Warning: Illegal string offset 'portraitimage' in /var/www/lweb50/htdocs/science-blog.at/conf.php on line 67
Der Zustand der österreichischen Strafjustiz

Der Zustand der österreichischen Strafjustiz

Fast gehört es schon zum Alltag der österreichischen Strafjustiz. Denn schon wieder ist in diesem Sommer die Staatsanwaltschaft mit einem Strafprozess gegen einen Politiker gescheitert. Und wieder war es ein ÖVP-Politiker. Und wieder hat ihm ein jahrelanges Verfahren auch ohne Verurteilung existenziell schwer geschadet. Und wieder geht es um eine Aussage in dem an die NS-Volksgerichte erinnernden tribunalartigen Chaos eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Und wieder geht es um ein eigentlich belangloses Detail. Und wieder stehen zwei solche mehr an mittelalterliche Hexenverbrennungen als an einen Rechtsstaat erinnernden Untersuchungsausschüsse vor der Tür. Ebenso gehört es leider schon zum österreichischen Alltag, dass wieder nicht geschieht, was längst hätte geschehen müssen.

Denn wieder wird keiner der involvierten Staatsanwälte zur Rechenschaft gezogen für die ganz offensichtlich parteipolitische Kampagne, die da Teile der Staatsanwaltschaft gegen die beiden bürgerlichen Parteien betreiben; fast bekommt man schon das Gefühl, dass Aversion gegen die Schwarzen und Blauen seit längerem Aufnahmevoraussetzung für einen der gut bezahlten Jobs in der Staatsanwaltschaft geworden ist.

Und wieder denkt das Parlament nicht daran, die schwer misslungene und längst demokratieschädlich gewordene Konstruktion der Untersuchungsausschüsse aus der Ära Faymann durch seriösere Instrumente zu ersetzen; etwa nach dem britischen Muster, wo man nicht journalistenöffentlich tagt und daher total sachorientiert Probleme aufarbeitet und an konkreten Vorschlägen arbeitet. Man bleibt lieber beim chaotischen Tribunal, in dem man politische Gegner jagen, verwirren und zu einer unpräzisen Aussage verleiten kann, mit welcher man dann hofft, sie vor Gericht bringen zu können.

Und wieder wird der von den Staatsanwälten gleich zweimal wegen unterschiedlicher Vorwürfe lange wie ergebnislos verfolgte Mann nicht wirklich rehabilitiert. Dabei geht es hier nicht mehr "nur" um ein Regierungsmitglied, sondern um eine in einem Rechtsstaat noch heiklere Position: um einen Richter des österreichischen Verfassungsgerichtshofs. Er heißt Wolfgang Brandstetter und war wegen einer Aktion der Staatsanwälte vom Präsidenten des Gerichtshofs aus dem Amt gedrängt worden (angeblich tat der das auf Verlangen der linken Richtermehrheit).

Diese damalige Aktion gegen Brandstetter war noch viel skandalöser: Die Staatsanwälte waren samt Polizei auf der Suche nach ihm während einer normalen Sitzung in den Verfassungsgerichtshof eingedrungen! Das ist eigentlich ein staatspolitisch extrem brisanter Akt, an den nur bei wirklich schweren Verbrechen gedacht werden dürfte, wenn Gefahr im Verzug ist, oder wenn sich der Betreffende versteckt hält. Aber nicht wegen des vagen – und später nie erhärteten – Verdachts, dass Brandstetter als Strafverteidiger von einem Sektionschef angeblich eine unerlaubte Information bekommen hätte.

Das erinnert lebhaft an den Wildwest-Stil des Donald Trump, der auch Richter im Gericht festnehmen lässt. Nur: In Amerika gibt es massive Aufregung darüber – in Österreich jedoch keine. Offenbar weil es jemanden getroffen hat, der ein paar Jahre Justizminister gewesen ist, noch dazu für die ÖVP. Und da geschieht ihm natürlich recht.

Das erinnert ebenso lebhaft an die Hausdurchsuchung der WKStA-Staatsanwälte beim Verfassungsschutz. Auch dort wurde – fast muss man schon sagen: natürlich – ebenfalls nichts Strafbares aufgedeckt. Hingegen hat der Sturm der Staatsanwälte auf den österreichischen Staatsschutz diesen auf Jahre schwer beeinträchtigt. Er wurde jedenfalls ab dann von allen internationalen Informationen abgeschnitten, weil bei jener Hausdurchsuchung vertrauliche Informationen ausländischer Dienste in die Hände unbedarfter Staatsanwälte gefallen waren. Was diese ausländischen Dienste gar nicht so lustig fanden.

