
Der Putsch der Staatsanwälte
Die "Diversion" für den ÖVP-Klubobmann August Wöginger ist ein Zwitter der österreichischen Justiz, der irgendwie in das kranke LGBTQ-Zeitalter passt. Rechtlich hat der Mann eine reine Weste, aber politisch ist es der Staatsanwaltschaft – natürlich war es wieder die WKStA – gelungen, auf dieser Weste einen gehörigen Dreckpatzen abzusetzen, den kein Waschmittel wieder ganz wegbekommt. Das große Unbehagen über diese Vorgänge hat gar nichts mit der Person des kleinen Oberösterreichers zu tun und damit, ob man Mitleid mit ihm haben muss. Es geht um viel mehr. Denn in Wahrheit steckt eine politische Intention der Staatsanwälte hinter dem Wöginger-Verfahren. Sie wollen bewusst oder unbewusst die Demokratie auf ein bloß formales Gerippe einengen und alle wesentlichen Entscheidungen einer elitären Klasse von Juristen, den Richtern und Staatsanwälten zuschanzen. Es geht um einen schleichenden Putsch (mit nachträglicher Ergänzung).
Aber Österreich glaubt noch immer, ein Rechtsstaat zu sein.
Der eigentliche Sachverhalt ist relativ eindeutig: Der Abgeordnete Wöginger hatte bei Schmid interveniert, damit ein Mann aus seinem Wahlkreis (und Parteifreund von Wöginger und damals auch Schmid) Leiter eines Finanzamtes wird. Schmid hat als damals allmächtiger Spitzenbeamter des Finanzministeriums offensichtlich auf die dafür zuständige Bestellungskommission Druck ausgeübt, den Wunschkandidaten Wögingers auch tatsächlich zu bestellen. Was die Kommission prompt und ohne Widerstand tat.
Damit steht Schmid nun in einem weiteren Fall als der Jago der österreichischen Realpolitik da. Solange er glauben konnte, dass es seiner Karriere nutzt, dienerte er sich allen an, ob diese nun Gehrer, Rübig, Kurz, Schüssel, Wöginger, Spindelegger, Schelling oder Löger hießen. Er suchte immer nach Menschen, die er für wichtig und zukunftsreich hielt, die ihm daher bei seiner Karriere helfen konnten, und tat für diese dann auch alles. Sobald ihm diese aber nicht mehr nutzten, sobald er glaubte, sich durch einen Frontwechsel retten zu können, ging er auf Distanz oder verriet sie sogar. Und so stand er nie vor Gericht, obwohl er dort ohne diesen Kronzeugenstatus wohl schon längst gelandet wäre.
Aber Österreich glaubt noch immer, ein Rechtsstaat zu sein.
Der nächste Skandal ist noch viel größer und fundamentaler: Denn das, was Wöginger zweifellos getan hat, haben ganz selbstverständlich zahlreiche andere Abgeordnete auch getan, vor allem dann, wenn ihre Parteien in Bund oder Ländern in der Regierung gewesen sind. Und das hat im letzten Jahrzehnt auf sämtliche Parlamentsparteien zugetroffen. Aber es wird dennoch nicht bei allen verfolgt, sondern nur bei einer.
International gehören solche Interventionen vielerorts und insbesondere in den beiden Mutterländern der Demokratie, in Großbritannien und den USA, zu den ganz selbstverständlichen Pflichten eines Volksvertreters. Bei den Briten und Amerikanern – und soweit ich weiß, auch in allen Ländern, die vom britischen Rechtssystem geprägt sind – rufen Bürger ganz selbstverständlich "ihre" Abgeordneten an oder schreiben ihnen Briefe, wenn sie ein Begehr welcher Art immer haben. Und vor allem in den USA marschieren die Abgeordneten daraufhin auch oft wunschgemäß los (außer sie erkennen in dem Anrufer einen spinnenden Einzelgänger).
Wenn die einzelnen Abgeordneten mächtig genug sind, dann hört man ihnen in den jeweiligen Ministerien auch immer sehr, sehr gut zu, solange ihr Begehr nicht glatt rechtswidrig ist. Schließlich will jedes Ministerium dann auch umgekehrt etwa bei Budgetwünschen Gehör finden. In den USA haben nämlich auch einzelne Abgeordnete oft bei einzelnen Budgetpunkten sehr viel Mitsprache. Nicht nur die Regierung.
Aber die USA sind ja auch eine Demokratie.
