Das DÖW und der „rechtsextreme“ Karolinger Verlag
Anfang dieses Jahres wies das Wiener Handelsgericht eine Unterlassungsklage des linkslastigen "Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW)" gegen die FPÖ mit der Begründung ab, als politischer Akteur müsse es sich Kritik gefallen lassen. Es ist seither erlaubt, das DÖW als "pseudowissenschaftliche Institution" zu bezeichnen, ohne Klagen fürchten zu müssen. Die Kritik ist aber auch sachlich richtig. Die Tätigkeit des DÖW ist, gelinde gesagt, verzichtbar.
Bekanntlich legt das Innenministerium dem Nationalrat jedes Jahr einen Verfassungsschutzbericht vor. Der bisher letzte dieser Art verzeichnete einen Anstieg rechtsextremer Tathandlungen um 23 Prozent, von denen 70 Prozent so schwere Verbrechen wie Hakenkreuz-Schmierereien und Neonazi-Postings im Internet betrafen. Im "Kampf gegen rechts" begnügen sich die Linken jedoch nicht mit der Registrierung von Straftaten, es geht ihnen um die Kriminalisierung von Gesinnungen. Im schwarz-grünen Koalitionspakt 2020 setzten die Grünen ohne nennenswerten Widerstand der ÖVP einen jährlichen "wissenschaftlichen" Bericht des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) durch.
Der erste diesbezüglichen Auftrag des Innenministeriums erging an das DÖW im August 2023 vom Innenministerium, im April bekam das Parlament den ersten Bericht über "Rechtsextremismus in Österreich" in den Jahren 2020-2023. Er enthält in wilder Mischung so gut wie alles, was den linksgrünen Einheitsbrei versalzt, von Neonazis, alten und neuen Rechten, Burschenschaften und deutschnationalen Vereinen bis hin zu "Rechtskatholiken", die als "demokratiegefährdend" eingestuft werden, weil sie eine "vermeintliche ‚Islamisierung‘" sowie "Homo- und Transsexuellenrechte" ablehnen und "für heteronormative Familienverhältnisse, traditionelle Geschlechterrollen und eine rigide Sexualmoral" eintreten. Rechtsextreme Tendenzen spürten die "Wissenschaftler" bei dem urösterreichischen katholischen Monarchisten Ronald Schwarzer ebenso wie bei der Publizistin Caroline Sommerfeld auf, die sich traut, "den ‚Deutschen‘ … nicht nur ein ‚Wesen‘, sondern auch eine ‚Volksseele‘ und einen ‚Volkscharakter" zu attestieren.
Hier ein ausführlicheres Beispiel dafür, mit welchen Methoden diese "Wissenschaftler" arbeiten. Über einen der interessantesten österreichischen Verlage steht im DÖW-Bericht:
"Der Wiener Karolinger Verlag von Peter Weiß (aB! Libertas Wien, Vater von Eckart-Schriftleiter Konrad Markward Weiß) ist auf demokratieskeptische rechtskonservative bis – auch in eigener Anschauung – reaktionäre Literatur, nicht zuletzt aus dem romanischen Raum, spezialisiert. Eine Buchreihe nennt sich "Bibliothek der Reaction" und versammelt zentrale Werke der antidemokratischen Gegenaufklärung, etwa von Donoso Cortés, Klemens Wenzel von Metternich und Joseph de Maistre. Aus dem 20. Jahrhundert führt man u. a. den späten (revisionistischen) Ernst Nolte, den Apologeten des italienischen Faschismus Ezra Pound sowie "konservative Revolutionäre" und Referenzen der "neuen Rechten" wie Ernst Jünger, Carl Schmitt oder Armin Mohler im Programm. Vervollständigt wird das erratisch kuratierte Verlagsrepertoire durch Militaria, Aphorismen-Sammlungen, Reiseliteratur, historische und literarische Titel. Auffällig ist dabei der selbst für einen rechten Verlag extreme Gender Gap unter den Autor*innen: unter deren 126 listet die Verlagswebsite acht Frauen."
