
Wien spart anders
Das Jubelgeschrei des Wiener Bürgermeisters über das ORF-Geschenk, den nächsten Eurovisions-Song-Contest (ESC) ausrichten zu dürfen, tut in den Ohren weh. Vor allem, weil es zeigt, was dieser Herr und seine Getreuen unter Sparen verstehen.
Ein Minus von satten 3,8 Milliarden Euro droht der Stadtkasse heuer.
Also würde man annehmen, dass keine unnötigen Ausgaben getroffen werden – denn die eine Milliarde, die die Mindestsicherung in Wien ausmacht, wird nicht schrumpfen. Im Gegenteil. Da gibt es genügend Flüchtlingsfamilien, die immer größer und daher immer teurer werden. Mit 11 Kindern kommt man auf satte 9500 Euro im Monat. Mit nur fünf Kindern gelingt einer anderen Mindestsicherungsfamilie aus Afghanistan das Kunststück, nach Abzug aller Ausgaben für Wohnung, Lebensmittel und sonstige Notwendigkeiten noch über schlichte 2600 Euro im Monat zu verfügen. Wenn das die Stadt nicht attraktiv macht …
Aber da wird nicht einmal über eine Reform nachgedacht, die die leeren Stadtkassen eigentlich diktieren. Wien spart anders.
Eingespart, so erfährt man vom Gesundheitsstadtrat Hacker, der ja auch für die soziale Großzügigkeit gegenüber arbeitslosen Zuwandererfamilien zuständig ist, wird der notwendige Ausbau der Kliniken Ottakring und Hietzing und die Modernisierung der altersschwachen Rudolfstiftung. Na, wenn das keine Treffsicherheit beim Sparen ist!
Wer in Wien keine private Krankenversicherung hat, muss auf eine Hüftoperation mittlerweile schon bis zu einem Jahr warten, auch für ein Knie heißt es geduldig sein. Und Arzttermine gibt es ohnehin nur mehr bei Wahlärzten. Und an all dem, so meint Herr Hacker, ist ja eh nur die Regierung – natürlich mit Ausnahme der sozialdemokratischen Minister – Schuld. Und er spart ohnehin beim Spitalsausbau. Da geht es ja um viel Geld.
Dafür sitzt bei "kleinen Summen" das Steuergeld locker in der Tasche des Bürgermeisters.
- Da werden an der Alten Donau Schrebergärtnern die Verträge nicht mehr verlängert, weil Herr André Heller einen Skulpturen-Garten kuratieren will. Die Bank Austria übernimmt angeblich ohnehin die Kosten. Aber die Stadt hat allein für die Parkgestaltung 20 Millionen hingeblättert.
- Und jetzt freut sich der Herr Bürgermeister Ludwig, dass er für wohlfeile 22,6 Millionen den Song-Contest ausrichten darf, den sogar der Gewinner des diesjährigen als "Schaas" bezeichnet. (Dass es ohnehin viel teurer wird, weiß jeder gelernte Wiener.)
Würde Ludwig einmal zu Fuß durch die City gehen, dann würde ihm eines auffallen: Ja, es wälzen sich Touristenströme durch die Innenstadt-Straßen – immer auf der Suche nach einem der vielen Billigsdorfer-Souvenir-Läden, einer Bierausschank oder einem Essens-Stand (sogar der einst vornehme Demel betreibt einen Kaiserschmarrn-Stand am Stephansplatz!) - davor gibt es im Zentrum mehr als genug. Heimische Traditionsgeschäfte verschwinden hingegen. Sie geben unter dem Druck der hohen Mieten, der Personalkosten und des immer noch im Krisenmodus verharrenden Konsumverhaltens auf – denn die kaufkräftigen Touristen, die früher für das Florieren der Innenstadtgeschäfte sorgten, bleiben aus.
Und wenn jetzt im Rathaus bereits über "die erste Buchung" für den ESC gejubelt wird, dann empfinden das Tourismus-Experten viel weniger als Anlass zur Freude. Sogar, wenn im nächsten Mai die Schlagerfreunde aus allen europäischen Ländern anreisen – dann ist das nicht das Segment, das der heimischen Wirtschaft auf die Beine hilft. Im Gegenteil, in der Zeit rund um den 16. Mai werden viele potenzielle Besucher die Stadt wegen des ESC meiden.
Zum Beispiel jene, die Kultur suchen und nicht wie ORF-Generaldirektor Weissmann und der Wiener Bürgermeister glauben, dass der ESC etwas mit Kultur zu tun hätte. Auch wenn die beiden Herren den unnötigen Wettbewerb zu allem Überdruss auch noch mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker vergleichen.
20 Millionen hier, 20 Millionen da: Ist ja nicht der Rede wert. Da spart man in Wien lieber bei den großen Brocken – etwa bei den Spitälern.