
Washington ist Trumps Rückversicherung
Es ist kein Zufall, dass die viele überraschende Entsendung der US-Nationalgarde in die amerikanische Hauptstadt Washington durch Donald Trump mit dem groß betrommelten Gipfeltreffen zwischen Trump und dem russischen Diktator Putin zusammenfällt. Denn Trump hat in den letzten Tagen zunehmend gespürt, dass aus diesem Treffen vor allem langfristig nicht das herauskommen kann, was er dem Großteil der US-Amerikaner als gute Lösung verkaufen kann. Denn alle Umfragen zeigen, dass die große Mehrheit der Amerikaner emotional an der Seite der Ukraine steht, und das erst recht, seit die Ukraine mit Israel zu kooperieren begonnen hat (mit nachträglicher Ergänzung).
Deshalb wird viel rascher als damals klar werden, dass Trump im Umgang mit Putin nicht das von den Amerikanern Erhoffte zustandebringen kann, während die Nutzlosigkeit seiner Freundschaft – die manche sogar ironisch als Liebesaffäre bezeichnet haben – mit dem übergewichtigen nordkoreanischen Diktator Kim erst lange nachher eindeutig geworden sind.
Da tut eine schon vor dem Treffen eingeleitete Ablenkungsstrategie sehr gut. Vor allem, wenn diese bei den Amerikanern auf fast noch mehr Zustimmung stößt als sein Krieg gegen die linken Universitäten samt ihren antisemitischen und "LGBTIQ+"-Umtrieben. Damit hat Trump gleich den nächsten Joker in der Hand, falls sein Superjoker "Ich verdiene den Friedensnobelpreis, weil ich der Ukraine Frieden und Freiheit gebracht habe" nicht sticht, sondern sich als peinliche Fälschung erweist.
Der Kampf gegen Washington DC hingegen sticht samt der neuerlichen Entsendung der Nationalgarde in der öffentlichen Meinung sicher. Das tut er allein schon aus rechtlichen Gründen, denn die Stadt untersteht dem Präsidenten ohne Zwischenschaltung eines Bundesstaats-Gouverneurs viel direkter als der Rest der USA, während vor einigen Wochen die Entsendung der Nationalgarde durch Trump ins ebenfalls linksdemokratisch regierte Kalifornien nicht gerade problemfrei und rechtlich sauber abgelaufen war.
Vor allem aber sind die Zustände in Washington tatsächlich katastrophal. So gab es dort allein seit Jahresbeginn 2025 mehr als 100 Tötungsdelikte. Zum Vergleich: In Österreich gab es im ganzen Jahr 2024 "nur" 76 Mordopfer. Österreich hat aber mehr als 13 Mal so viele Einwohner wie die amerikanische Hauptstadt mit ihren 700.000 Menschen.
Trotz seiner Kleinheit starben in Washington im Vorjahr mehr Menschen an der Droge Fentanyl als in jedem US-Bundesstaat (mit Ausnahme von West-Virginia). Diese Droge und ihre verheerenden Folgen waren schon im Mittepunkt des Trumpschen Zollkrieges gegen Kanada und Mexiko gestanden, denen er vorgeworfen hatte, den Schmuggel der Droge in die USA zu ermöglichen.
Besonders schlimm ist in Washington auch das Obdachlosen-Problem, wo viele Menschen aus anderen Städten hinziehen und auf offener Straße kampieren. Ihre Zahl beträgt über 5000.
Ein weiterer besonders problematischer Aspekt, den aber keine Partei und kein Journalist aus Political Correctness anspricht: 45 Prozent der Bewohner der Stadt sind Schwarze, während US-weit deren Anteil nur 14 Prozent ausmacht. Viele Schwarze sind in den letzten Generationen nicht zuletzt wegen der Rassenspannungen in den amerikanischen Südstaaten in die Bundeshauptstadt gezogen, die gleichsam als Symbol der Befreiung aus der Sklaverei steht. In dieser Stadt gibt es aber keine landwirtschaftlichen oder industriellen Arbeitsplätze für sie.
