
Wenn YouTube-Gequassel Deutsch verdrängt
Auch wenn – oder weil – gerade die neunwöchigen Sommerferien ausgerufen sind, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, über Probleme der Bildungspolitik zu reden. Denn sie ist der größte Fleckerlteppich in unserem Land, auch wenn die Politiker in ihren Sonntagsreden behaupten, es handle sich um einen kostbaren Perserteppich, nachgerade einen, der fliegen kann und unsere Kinder in einer lichten Zukunft absetzt. Dem ist leider nicht so. Ein Fleckerlteppich bleibt ein Fleckerlteppich, auch wenn man ihn schönredet.
Der Neos-Bildungsminister neigt zur Hyperaktivität, die schon seit dem Partei-Gründungsvater, dem Baum-Umarmer Matthias Strolz, Alleinstellungsmerkmal der Pinken ist. Also nahm er sich (frisch auf Steuerzahlerkosten geschminkt) der größten Baustelle des Bildungssystems an: der Überforderung durch die Zuwanderung.
Wiederkehrs erster Meilenstein sollen die "Orientierungsklassen" sein. Dort sollen die vornehmlich betroffenen Familiennachzugs-Kinder bis zu einem halben Jahr lang lernen, was der Schulalltag ist und wie man einen Bleistift hält. Besonders fragliches Detail: Erst danach sollen sie in Deutschförderklassen umsteigen können. Als ob die nicht oberste Priorität wären.
Vor drei Jahren hat es in Wien noch 4000 für "Orientierung" in Frage kommende Kinder gegeben, die Zahl ist seither stetig rückläufig. Und jetzt, so beteuert zumindest Innenminister Gerhard Karner, ist doch der Familiennachzug so gut wie gestoppt. Wozu also jetzt noch solche Klassen einführen?
Wie das mit dem Schulalltag ist, sollte man vielleicht auch besser den Eltern erklären – das könnte zielführender sein. Besonders dann, wenn man ihnen gleichzeitig auch auseinandersetzt, dass es hierzulande eine Schulpflicht gibt, die sie auch bei ihren pubertierenden Söhnen durchsetzen müssen, wenn die "Ehre" den jungen Herren wichtiger ist als ein solides Grundwissen.
Was ein echter Neos ist, dem die Bildung über alles geht, dem wäre es auch zuzutrauen, dass er mit der Lehrergewerkschaft ausmacht, dass Deutschkurse in den Ferien stattfinden müssen. Es ist einfach nicht mehr zu verantworten, dass in manchen Wiener Bezirken drei Viertel der Kinder in den ersten Klassen dem Unterricht nicht folgen können – mangels Deutschkenntnissen. Was soll der Lehrer in solchen Klassen tun?
Ein Blick nach Deutschland lehrt außerdem, dass es wohl noch schlimmer kommen wird – dort überlegt die Bildungsministerin bereits Migranten-Quoten in den Grundschulklassen. Notgedrungen, denn dort gibt es schon Klassen mit 95 Prozent Migrantenkindern in manchen Städten – wobei jedoch die Deutschkurse besser zu funktionieren scheinen. Wenn man den Statistiken Glauben schenkt, hat beim Nachbarn nur ein Viertel der Kinder so große Defizite im Deutschen, dass sie den Lehrer nicht verstehen.
Aber es geht nicht nur um Defizite bei den Zuwanderern. Vielleicht sollte sich ein Bildungsminister auch um das Niveau des Deutschunterrichts für alle Schüler kümmern. Zwar wird in den Lehrbüchern penibel darauf geachtet, dass die verwendeten Vornamen "Diversität" vermitteln – da tauchen reihenweise Öyküs und Ibrahims auf. Aber warum in der vierten Schulstufe immer noch seitenweise die richtigen Artikel der Hauptwörter geübt werden müssen, lässt sich wohl nur damit erklären, dass der Deutschunterricht in der Volksschule durch Deutsch für Ausländer ersetzt wurde. (Und das pflanzt sich dann fort. Gymnasien, in denen Klassiker gelesen werden, kann man mit der Lupe suchen. Man beschäftigt die Schüler lieber mit dem Verfassen von Leserbriefen - für die Jungen eine noch steinzeitlichere Angelegenheit als der "Faust" - oder mit Prospekttexten von Reiseveranstaltern.)
Es ist weder rassistisch noch illiberal zu verlangen, dass alle Schüler – die autochthonen wie die migrantischen – nach absolvierter Schulpflicht Deutsch in Wort und Schrift wirklich gut beherrschen.
Die Schule muss endlich gegensteuern gegen all das YouTube- oder TikTok-Gequassel, wo sich Deutsch-türkisch ("Gehen wir Kino") und Unterschichts-Slang als Normalsprache breit machen und von den Heranwachsenden bereitwillig übernommen werden. Das ist keine "nationalistische" Forderung, keine "rechtskonservative und auch keine bildungsbürgerlich-hochmütige. Das ist schlicht die Voraussetzung einer erfolgreichen Bildung, die den jungen Menschen Lebenschancen eröffnet. Es wird so viel von Teilnahme an der Demokratie, von Kompetenzen zum Entlarven von Fake News, vom notwendigen Beherrschen der Künstlichen Intelligenz und einem kritikfähigen Umgang mit den neuen Medien geredet: Auch dafür muss man (hierzulande) aber zuallererst Deutsch beherrschen, ebenso wie für das notwendige Erlernen von Fremdsprachen, ohne die es in der modernen Welt nicht mehr geht.
Möge der Bildungsminister sich doch bitte der schwindenden Deutschkompetenz annehmen – ganz aktiv.