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Polen, Ungarn, die EU – und Österreich

Polen, Ungarn, die EU – und Österreich

Der Erfolg des Rechtskandidaten Karol Nawrocki bei der polnischen Präsidentschaftswahl bringt eine klare Lehre für viele andere Rechtsparteien Europas: Eine Rechtspartei ist vor allem wegen ihrer wertkonservativen gesellschaftspolitischen Positionen und dem Mut erfolgreich, die nationale Eigenständigkeit gegenüber dem EU-Zentralismus zu betonen. Sie braucht für einen Erfolg keineswegs eine russlandfreundliche Haltung, wie sie etwa Ungarns Premier Orbán, die FPÖ und die deutsche AfD zuletzt in so bedenklicher Weise bezogen haben. Nawrocki folgt damit dem klaren Erfolgsweg der ebenfalls klar konservativen und zugleich ebenfalls klar antirussischen italienischen Ministerpräsidentin Meloni. Rund um Österreich ist jedenfalls nicht nur mit diesem Wahlergebnis vieles in Bewegung gekommen – das sollte man auch in jenem Land zur Kenntnis nehmen, das sich so gerne als Mitte Europas ansieht.

Vor allem aber sollte der polnische Wahlausgang als klares Signal an die EU-Führung verstanden werden, künftig mehr Respekt vor der Souveränität und dem nationalen Stolz der Mitgliedsstaaten zu haben. Schließlich dürften gerade ihre Einmischungsversuche in die polnische Innenpolitik das genaue Gegenteil dessen bewirkt haben, was beabsichtigt gewesen ist. Die EU-Kommission hat ja zuerst mit problematischen Argumenten – nämlich wegen der angeblich undemokratischen polnischen Justizgesetze – Gelder für Polen zurückgehalten, diese Gelder aber dann nach dem Machtwechsel bei der polnischen Parlamentswahl sofort wieder fließen lassen, ohne dass die diesbezüglichen Gesetze überhaupt rechtlich geändert worden wären. Sie wollte damit eindeutig in unsauberer Weise der linksliberalen Regierung Tusk helfen, die zwar die gewünschten Gesetzesänderung versucht hat, die sich aber gegen den bisherigen konservativen Präsidenten Duda nicht durchsetzen hat können.

Das war und ist eine Sauerei: Denn wenn die Justizgesetze überhaupt der EU eine Berechtigung zur Zurückhaltung von EU-Geldern geben sollten (was mehr als zweifelhaft ist), dann kann keinesfalls die Absicht zu einer Änderung allein, sondern nur die wirkliche Änderung der Gesetze ein Grund sein, die Zurückhaltung der Gelder auch wieder zu beenden. Zumindest, wenn in der EU noch rechtliche und nicht willkürliche Regeln gelten sollten. Zumindest, wenn die Kommission parteipolitisch neutral wäre.

Ihr Vorgehen mit Polen wäre etwa damit vergleichbar, wenn die österreichische Bundesregierung einem von anderen Parteien als im Bund regierten Bundesland die diesem laut Finanzausgleich zustehenden Steuergelder einfach nicht auszahlt.

Die EU-Kommission sollte jedenfalls dringend ihren oft rein ideologisch getriebenen Kurs gegenüber Mitgliedsländern drastisch ändern, will sie nicht noch weiter an Glaubwürdigkeit und Vertrauen verlieren. Das trifft insbesondere auch auf ihre Politik gegenüber Ungarn zu. Denn jeder Ungar muss es zu Recht als Riesensauerei empfinden, dass das Land jeden Tag eine Million Euro Strafe zahlen muss, nur weil es der Umverteilung illegaler Migranten aus Afrika oder Asien auch nach Ungarn nicht zustimmt. Als ob eine solche Umverteilung mit dem Funktionieren des Binnenmarktes irgendetwas zu tun hätte. Als ob die EU gegründet worden wäre, um ganze Nationen zu provozieren oder unterjochen.