Der "Verlag von Peter Weiß"? Ja, aber nicht nur. Mitbegründer und geschäftsführender Gesellschafter des Karolinger Verlags ist Jean-Jacques Langendorf, der in Frankreich geboren wurde, weil sein Vater Deutschland 1933 aus politischen Gründen verlassen musste.
Aber schauen wir uns das Verlagsprogramm etwas näher an. Wenn man unter "erratisch" versteht, dass der Karolinger Verlag seine Autoren nach Qualität statt nach den politischen Kriterien des linken Mainstreams aussucht, liegt das DÖW nicht falsch. Tatsächlich befinden sich unter ihnen Rechte und Linke, unter den im Katalog "wissenschaftlich" abgezählten acht Frauen zum Beispiel die französische Philosophin Simone Weil, die für die Republik in den Spanischen Bürgerkrieg zog und während der deutschen Besetzung Frankreichs für die Resistance tätig war. Peter Weiß veröffentlichte ihr Buch "Die Person und das Heilige. Über Occitanien. Gespräch mit Trotzki". Maria Razumovsky, die als "Mischling zweiten Grades" während der nationalsozialistischen Ära nicht studieren durfte, schrieb für den Verlag eine Biographie der russischen Lyrikerin Marina Zwetajewa (sehr verdächtig! Zwetajewa wurde in der glorreichen Sowjetunion verfolgt).
Nicht weniger problematisch sind die Autoren auf der anderen Seite des extremen Gender-Gaps. Da ist Stephen Spender, der wie Simone Weil am Spanischen Bürgerkrieg teilnahm und zeitweise Mitglied der kommunistischen Partei war. Spender drückte seine "Empörung über die Verfolgung der österreichischen Sozialdemokraten durch Dollfuß, Fey und Starhemberg" in dem langen Gedicht "Wien" aus. Und wo findet man das? Nur beim Karolinger Verlag, wo übrigens auch Leo Koflers Aufsätze zu "Nation-Klasse-Kultur" erschienen sind. Der Marxist Kofler studierte bei Max Adler und Georg Lukács, habilitierte sich in Halle/Saale mit einer Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft und flüchtete 1950 aus der DDR. Ein anderer verdächtiger Autor ist Wilfried Daim, der sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus einer katholischen Jugendgruppe anschloss, im Krieg schwer verletzt wurde und 1969 mit Günter Nenning das Volksbegehren für die Auflösung des Bundesheeres initiierte. Daim war übrigens Mitglied des DÖW, als sich dieses noch mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und des Widerstands beschäftigte. Er war ein leidenschaftlicher Kunstsammler, im Karolinger Verlag erschien seine Monographie über den Maler Franz Propst unter dem Titel "Eine Kunst, die ans Ende will".
Für den Karolinger Verlag haben Peter Weiß und sein Sohn zum ersten Mal sämtliche "Cahiers" des rumänisch-französischen Philosophen E.M. Cioran ins Deutsche übersetzt, ein Mammutwerk von mehr als tausend Seiten ("Notizen 1957–1972"). Das aphoristische Gesamtwerk des Kolumbianers Nicolás Gómez Dávila brachte Peter Weiß als erster nach Europa, lange bevor ihn italienische, französische und deutsche Verlage entdeckten (insgesamt vier Bände, ein echter Genuss!). Gómez Dávila sei der "einzige zeitgenössische Denker, der tatsächlich noch existierende Tabus angreift", schrieb damals "Die Zeit". Und Gabriel García Marquez bekannte: "Wäre ich nicht Kommunist, ich dächte ganz wie Gómez Dávila." Von Fernando Pessoa, einem der unumstritten bedeutendsten Autoren der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts, gibt es bei Karolinger "Politische und soziologische Schriften".
Ja, den Amerikaner Ezra Pound, den "Apologeten des italienischen Faschismus" findet man beim Karolinger Verlag, wie übrigens auch bei Suhrkamp. Wenn die DÖW-"Wissenschaftler" gegoogelt hätten, wüssten sie, dass Pound "einer der herausragenden Vertreter der literarischen Moderne" (Wikipedia) ist. Über den Band "Maschinenkunst und andere Schriften" schrieb die Neue Zürcher Zeitung: "Die hier vorgelegten Aufzeichnungen Pounds aus den zwanziger bis vierziger Jahren (...) sind für ein besseres Begreifen seiner oft kryptisch-hermetischen ,Cantos‘ unerlässlich."
