
Der Schuss ins eigene, ins rechte Knie
Wie in Österreich, so in der EU: Überzogenes Agieren der rechten Parteien führt am Ende immer zu einer politischen Aufwertung der eigentlich überall im Niedergang befindlichen Sozialdemokraten. Es hat am Wählertrend vorbei zu einem politischen Linksruck in der Republik wie auch der Union geführt. Nur wenige Rechtspolitiker wie die Italienerin Giorgia Meloni haben begriffen, dass man kompromissfähig sein muss, um an der Spitze einer Partei politik- und mehrheitsfähig zu sein oder werden, ohne seine politischen Hauptziele aufzugeben.
Grund des Misstrauensantrags waren ausgerechnet die Aktionen der Frau während der Corona-Pandemie. Als ob da irgendein Akteur im Chaos fehlerlos geblieben wäre. Masken, Maßnahmen, Lockdowns, Impfungen: Überall hatte in den langen Monaten, in denen die Fallzahlen ständig gestiegen sind, der Druck zugenommen, es werde zuwenig gegen das Virus unternommen. Nur jene, die nichts taten, die nichts zu tun hatten, konnten keine Fehler machen. Sie sind jetzt fein heraus und können kritisieren: Da sei zuviel gemacht worden, und dort sei zu wenig gemacht worden, da seien zu viele Masken angeschafft worden, dort sei zu teuer Impfstoff besorgt worden, da seien Masken ungenutzt übergeblieben, und dort habe es falsche, rechtlich problematische Maßnahmen gegeben (Dieser Blog hat sich diesbezüglich bekanntlich immer zurückgehalten, nur einen Aspekt schon von Anfang an gerügt: Das war das Irrsinnsprinzip des "Koste es, was es wolle", das zu schweren finanziellen Langzeitlasten und ökonomischen Schieflagen geführt hatte, das keinen Pandemietoten verhindert, aber viele eigentlich trotz Pandemie mögliche ökonomische Aktivitäten zum Stillstand gebracht hat).
Das jüngste Misstrauensvotum hatte zwar von Anfang keine Chancen auf eine Mehrheit oder gar die notwendige Zweidrittelmehrheit. Dennoch hatte Ursula von der Leyen Angst, ein optisch unerfreuliches Ergebnis zu bekommen. Was tat sie daher? Sie hat den ihr bisher eher kritisch gegenüberstehenden Sozialdemokraten substanzielle Zugeständnisse gemacht und damit ein sehr respektables Abschneiden gesichert.
Mit ihrem Misstrauensvotum hat sich letztlich die europäische Rechte tief ins eigene Knie geschossen. Sie hat nicht nur die Abstimmung massiv verloren – selbst die Meloni-Partei ging nicht mit –, sie hat darüber hinaus die ihr hasserfüllt gegenüberstehenden Sozialdemokraten aufgewertet, und die Rechte hat nun auch das Tischtuch zwischen sich und der Kommissionspräsidentin zerschnitten. Dabei hatte Von der Leyen als erste Kommission der Rechten am Beginn dieser Periode viele Signale der Kooperation geschickt, etwa im Bereich der illegalen Migration, wo man nach Wegen zu einer Reduktion am migrationsfreundlichen Kurs des EU-Gerichtshofs vorbei zu entwickeln begonnen hat.
Damit ist es nun wohl vorbei. Damit hat sich die europäische Rechte selbst zurück in die politische Isolation geschickt, in der sie ja die Linke immer schon zu halten versucht hatte. Damit ist in Brüssel die De-facto-Koalition zwischen der Europäischen Volkspartei, den Sozialdemokraten und den Linksliberalen einzementiert worden.
Dem Österreicher wird das sehr bekannt vorkommen. Denn das ist exakt die Koalitionsformel, die auch hierzulande regiert. Und auch hierzulande hatte es die Bereitschaft der heimischen Volkspartei gegeben, mit der rechts von ihr stehenden FPÖ zu kooperieren und sogar – weit über Ursula von der Leyen hinausgehend – zu koalieren.
Aber auch hier hat die politische Rechte den Bogen überspannt. Hier haben die Freiheitlichen voll Trotz die Koalitionsverhandlungen abgebrochen, als sie sich nicht ganz durchsetzen konnten. Was ihnen prompt einen deutlichen Rückgang eines Teiles ihres Sympathiegewinns eingebracht hat, den sie nach den Wahlen erzielt hatten, als die ÖVP schon einmal mit der SPÖ und den Neos zu verhandeln begonnen und der Bundespräsident der FPÖ keinen Regierungsbildungsauftrag gegeben hatte.
Ohne Kooperationsfähigkeit und mit einer russlandfreundlichen Politik können die Parteien dieses Spektrums nur auf eine Zukunft als ewige Opposition blicken, es sei denn, den übrigen Parteien passieren wirklich katastrophale Fehler oder es bricht eine große Weltwirtschaftskrise aus.
Mit Kooperationsfähigkeit könnten sie hingegen zum politischen Mittelpunkt werden, wie es Italiens Giorgia Meloni gelungen ist.
Die hier aufgezeigten Fehler der europäischen und österreichischen Rechtspopulisten rechtfertigen freilich nicht den Fehler von CDU und CSU, die sich von der Linken umgekehrt hinter eine Brandmauer gegen die AfD zwingen haben lassen.