
Der einzige Weg, wie Österreich zu mehr Ärzten kommt
Es ist absolut faszinierend, wie die Linke immer wieder lange einbetonierte ideologische Positionen in Konfrontation mit der Realität räumen muss, wie ihre Schlaraffenland-Wunschträume regelmäßig platzen – nur halt leider immer um Jahre, um Jahrzehnte zu spät. Denn der angerichtete Schaden war jedes Mal schon in der Welt. Siehe die "Welcome Refugees"-Katastrophe, siehe die unendlichen Verschuldungs- und Besteuerungs-Wünsche von Rot und Grün, siehe ihre Begeisterung (oder "klammheimliche Sympathie") für Terroristen, Diktatoren und Mörder von Chavez bis Guevara, von Castro bis zur Baader-Meinhof-Bande, siehe ihren Kampf gegen die Institution Familie und für Schwule und Transideologen. Aber immerhin: Nun findet die Einkehr der Erkenntnis offenbar bei einem weiteren Heiligtum aus dem sozialistischen Tabernakel statt: beim österreichischen Gratisstudium.
Plötzlich fordert Holzleitner einen "Solidarbeitrag" der Medizinstudenten. Plötzlich ertönte es aus dem Munde Bablers: "Wir ermöglichen das Studium und finanzieren es." Das ist bisher von den Genossen auf ihrer Linie der Gratis-Wohlfahrt von der Wiege bis zur Bahre total verdrängt worden. Jetzt spricht Babler davon, dass der Staat einen Teil dieser Ausgaben für das Studium durch die Arbeit für das – bekanntlich dramatisch aus den Fugen geratende – öffentliche Gesundheitssystem zurückhaben will. Das genaue Wie, Was, Wer wird freilich nicht gesagt, auch nicht die vorgeschlagene rechtliche Konstruktion (über solche Dinge haben sich Ideologen noch nie den Kopf zerbrochen).
Aber man kann es drehen, wie man will: Damit wird von der Partei erstmals das österreichische Gratisstudium in zumindest einem Bereich als unhaltbar erkannt, auf das man so lange stolz gewesen ist. Das ist ein erstes Stolpern in die richtige Richtung.
Rechtlich scheint freilich völlig klar: Ein solcher "Solidarbeitrag" darf nicht nur einen Teil der Medizinstudenten treffen, nicht nur jene, die nicht zu den Besten bei den Aufnahmetests gehört haben. Er darf aber auch nicht nur Medizinstudenten treffen, sondern müsste auch für alle anderen Studienrichtungen gelten. Beide Aussagen sind verfassungsrechtlich eindeutig, wenn das Gleichheitprinzip von Bundesverfassung und Menschenrechtskatalogen noch irgendeine Bedeutung haben soll. Grundrechtlich ebenso unhaltbar wäre es, wenn man die Medizin-Absolventen oder einen Teil von ihnen (oder alle Absolventen von Lehramts-, Rechts- oder Technikstudien …) verpflichten würde, nach dem Studium im öffentlichen Gesundheitssystem zu arbeiten, also als Kassenärzte oder in einem öffentlichen Spital. Denn das wäre klassische Zwangsarbeit.
Andererseits sieht man aus den Vorstößen mit solchen Vorschlägen noch besser als aus zahllosen Detailbeobachtungen, wie verzweifelt die Situation im Gesundheitssystem schon ist – und immer verzweifelter wird. Aus klaren Gründen:
- weil immer mehr Ärzte in Pension gehen,
- weil gleichzeitig die Zahl der zu betreuenden Patienten vor allem dank der (den gleichen Genossen zu verdankenden) Millionenzuwanderung immer größer wird,
- weil die Menschen immer älter werden und dabei logischerweise auch immer öfter Ärzte brauchen,
- weil uns die EU zwingt, ein Viertel unserer Medizin-Ausbildungsplätze für Nichtösterreicher zur Verfügung zu stellen,
- und weil ein noch viel höherer Anteil der Medizinabsolventen, nämlich 40 Prozent, nach in Österreich gratis erhaltener Ausbildung dann frischfröhlich ins Ausland geht; das sind also nicht nur die vielen deutschen Numerus Clausus-Flüchtlinge (also alle jene, die gemäß ihren Abitur-Noten zu dumm waren, um daheim studieren zu können), die heimkehren, sondern auch viele Österreicher, die verloren gehen.
Was also tun? Eine Therapie dieses bedrohlich kranken Systems wird auf mehreren Ebenen einsetzen müssen, wenn sie Erfolg haben soll:
- Erstens wird man über eine Vermehrung der Studien- und Ausbildungsplätze nachdenken müssen – aber ohne, dass darunter die Qualität leidet. Die Oberösterreicher haben das bereits durch Schaffung eines zusätzlichen Ausbildungswegs getan (worauf sie ziemlich unfair von vielen Seiten beschimpft worden sind).
- Zweitens muss die Änderung der EU-Judikatur zu den Medizin-Ausbildungsplätzen eine zentrale Priorität der Regierung werden. Zusammen mit der Forderung nach einer dramatischen Änderung der Migrationsjudikatur muss das der zweite ganz zentrale Fokus der österreichischen EU-Politik werden. Beide Forderungen sind wahrscheinlich nur auf primärrechtlicher Ebene wirklich sicher zu erfüllen. Das ist gewiss schwierig, aber bisher hat das Österreich nicht einmal ordentlich gefordert. Daher sollte man sich nicht wundern, dass es ignoriert wird.