Auch wenn man es nicht beweisen kann, so böte eine echte Versöhnung zwischen Brüssel und Budapest wohl auch die beste Perspektive, dass Ungarn sich nicht mehr wie eine fünfte Kolonne Russlands in der EU verhält. Immerhin ist Premier Viktor Orbán heute der einzige osteuropäische Spitzenpolitiker, der einst noch offen und mutig als Dissident und Kritiker der Anwesenheit sowjetrussischer Truppen in seinem Land aufgetreten ist. Was ihm ja eigentlich einen Heldenstatus geben müsste, würde er sich nicht aus offensichtlichem Ärger über die Brüsseler Bevormundung heute allzu nahe zu Russlands Putin postieren.

In Polen besteht hingegen wohl keine Gefahr, dass der neue Präsident versuchen würde, das Land auf prorussischen Kurs zu drehen. Abgesehen von der Regierung würde da auch fast die ganze polnische Bevölkerung dagegen protestieren. Vor allem ist die hinter dem Wahlsieger stehende PiS-Partei zutiefst antirussisch gesinnt. Der starke PiS-Mann Jaroslaw Kaczynski wirft Russland unter anderem die Tötung seines Zwillingsbruders Lech, des damaligen polnischen Präsidenten, durch einen Flugzeugabsturz im Jahr 2010 vor.

Schließlich hatten die Polen in ihrer Geschichte lange unter russischer Herrschaft schwer zu leiden gehabt, zuerst nach den polnischen Teilungen Ende des 18. Jahrhunderts bis zum polnisch-russischen Krieg nach dem ersten Weltkrieg unter dem Diktat des russischen Zaren. Und dann wieder nach dem zweiten Weltkrieg bis 1989 unter dem Diktat der russischen Kommunisten.

Freilich sind auch zwischen Polen und der Ukraine noch nicht alle Fragen geklärt. Gibt es doch in der Westukraine auch eine polnische Minderheit. Werden doch die Ukrainer von vielen Polen mit den Russen gleichgesetzt. Und sind doch allzuviele ukrainische Flüchtlinge heute in Polen.

Eine Abkühlung wird es wohl auch Richtung Deutschland geben. Denn die PiS-Partei hat zumindest in den letzten Jahren immer wieder die von den Deutschen nie ernstgernommene Forderung wiederholt, dass Deutschland an Polen Reparationen für die Schäden des zweiten Weltkriegs zahlt. 

Jetzt steht in Polen eine Wiederholung des Machtkampfes zwischen der linksliberalen Regierung Tusk und Präsident Nawrocki bevor. Dessen Ergebnis ist angesichts der relativ starken Stellung des polnischen Präsidenten noch völlig ungewiss. Dieser hat nämlich ein starkes Vetorecht gegen Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse. 

Vorerst ist noch völlig offen, ob es Tusk und Nawrocki gelingt, ob sie es im Interesse des Landes überhaupt versuchen, das Verhältnis diesmal produktiver zu gestalten als unter Nawrockis Vorgänger. Denn in Wahrheit sind die beiden gar nicht so weit auseinander. Dies gilt nicht nur in Sachen der antirussischen Gesinnung, sondern auch in Hinblick auf die Ablehnung jedes sozialistischen Eingriffs in die in den letzten Jahren so erfolgreiche polnische Wirtschaft. Dennoch hat die Warscher Börse mit einem Minus von zwei Prozent negativ auf Nawrockis Wahl reagiert.

Offen ist hingegen, ob Tusk künftig auf seinen gesellschaftspolitischen Linkskurs verzichten wird, zu dem auch die  Freigabe Abtreibung gehört. Nawrocki wird nicht nur in diesen Fragen ein harter gegner der Regierung sein. Er ist auch ein klarer Gegner grüner Klimarettungsmaßnahmen. Offen ist, ob es ihm gelingt, zwischen Polen und Ungarn wieder eine starke EU-Achse zur gegenseitigen Unterstützung gegen zentralistische Einmischung aus Brüssel zu zimmern. Ist doch Tusk ein durch und durch gefärbter EU-Europäer.

