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Sarkozy, Le Pen, die AfD, die CDU, die ÖVP und die FPÖ

Sarkozy, Le Pen, die AfD, die CDU, die ÖVP und die FPÖ

Es ist eine historische Wende, deren Bedeutung in Österreich, aber auch Deutschland noch gar nicht begriffen worden ist: Der französische Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat den Bann über die Partei "Rassemblement National" von Marine Le Pen beendet. Das ist nicht nur für Frankreich ein Schlüsselsignal. Denn die bisherige französische Politik hatte gegen dieses RN eine ebenso hohe Brandmauer errichtet wie etwa die deutsche gegen die AfD. Und in Hinblick auf Österreich spielte Frankreich im Jahr 2000 sogar eine Schlüsselrolle bei der Inszenierung der antiösterreichischen Sanktionen wegen der Bildung der schwarz-blauen Regierung Wolfgang Schüssel.

Es war damals der Gaullist Jacques Chirac, welcher der ansonsten nur von den – im Jahr 2000 noch dominierenden – europäischen Sozialisten geführten antiösterreichischen Kampagne eine bürgerliche Unterstützung gegeben hat. Chiracs politisches Hauptziel war es, das Aufkommen der Le-Pen-Partei zu verhindern, damit die Gaullisten keine Konkurrenz bekämen. Deswegen verteufelte er nicht nur die französischen Rechtspopulisten, sondern auch andere ähnlich eingeordnete Parteien in Europa – aber eben (im Zusammenspiel mit dem österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil) auch die ÖVP, weil sie mit der FPÖ eine Koalition eingegangen war.

Sarkozy hat nun dieser Tradition ein klares Ende gesetzt. "Das RN ist eine Partei, die das Recht hat, an den Wahlen teilzunehmen. Sie kann diese auch gewinnen, wenn das die Entscheidung der Franzosen ist. Meiner Meinung nach sind sie Teil des republikanischen Bogens." Wegen angeblicher Nichtzugehörigkeit zu diesem imaginären Bogen war die Nationale Sammelpartei bisher durch die anderen Parteien immer von einer Regierungsteilnahme ausgeschlossen worden.

Sarkozy ist im bürgerlichen Lager noch immer sehr populär. Er war nicht nur dessen letzter Präsident und als solcher sehr erfolgreich. Er hatte auch die lange zerstritten gewesenen Gaullisten, Christdemokraten und liberalkonservativen Gruppen als "Republikaner" zusammengeführt.

Seine aufsehenerregende Positionierung ist aber auch brandaktuell: Stehen in Frankreich doch vorgezogene Neuwahlen vor der Tür. Denn die vom linksliberalen Präsidenten Macron eingesetzte Minderheitsregierung einer Präsidenten-Mitte bräuchte für ihr – an sich dringend notwendiges – Sparbudget die Unterstützung entweder des RN oder der Linken. Beides scheint aber außer Reichweite zu sein, auch wenn die Verschuldung Frankreichs mit 114 Prozent des Wirtschaftsprodukts nach Griechenland und Italien die dritthöchste in der EU ist. Macron und sein Premier Bayrou dürften in der Minderheit bleiben, worauf vorzeitige Neuwahlen unvermeidlich sein dürften.

Bei diesen Wahlen dürfte die Le-Pen-Partei einen weiteren Zuwachs erzielen. Bei Umfragen liegt sie mit einem Zuwachs von 3 bis 5 Prozentpunkten seit den letzten Wahlen zwischen 32 und 34 Prozent.

Daran konnten auch lächerliche Strafverfahren gegen Marine Le Pen nichts ändern. Die politisierte französische Justiz hat sie – ganz im Stil der österreichischen WKStA – mit einem Verbot belegt, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Sie soll als EU-Abgeordnete ihre parlamentarischen Mitarbeiter auch für Tätigkeiten zugunsten ihrer eigenen Partei außerhalb der EU eingesetzt haben (auch gegen Sarkozy ist die linke Justiz des Landes wegen Entgegennahme einer Spende vorgegangen). Deshalb wird wahrscheinlich ihr politischer Ziehsohn, der 29-jährige Jordan Bardella, formal der Spitzenkandidat des RN sein.

Der Vorstoß von Sarkozy ist keine Einzelaktion. Auch schon vor ihm sind bei den Republikanern die Zeichen der Unterstützung für das RN immer häufiger geworden. Aber er ist zweifellos der Wichtigste bei dieser Öffnung zum RN.

