar herausstellen.

Das alles bedeutet kein Nein zu den USA, schließlich wird es ja auch eine Zeit nach Trump geben. Das bedeutet aber die massive Reduktion von Abhängigkeiten, die Fähigkeit, eigene europäische Interessen zu verfolgen und die Entwicklung von mehr Selbstbewusstsein, um den Dialog mit den USA künftig auf Augenhöhe führen zu können. Und damit ein Ende der Angst, im Oval Office wie ein Schulbub heruntergemacht zu werden, wenn man sich nicht devot genug zeigt.

Und das bedeutet auch die Bereitschaft zu einer gemeinsamen Anti-China-Politik, die den USA zumindest derzeit viel wichtiger ist als die Sicherheit Europas. Aber auch Europa sollte erkennen, dass Russland ohne Hilfe Chinas seinen Ukraine-Krieg gar nicht führen könnte.