Die von den Demokraten kontrollierte Stadtverwaltung versuchte den Vorwürfen Trumps mit einer Statistik zu kontern, derzufolge die Zahl der Gewaltverbrechen deutlich zurückgegangen sei. Tatsächlich zeigt diese Statistik für frühere Jahre noch viel schlimmere Werte.
Dieses Argument hat aber einen noch viel ärgeren Skandal offengelegt. Denn der örtliche Chef der Polizeigewerkschaft, Greggory Pemberton, hat daraufhin enthüllt, dass die – ja der Stadt unterstehenden Polizisten – den Auftrag bekommen haben, Straftaten bei der Aufnahme von Anzeigen massiv hinunterzustufen. Eine Schießerei und deren Opfer wurden dann etwa als "Einlieferung einer verletzten Person ins Krankenhaus" klassifiziert. Pemberton stimmt Trump völlig zu, dass die Kriminalität in Washington DC völlig außer Kontrolle geraten sei. Zugleich ist die Zahl der Polizisten in der Stadt aber um 20 Prozent zurückgegangen.
Aus all diesen Gründen ist Trumps Kampagne gegen Washington in den USA überaus populär. Und er forciert das Thema "Law and Order" eben umso mehr, als er auf den anderen beiden Politikfeldern, der Wirtschaft und der Außenpolitik, in großen Problemen steckt. Vor allem aber: Die Ukraine ist ferne, das Steigen der Preise ist nahe und nicht mehr verhinderbar – aber Washington DC ist ebenfalls nahe und da kann Trump etliches machen.
Und vor allem: Nächstes Jahr wird der Großteil des US-Kongresses neu gewählt. Das ist in Wahrheit für Trump wichtiger als alles andere.
Nachträgliche Ergänzung: Das Gipfeltreffen in Alaska erbrachte – fast kann man sagen: wie erwartet – außer freundlichen Tönen über die Freundschaft zwischen Trump und Wladimir Putin und außer dem vagen Konsens, wäre Trump Präsident gewesen, wäre der Krieg nicht ausgebrochen, keine konkreten Ergebnisse. Das ist nur oberflächlich beruhigend. Denn jetzt ist kaum zu erwarten, dass Trump das unterstützt, was eigentlich notwendig wäre: den Druck auf Russland zu erhöhen, sei es durch Waffenlieferungen an die Ukraine, sei es durch sogenannte Sekundärzölle, die gegen jene Staaten gerichtet sind, die entgegen den internationalen Sanktionenbeschluss Öl aus Russland beziehen. Gewiss sollte man mit der endgültigen Bewertung noch einige Tage vwarten, bis über die versprochenen Informationen durch Trump an die europäischen Verbündeten und Kiew noch Details bekannt werden, aber alles deutet damit auf einen taktischen Punktesieg für Putin hin, dem es gelungen ist, Trump in einen Kokon aus netten Worten einzuhüllen.
Positiv ist lediglich, dass Putin die russischen Sicherheitswünsche in Hinblick auf die Ukraine betont hat, jedoch von keinen anderen Kriegszielen, wie etwa, dass die angebliche Nazi-Herrschaft in Kiew beendet werden müsse. Ginge es aber wirklich nur um die Sicherheit Russlands und nicht um brutale Eroberungen, dann wäre die – im Tagebuch mehrfach angesprochen – Lösung nach dem Muster der österreichischen Neutralität 1955 am logischsten, die ja mit einem russischen Abzug verbunden war. Aber nichts, was in Alaska bekannt geworden ist, deutet darauf hin, dass Putin an einen Rückzug denkt. Das tut einzig die auffallende Tatsache, dass die Ukraine nach Tagen des russischen Vorrückens jetzt die Rückeroberung von sechs Dörfern gemeldet hat.