Bücher von Ernst Jünger, Carl Schmitt und Ernst Nolte gibt es bei Karolinger wie bei zahlreichen großen Verlagen, man darf also vermuten, dass sie nicht nur von der "neuen Rechten" geschätzt werden, sondern auch von anderen literarisch und historisch einigermaßen gebildeten Leser, die es unter den DÖW-"Wissenschaftlern" nicht zu geben scheint. Als "revisionistisch" gilt Nolte natürlich, weil er sich dem linksliberalen Deutungsmonopol der Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus widersetzte.
Zu den Stärken des Verlags gehört gerade, dass er auch solche Texte wichtiger Autoren bringt, die der Mainstream ignoriert, und dass er immer wieder mit Entdeckungen aufwartet, denen andere hinterherrennen. Ein gutes Beispiel dafür ist Martin Mosebachs "Häresie der Formlosigkeit", eine luzide Abrechnung mit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils, die meiner Ansicht nach jeder Katholik gelesen haben sollte.
Das karolingische Schmuckstück ist die "Bibliothek der Reaction", die – hier wenigstens hat das "DÖW" recht – "zentrale Werke der antidemokratischen Gegenaufklärung" enthält. Worum geht es? Der Verlag erklärt das: "Die Französische Revolution ist die Mutter vieler Dinge, und sie wirkt noch heute fort. Ebenso früh erhoben sich die Geister der Gegenrevolution, in Frankreich und anderswo – zuerst im frühen 19. Jahrhundert gegen das Jakobinertum, später gegen den rationalistischen Kapitalismus, gegen Republikaner, Sozialismus und Laizismus. Die Autoren der Konterrevolution haben noch keine angemessene Beachtung gefunden; für ein Gesamtbild und eine ausgewogene Forschung ist es jedoch entscheidend, ihre großen Texte verfügbar zu machen." Aber klar, Forschungen über Donoso Cortés, Klemens Wenzel von Metternich und Joseph de Maistre sind für Linke sowieso Teufelszeug.
Die Übermittlung des Rechtsextremismus-Berichts an das Parlament verleiht dem DÖW ein besonderes Gewicht. Wer ins rechtsextreme Eck gestellt wird, hat nicht nur in Österreich erhebliche Nachteile zu befürchten. Buchhandlungen und Bibliotheken scheuen sich, Bücher eines als "rechtsextrem" abgestempelten Verlags zu kaufen, aus demselben Grund lehnen Zeitungen und Rundfunkanstalten in Österreich und in Deutschland Rezensionen seiner Bücher ab. Der Schaden, der Weiß und Langendorf dadurch entstehen, ist enorm.
Als das nationalsozialistische Kapitel der österreichischen Geschichte verdrängt und der Widerstand bagatellisiert wurde, leistete das DÖW einen maßgeblichen Beitrag zur Aufklärung. Es wurde 1963 von ehemaligen Widerstandskämpfern und engagierten Historikern gegründet, unter anderen von Ludwig Jedlicka, dem Gründer des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien. Seit den 1980er Jahren geriet das DÖW immer mehr in linkes Fahrwasser, mittlerweile ist es fest im Griff von linksgrünen Seilschaften, die es als Think Tank des Kampfes gegen rechts betreiben.
Wenigstens eine gute Nachricht gibt es: Seit der Einstufung des DÖW als politischer Verein darf das DÖW keine gewerblichen Aktivitäten mehr ausüben, es musste seinen Buchladen und den Online-Verkauf seiner Publikationen schließen und kann für Vorträge seiner Mitarbeiter keine Gebühren mehr erheben. Die daraus erwachsenden Verluste könnten bis 100.000 Euro betragen. Die jährliche Förderung beläuft sich allerdings auf rund 1,4 Millionen Euro, die aus etwa drei Dritteln aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Die "Wissenschaftler" brauchen sich um ihren Job keine Sorgen zu machen.
Karl-Peter Schwarz ist Autor und Journalist; er war früher bei "Presse", ORF und FAZ tätig.
