
Und wo bleiben die Amtskirchen?
Im allerletzten Moment haben die CDU/CSU-Abgeordneten ihre Fraktions- und Parteiführung gezwungen, die eigentlich schon gegebene Zustimmung zum SPD-Vorschlag für die Ernennung einer neuen Verfassungsrichterin zurückzuziehen. Die SPD hatte eine linksradikale Abtreibungsbefürworterin ins Höchstgericht bringen wollen. In der dadurch entstandenen Not hat die schwarz-rote Koalition in Berlin jetzt die eigentlich für den gestrigen Freitag geplante Bestellung dreier neuer Verfassungsrichter durch das Parlament auf den Herbst verschoben. Ganz offensichtlich sind viele CDU/CSU-Abgeordnete in den letzten Tagen von ihrer Basis so heftig unter Druck gesetzt worden, dass sie Friedrich Merz den Gehorsam verweigert haben.
Dabei haben die drei rechts der Mitte stehenden Parteien CDU/CSU, AfD und FDP am Wahltag 54 Prozent der Stimmen erhalten (wozu eigentlich noch etliche kleinere Parteien wie die "Freien Wähler" zu addieren wären), während die vier roten und grünen Linksparteien nur rund 42 Prozent erhalten haben (zu denen auch kaum nahestehende Kleinparteien zu rechnen wären), darunter die Regierungspartei SPD mit gar nur 16 Prozent.
Vor allem die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf hat breiten Zorn erregt. Hat sich die Dame doch nicht nur für die totale Freigabe der Abtreibung eingesetzt, sondern auch Kindern bis zum Zeitpunkt der Geburt einfach die Menschenwürde abgesprochen.
Eine solche Kandidatur wäre eigentlich ein Thema, bei dem noch viel mehr als die einfachen Bürger, Gläubigen und Unionsmitglieder, insbesondere die sonst so stimmgewaltigen Funktionsträger der Kirche zu scharfen Stellungnahmen aufgerufen wären. Diese schwiegen jedoch weitgehend. Die deutschen – und viele österreichische – Amtskatholiken befassen sich augenscheinlich fernab der Gläubigen und auch fernab des Vatikans lieber mit Themen wie dem Frauenpriestertum, wie der Schwulenehe, wie den Transvestiten samt ihren Umoperations-Wünschen, wie der Unterstützung für sogenannte "Seenotretter" und wie dem Verbot, die "Alternative für Deutschland" zu wählen.
Gewiss, in jenem Land, in dem es einst zur Reformation gekommen ist, sind die meisten katholischen Bischöfe sehr bedacht, nur ja immer modern und progressiv, kurz, links zu wirken. Dabei ist es für sie offenbar sekundär, dass sie auf diesem Weg viele Gläubige verlieren. Dabei haben sie auch übersehen, dass sich die evangelischen Kirchen, wo man ja noch viel stärker in all den genannten Punkten auf progressiv macht, noch rascher geleert haben – trotz des eigentlich großartigen und stolzen Faktums, dass 1989 gerade in und rund um evangelische Kirchen der Widerstand gegen das kommunistische DDR-Regime kulminiert ist, dass ohne die dort beginnenden tapferen Aufmärsche der Christen es vielleicht heute noch die DDR gäbe.
Die jüngste Entwicklung gibt jedenfalls der CDU-Spitze noch einmal eine Gnadenfrist, sich zu besinnen, wo eine christlich-wertkonservativ-wirtschaftsliberale Partei mit einer so großen Tradition zu stehen hat und welche Roten Linien sie auch aus Koalitionsdisziplin nicht überschreiten darf. Schon gar nicht dann, wenn die CDU/CDU bei Umfragen mit 27 bis 28 Prozent kontinuierlich doppelt so stark ist wie der Koalitionspartner SPD mit 13 bis 14,5 (die SPD steht noch schwächer da als die auf 20 Prozent abgesunkene Babler-SPÖ).
Immer öfter wird deshalb das immer gleiche Problem die Union erschüttern: Sie hat sich durch ihr unsinniges Mitmachen bei der Anti-AfD-Brandmauer in Abhängigkeit von der SPD begeben – und bei Verfassungsfragen oder der Besetzung von Verfassungsrichterposten sogar zusätzlich noch von den Grünen und der kommunistischen Linkspartei. Dabei wird in Wahrheit jeder einzelne Konflikt dieser Art weitere CSU/CSU-Wähler hin zur AfD treiben. Viele Unions-Wähler haben ja noch lange geglaubt, dass unter Merz diese von Angela Merkel entwickelte, aber nicht nur deshalb unselige Brandmauer-Politik zu Ende gehen wird.
Es ist jedenfalls extrem undemokratisch und entspricht auch nicht den Prinzipien eines Rechtsstaates, wenn sich alle anderen Parteien die acht Richterposten im Verfassungsgericht nach einem fixen Beute-Verteilungs-Satz aufteilen, wenn hingegen die zweitgrößte Partei des Landes, also die AfD, die am Wahltag von 21 Prozent gewählt worden ist und inzwischen schon von 22 bis 24 Prozent unterstützt wird, keinen einzigen nominieren darf. So wie sie auch nicht den ihr eigentlich zustehenden Bundestags-Vizepräsidenten besetzen kann oder das ihr eigentlich zustehende Geld für ihre Parteiakademie bekommt.
Mit diesen Aktionen wird nicht, wie die Linken behaupten, die Demokratie verteidigt, sondern kaputt gemacht. Und so vertreiben die Kirchen ihre Gläubigen.
PS: Den Rest an Glaubwürdigkeit haben Schwarz und Rot in Deutschland verloren, als sie den Rückzug von der Verfassungsrichterwahl mit dem im letzten Moment kursierenden Gerücht zu begründen versucht haben, dass Brosius-Gersdorf ein Plagiatsproblem bei ihrem Studium gehabt habe …
PPS: Auch in Österreich beruht der Verfassungsgerichtshof, also das weitaus mächtigste Gericht des Landes, durchwegs auf Parteivorschlägen, auch in Österreich werden demnächst wie vereinbart zwei linke Kandidaten nachrücken, aber immerhin in dem Gremium auch die FPÖ (so wie die Grünen) vertreten sein – wenngleich nur als Folge früherer Koalitionszeiten. Dafür sind in Österreich zwei eigentlich von der ÖVP nominierte Richter in gesellschaftspolitischen Fragen stramm nach links marschiert …