- Drittens muß die Liste von bisher Ärzten vorbehaltenen Eingriffen, von therapeutischen wie diagnostischen Maßnahmen, für qualifizierte Krankenpfleger signifikant erweitert werden.
- Viertens müssten Dinge wie Impfungen auch für (eventuell zusätzlich qualifizierte) Apotheker möglich werden, ebenso wie das Brillen-Verschreiben für qualifizierte Optiker.
- Fünftens müsste man dringend den schwachsinnigerweise akademisierten Krankenpfleger- (=Krankenschwester-)Beruf auf einer zweiten, neuen Ebene für jene öffnen, die nicht das Zeug zur akademischen Theorie und auch nicht zur Matura haben, die aber sozial gesinnt, geschickt und menschlich tüchtig sind.
- Sechstens wäre im Gesundheitsbereich die überall notwendige deutliche Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ganz besonders wichtig.
- Siebentens ist den Ärzten auf dem Land viel öfter das Führen von Hausapotheken zu erlauben, um auch in kleineren Orten das Verbleiben von Ärzten zu erleichtern.
- Und achtens muss man tatsächlich in die Richtung gehen, in die sich Babler und Hochleitner tastend und unsicher bewegt haben. Diese Richtung heißt eindeutig: allgemeine Studiengebühren. Vielleicht erkennen die Genossen auch diese Notwendigkeit rechtzeitig, bevor all ihr Herumgesuche rechtlich als massiv gleichheitswidrig oder gar als Zwangsarbeit scheitern muss.
Eher fraglich ist hingegen, ob die von der Ärztekammer tagtäglich vorgeschlagene massive Erhöhung der Ärztebezüge etwas signifikant ändern würde.
Studiengebühren für alle
Die neu einzuführenden Studiengebühren müssten jedenfalls für alle Studienrichtungen gelten. Sie müssten begleitet werden von noch großzügigeren Stipendien, damit kein Talent wegen finanzieller Probleme verloren gehen soll.
Sie sollten vor allem nicht während des Studiums zu zahlen sein, sondern ein ganz normaler zivilrechtlicher Kredit abhängig von der Zahl der absolvierten Semester sein, dessen Rückzahlung erst nach dem Ende des Studiums (oder besser sechs Jahre nach seinem Beginn) in auf zehn Jahre aufgeteilten Jahresraten erfolgt.
Die entscheidende Regelung: Diese Rückzahlungspflicht fällt in jenen Jahren weg, in denen man in Österreich ein steuerpflichtiges Einkommen erzielt sowie in jenen Jahren, in denen eine Frau ein Kind zur Welt gebracht hat (beziehungsweise in den 24 Monaten danach).
Die Rückzahlungspflicht wird überdies bis zu sieben Jahre aufgeschoben, solange der Zahlungspflichtige im Ausland eine Post-Doc-Stelle oder eine Professur besetzt (aber sie entfällt wohlgemerkt nicht, sondern besteht weiter und verschiebt sich nur nach hinten).
Für alle anderen ist die Rückzahlungspflicht wie bei jedem anderen Kredit in Geld zu leisten.
Das gilt auch für alle jene, die sich ins Ausland abgesetzt haben. Und zumindest im Europäischen Wirtschaftsraum sind zivilrechtliche Zahlungspflichten auch im Ausland eintreibbar.
Das Ganze ist etwa nach diesem Modell also recht leicht und vor allem sauber umsetzbar. Es würde viele Absolventen motivieren, auch nach dem Studium in Österreich zu arbeiten, nicht nur Ärzte, sondern auch Wissenschaftler (wie auch immer diese gerade in der jeweiligen Rotgrün-Sprache zu bezeichnen sind, etwa als "Forschende und Forschendinnen" …).
Das einzige, was wirklich notwendig ist: Die Politik müsste den Mut haben, sich – über zaghafte erste Stolperversuche hinaus – zu bewegen, müsste sich endlich ernsthaft mit Wissenschafts-, Gesundheits- und Wirtschaftspolitik beschäftigen. Sie müsste erkennen, dass in diesen Bereichen erfolgreichere Länder schon längst auf ähnlichen Wegen unterwegs sind.
Aber in Österreich, so ist zu befürchten, wird die Politik spätestens dann einknicken, wenn die Extremisten von der ÖH zweimal gegen die Einführung der Studiengebühren demonstrieren (wobei die Streichung der ÖH-Zwangsbeiträge die wahre Antwort wäre, um den Studenten das Studium zu erleichtern).
Besonders enttäuschend sind die offenbar in letzter Zeit sehr weit nach links gerückten Neos. Sie sehen den Vorschlag "sehr kritisch" und wollen lieber innerhalb des jetzigen, also eines nicht funktionierenden Systems mehr Stipendien auszahlen, das wären also noch mehr Schulden des Staates oder höhere Steuern. Dabei waren die Neos einst die Einzigen, die zumindest eine Zeitlang den Nutzen von Studiengebühren gesehen und vertreten haben – als sie noch zumindest in Teilbereichen liberal gewesen sind.