Tatsache ist aber jedenfalls, dass mit Polen und nach der Rechtswende in Deutschland und Italien sowie der Annäherung zwischen dem französischen Präsidenten und der rechten Nachfolgekandidatin Marine le Pen jetzt das vierte der fünf größten EU-Länder einen Rechtsruck vollzogen hat. Und in Spanien, dem letzten größeren Land mit einer Linksregierung, hat diese bei den letzten Wahlen ebenfalls herbe Rückschläge gegen die zwei dortigen Rechtsparteien erlitten (und hat nur durch einen Deal mit autonomistischen Minderheitsparteien die Regierungsmehrheit noch verteidigen können).

Auf jeden Fall sollte die österreichische Außenpolitik künftig die Vorgänge in Mitteleuropa viel stärker als in letzter Zeit berücksichtigen, selbst wenn Außenministerin Meinl-Reisinger nicht viele Sympathien für rechte Parteien haben dürfte. Jedenfalls wäre es im ureigensten Interesse Österreichs, wenn sich die Republik nicht mehr den linken Zensoren vor allem gegenüber Ungarn anschließen würde, sondern wenn sich hier wieder eine gute Nachbarschaft entwickeln könnte. Denn:

  • Erstens sind die Vorwürfe gegen Ungarn massiv überschießend und primär Produkt der Denunziation durch linke Orbán-Gegner.
  • Zweitens gibt es in Wahrheit nicht den geringsten Hinweis, dass nicht auch die nächsten Wahlen in Ungarn frei sein werden.
  • Drittens hat Orbán schon einmal eine Wahlniederlage akzeptiert und ist in Opposition gegangen.
  • Viertens ist auch das Gerede von einem Ende der freien Medien in Ungarn Unsinn, vor allem wenn man die Online-Medien berücksichtigt; die allzu freigiebige Vergabe von Inseraten an regierungsfreundliche Medien darf man wiederum nur dann kritisieren, wenn auch die freigiebige Vergabe von Inseraten an SPÖ-freundliche Medien durch das Imperium des Wiener Rathauses von der EU in gleicher Weise an den Pranger gestellt würde.
  • Und fünftens sollte man in Wien sehr genau registrieren, dass in Ungarn ganz offensichtlich aus Rache für die Unfreundlichkeiten aus Österreich neuerdings wieder sehr österreichfeindliche Töne zu hören sind, auf die man jahrzehntelang nicht gestoßen ist: Auf regierungsnahen ungarischen Plattformen ist plötzlich massive historische Kritik daran zu lesen, dass das Burgenland nach dem ersten Weltkrieg von Ungarn abgetrennt und zu Österreich gekommen ist – das wird jetzt als Akt der "Barmherzigkeit" der Alliierten gegenüber Österreich verhöhnt (weil dieses gleichzeitig viele rein deutschsprachige Gebiete an die Tschechoslowakei verloren hat), der aber nicht durch den Bevölkerungswillen gedeckt gewesen wäre.

Das kann man angesichts der völlig überflüssigen österreichischen Oberlehrerhaftigkeit durchaus als Wink mit dem Zaunpfahl interpretieren.

Eine vorausschauende österreichische Außenpolitik sollte daher sehr genau aufpassen und dem vorbeugen, dass sich da nicht nach hundert Jahren ein völlig überflüssiger Nachbarschaftskonflikt entwickelt. Im Übrigen haben frühere österreichische Außenminister auch noch sehr gut gewusst, dass auch Polen in etlicher Hinsicht ein Nachbarland mit vielfachen historischen Berührungspunkten ist, selbst wenn es keine direkten Grenzen gibt.

PS: Bei Anwendung geometrischer Regeln auf die europäische Landkarte findet man den Mittelpunkt Europas übrigens eindeutig in Polen und nicht in Österreich. Auch das gibt zu denken.