
Zwei Treffen - zwei Welten
In China tagen die Diktatoren Russlands, Chinas, des Iran und der indische Präsident, in Kopenhagen die EU-Außenminister: Zwei zeitgleiche Treffen, die verdeutlichen, wie es um die Gewichte in der Welt steht. Die Europäer können nur zuschauen und hinnehmen, was die Autokraten über Krieg und Frieden entscheiden.
Seit Donald Trump dem Schlächter Wladimir Putin den roten Teppich in Alaska ausgebreitet und von Putins Verhandlungswilligkeit gefaselt hat, bereiten sich die europäischen Staaten auf Friedenssicherung in der Ukraine vor – auf eine Aufgabe, die sich in näherer Zukunft freilich gar nicht stellt.
Denn Putin denkt nicht im Entferntesten daran, seinen Eroberungskrieg zu beenden, bevor er nicht die gesamte Ukraine sein Eigen nennen kann. Er ist derjenige, der das Handeln diktiert. Wenn er nicht will, gibt es keinen Frieden. Und er will nicht. Im Gegenteil, er verstärkt die Bombardements und startet eine neue Offensive. Das macht alle hilflosen Anstrengungen Europas zu Wunschdenken.
Auch mit neuen Sanktionen, die die Außenminister der EU bei ihrem Treffen in Kopenhagen erwägen, wird man ihn nicht in die Knie zwingen. Denn die demokratischen Europäer unterschätzen die Menschenverachtung, mit der der russische Diktator auch sein eigenes Volk behandelt. Wenn der deutsche Außenminister Wadephul meint, dass Putin schon unter "Inflationsdruck" stünde, dann misst er mit europäischen Maßstäben. Die russische Bevölkerung wird sich auch wegen unbezahlbarer Preise und leerer Regale nicht auflehnen.
Nicht weil sie so leidensfähig wäre, sondern weil die Mehrheit die ständig auf sie einprasselnde Propaganda glaubt (wonach an allem – am Krieg, der nicht so heißt, an hohen Preisen und fehlenden Produkten – nur der böse Westen schuld ist, der Russland bekriegt).
Auch die vielen Gefallenen und Verletzten nehmen die Russen stoisch in Kauf.
Allerdings hat sich der Preis, den Putin für ein Menschenleben bezahlt, seit der Besetzung der Krim und der Infiltration des Donbass vor elf Jahren deutlich erhöht. In den Anfängen bekamen die Hinterbliebenen der Gefallenen nur ein Auto als Kompensation. Heute zahlt der Staat den jungen Männern
- bei der Unterschrift auf ihrer Dienst-Verpflichtung 20.000 Euro
- dann ein Monatsgehalt von 2.000 Euro
- und für ihren Tod erhält die Familie eine Prämie von mindestens 30.000 Euro.
In dem Land, wo das Durchschnittseinkommen bei 710 Euro liegt, rechnet sich der "Heldentod".
Und auch wirtschaftlich sitzt Putin am längeren Ast – denn sein Öl und sein Gas nehmen ihm jetzt seine Autokraten-Freunde ab, mit denen er sich gerade in China trifft. Die 2001 gegründete Shanghai Cooperation Organisation (SCO) ist die Allianz der Russland-Partner, die ihm die Finanzierung seines Krieges ermöglichen und auch mit westlichen Sanktionen belegte Waren und Waffen liefern: China, Indien und Iran. Die Zollpolitik des Donald Trump hat die SCO-Partner nur noch stärker zusammengeschweißt – und Putin ist dabei der lachende Dritte. Wobei Trump mit den 50 Prozent Zöllen für Indien wieder einmal sehr deutlich gezeigt hat, dass ihn das Ukraine-Problem – außer für seinen Traum vom Friedensnobelpreis – überhaupt nicht interessiert: Hätte er sich mit Narendra Modi verständigt, hätte er ihn aus der Phalanx der Putin-Unterstützer herausbrechen können.
Und so bietet dieses Wochenende einen Vorgeschmack auf eine neue Weltordnung, in der die Gewichte äußerst ungleich und zu Ungunsten Europas verteilt sein werden. Die USA betreiben Isolationspolitik und lassen ihre bisherigen Verbündeten allein. Die Europäer sind in dieser Welt unbedeutend – wie es der frühere EZB-Präsident Mario Draghi kürzlich formulierte, ist die EU nur "eine Zuschauerin, die sich von der Illusion verabschieden muss, mächtig zu sein".
Den Ton geben die Diktatoren Asiens an.
Angesichts dieser Machtverteilung sollten die Europäer weniger über Friedenssicherung und mehr über rechtzeitige Verteidigungsmaßnahmen nachdenken – was bisher nur Polen, Finnland und die baltischen Staaten ernsthaft tun. Auch für Österreich wird die Lösung der Neutralitätsfrage immer stärker zu einer existentiellen Voraussetzung für unsere zukünftige Sicherheit. Da mag Putins Kettenhund Medwedew noch so scharf gegen einen angeblich geplanten NATO-Beitritt Österreichs wettern: Die Neutralität wird uns nicht vor den russischen Drohnen schützen.
P.S. Was in der Berichterstattung über den Medwedew-Ausritt untergegangen ist: Er lobt namentlich die FPÖ, die in seinen Augen 37 Prozent der Stimmen bekommen hätte, weil sie sich gegen die militärischen Ambitionen Brüssels und des österreichischen "Establishments" ausgesprochen habe. Medwedews Fazit: Im heutigen Europa zähle eben der Wille der Bürger nichts.