Das erinnert auch an die Hausdurchsuchungen der Staatsanwälte gegen alle möglichen anderen ÖVP-Politiker und die Partei selber. Die haben letztlich nie ein Delikt ans Tageslicht befördert. Das einzige – mutmaßliche – Delikt, das in der großen Schlacht der WKStA gegen die ÖVP ans Tageslicht befördert worden ist, hat ausgerechnet jener Mann begangen, dem die Staatsanwälte den Status eines gegen Verurteilungen da facto immunen "Kronzeugen" geschenkt haben. Ganz offensichtlich taten das die Staatsanwälte in der Hoffnung, in ihrer Schlacht gegen die ÖVP jemand gefunden zu haben, der ihnen Munition liefert. Freilich waren das lauter Blindgänger.

Es ist wirklich unfassbar, dass sich die Demokratie nicht gegen wildgewordene Staatsanwälte zu wehren versteht, die einmal den obersten Geheimdienst schwer beschädigen und ein andermal im wichtigsten Gerichtshof des Landes de facto einen Richter abschießen. Längst hätte es Gesetze gebraucht, die diesem profilierungssüchtigen Typen das Handwerk legen. Längst hätte es zumindest – wenn es schon solche gibt – einen Untersuchungsausschuss geben müssen, der die Umtriebe bei WKStA & Co untersucht. Längst hätte es einen besseren Schutz der obersten Republiksinstitutionen gegen unbegründete Willkür gebraucht.

Es kann ja nicht wahr sein, dass es den Staatsanwälten zusammen mit einem offensichtlich überforderten Gerichtshofpräsidenten gelingt, einen politisch nicht genehmen Höchstrichter einfach abzuschießen. Solche Vorgänge hätte man eher in Brasilien und Umgebung geortet.

Doch was tut die Regierung: Sie bereitet ein Gesetz für eine Bundesstaatsanwaltschaft vor, welche die Staatsanwälte nun auch theoretisch jeder demokratischen Kontrolle entzieht! Welche den Juristenstand endgültig zum Staat im Staat macht! Was die willkürlichen und parteipolitisch motivierten Aktionen der Staatsanwaltschaft zweifellos noch schlimmer werden lässt.

Und was tut der Gerichtshofpräsident, der sich zumindest unbedacht von der Staatsanwaltschaft instrumentalisieren hat lassen? Er duckt sich weg und schweigt, statt sich öffentlich für sein Vorgehen gegen den Verfassungsrichter zu entschuldigen.

PS: Jenes Handy, das bei der Jagd auf Brandstetter im VfGH gesucht worden war und von Brandstetter damals – irrtümlich oder absichtlich – nicht herausgegeben worden war, hat dann der Mann später freiwillig der Polizei übergeben. Ohne dass die Staatsanwälte darauf Spuren eines Verbrechens oder zumindest eines unerlaubten Sektionschef-Tipps gefunden hätten ...

PPS: Zweifellos ist die ÖVP aber nicht nur Opfer des Zustandes der Justiz, sondern auch mitschuld an diesem Zustand. Sie hat mit Brandstetter, Moser, Bandion-Ortner und Karl einen schwachen Justizminister nach dem anderen gestellt. Sie alle waren nicht imstande, die seit Christian Broda auf knalllinks gestellte Staatsanwaltschaft auf neutralen und objektiven Rechtsstaatskurs zu bringen.

PPPS: Freilich ist das auch zwei FPÖ-Ministern nicht geglückt: Der eine hat ganz im Gegenteil eine Strafprozessrechtsreform zu verantworten, welche die Macht der Staatsanwälte gewaltig ausgedehnt hat. Der andere, ein früherer Minister, trägt sogar die Verantwortung dafür, dass unter ihm der größte Justizskandal der Nachkriegszeit stattgefunden hatte, als die Staatsanwaltschaft nach dem Untergang der Lucona jahrelang aus Rücksicht auf den sozialistischen Koalitionspartner einen sechsfachen Mörder gedeckt hatte. Was fast gelungen wäre, hätte nicht ein tapferer Untersuchungsrichter das im Alleingang verhindert. Worauf er in der österreichischen Strafjustiz – natürlich – keine Karriere mehr machte …

Ich schreibe in regelmäßigen Abständen Kolumnen auf der Nachrichten- und Meinungsplattform Exxpress.