Das hängt umgekehrt auch ganz eng mit der Melonisierung des RN zusammen. Dieses hat Stück für Stück alle radikalen Elemente abgelegt und sich damit für die bürgerliche Mitte wählbar gemacht. So hat sich das RN nach einer positiven Bemerkung eines AfD-Abgeordneten über die SS von der einstigen deutschen Schwesterpartei distanziert (und damit auch die bei einem Teil der Franzosen noch existenten antideutschen Ressentiments aktiviert).

Gleichzeitig spielt dem RN die recht verzweifelte Wirtschaftslage in die Hände. Frankreich kann diesmal auch nicht mehr auf eine Unterstützung durch das heute ja ebenfalls angeschlagene Deutschland rechnen, wie es einst die Zustimmung Helmut Kohls zur Aufgabe der D-Mark zugunsten des Euro gewesen ist (im Gegenzug für Frankreichs Zustimmung zur Wiedervereinigung). Das hat dann Frankreich 20 Jahre geholfen, wieder kreditwürdig zu werden. Durch die nunmehrige schlechte Wirtschaftslage und die geringe Popularität von Reformen sind die zuletzt regierenden Macronisten, aber auch ihre sozialistischen Vorgänger heute schwer diskreditiert (auch wenn das RN keine seriösen wirtschaftspolitischen Alternativen anzubieten hat).

Mit Melonisierung wird in Frankreich wörtlich die Imitierung der erfolgreichen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni gemeint. Meloni ist nicht nur ein Bündnis mit zwei anderen Rechtsparteien eingegangen (das einst vor allem von Silvio Berlusconi initiiert worden ist). Sie kommt auch aus jener Partei, die einst die am weitesten rechts stehende Partei Italiens gewesen ist und die in der direkten Nachfolge der Faschisten von Benito Mussolini steht. Meloni hat aber dann als Regierungschefin die Partei so weit in die Mitte geführt, dass ihre Partei heute in klarer geistiger Nachfolge der einst Italien so lange dominierenden Christdemokraten steht: Sie ist proamerikanisch, proukrainisch, antirussisch, prokatholisch, gesellschaftspolitisch konservativ und marktwirtschaftlich. Sie ist vor allem auch erfolgreich. Sie liegt bei allen Umfragen deutlich über den Zahlen ihres Wahlsieges.

Die Vorgänge in Frankreich und Italien zeigen klar:

  • Einerseits hat das bürgerliche Lager nur dann eine gute Zukunftschance, wenn es sich nicht hinter Brandmauern gegen die Rechte treiben lässt und dadurch keine andere Alternative hat, als Koalitionen mit der Linken einzugehen. CDU wie ÖVP stehen wegen solcher Koalitionen heute bei allen Umfragen deutlich schlechter als am Wahltag da. Denn für viele bürgerliche Wähler ist es am wichtigsten, gegen die Linke und ihre gesellschafts- wie wirtschaftspolitischen Positionen zu stimmen – auch wenn Teile der Linken abgesehen von ihrem neuen Antisemitismus außenpolitisch einen deutlichen Kurswechsel zur Mitte gemacht haben. Jedenfalls haben sich die französischen Republikaner seit ihren Signalen Richtung RN bei den Umfragen massiv verbessert.
  • Andererseits haben Parteien am rechten Rand wie das RN eben nur dann eine gute Chance, in die Regierung zu kommen, wenn sie sich inhaltlich zu einer verlässlichen Kraft der rechten Mitte entwickeln. Das begreift in Deutschland wie Österreich auch jeweils ein Teil von AfD und FPÖ, aber vorerst eben nur ein Teil. Zu diesem Teil zählen etliche starke Bundesländer-Organisationen, vor allem jene in Oberösterreich, Salzburg und Steiermark, wo sich Landeshauptmann Mario Kunasek erstaunlich staatstragend inszeniert. Bundesparteichef Herbert Kickl sowie die Männer und Frauen rund um ihn setzen hingegen ganz auf einen radikalen Kurs. In Deutschland ist es übrigens umgekehrt: Da sind die radikalen Schreihälse in den Bundesländern, vor allem jenen im Osten, zu finden, während die Parteispitze mit Alice Weidel und Tino Chrupalla einen recht moderaten Kurs fährt ...