Genau das, was dort selbstverständlich ist, ist von der WKStA in Österreich zum Verbrechen des Amtsmissbrauchs gestempelt worden. Und auch manche Richter dürften das so sehen. Angehörigen beider Justizberufe ist zumindest unterschwellig oder auch aus offener Machtgier die Intention gemeinsam, dass anstelle der gewählten Volksvertreter eine Beamten- und Richter-Klasse die ganze Macht besitzt. Die Abgeordneten hingegen werden von den Staatsanwälten & Co insgeheim verachtet und gehasst, weil sie oft keine Juristen sind, weil sie ihnen zuwenig Geld geben, weil sie das verachtete Volk zu vertreten versuchen, weil es seit jeher Volkssport von Juristen gewesen ist, sich über die mangelnde Qualität der von den Abgeordneten gemachten Gesetze zu mokieren, weil sich Staatsanwälte und Richter intellektuell überlegen fühlen.
Die wirkliche Sauerei, der einzige wirkliche Amtsmissbrauch besteht aber darin, dass die Genossen von der WKStA prinzipiell nur dort ein Problem sehen wollen, wo ein ÖVP-Abgeordneter interveniert. Ganz Österreich weiß, dass solche Interventionen allgemein üblich sind. Alle Österreicher haben das auch als ganz selbstverständlich, richtig und demokratisch angesehen: Ein Abgeordneter ist in einer Demokratie dazu da, sich für Menschen aus seinem Wahlkreis oder, wie es Andreas Babler in seiner Heurigen-geübten Sprache formuliert, für "unsere Leit" einzusetzen. Und er ist nicht dazu da, den mit ihren Bitten vorsprechenden Bürgern zu sagen (wenn wir in dieser Sprache bleiben wollen): "Haut's eich über die Häusa!" Oder um ihnen vorzuspiegeln, aktiv zu werden, aber in Wahrheit völlig untätig zu bleiben.
Wenn solches aber ein anderer Abgeordneter tut als einer der ÖVP, wird die Staatsanwaltschaft nicht aktiv.
Wechseln wir zum Problemkreis der Besetzung von Beamtenposten.
Der "Postenschacher"
Gewiss kann man beim Leiter eines Finanzamtes streiten, ob der, wie es die Verfassung eigentlich vorsieht, wirklich nur ein Teil der Verwaltung ist, oder ob er von seiner Tätigkeit nicht doch eher ein Richter ist. Das kann man durchaus so sehen – aber dann sollte man gefälligst auch die Verfassung dementsprechend ändern.
Bei allen anderen Beamtenposten ist aber eindeutig klar: Da geht es nur um Verwaltung. Und daher trägt einzig der Minister (oder auf ihrer jeweiligen Ebene der Landeshauptmann oder der Bürgermeister oder die Landesräte) die Verantwortung: Sucht er sich gute oder schlechte Mitarbeiter aus? Bestellt er loyale Mitarbeiter, die für den politischen Erfolg des Ministers arbeiten oder solche, die gegen ihn intrigieren? Oder findet er sich mit solchen ab, die sich auf ihre Beamtenprivilegien zurückziehen, die nur das absolute Minimum an Leistung bringen, die denken: "Minister kommen und gehen, aber wir Beamte bleiben und rücken ohnedies ganz automatisch in unseren Bezügen alle zwei Jahre voran."
Da sich ein Minister natürlich mit guten und loyalen Mitarbeitern umgeben will, legt er auch Wert auf Empfehlungen von Freunden. Sollte ihm ein Freund dabei jedoch eine Nuss, ein Kuckucksei unterzuschieben versuchen, dann ist ein solcher Freund zum letzten Mal Freund gewesen.
Die in den letzten Jahren verfügte Einführung von Besetzungskommissionen für alles und jedes darf in Wahrheit einzig den Sinn haben, den Minister loyal zu beraten, wenn er sich über Personalentscheidungen unsicher ist. Wenn aber jetzt die Staatsanwaltschaft glaubt, sich in die Entscheidungen solcher Kommissionen einmischen zu dürfen, diese nachkontrollieren zu können, dann führt das endgültig zur Entmachtung der Minister und zur allgemeinen Machtergreifung des Justizpersonals.
Besonders absurd ist, dass die Staatsanwaltschaft gestänkert hat, die Personalkommission des Finanzministeriums sei überwiegend ÖVP-nahe zusammengesetzt. Eigentlich sollte das im Rahmen der Politikerverantwortlichkeit selbstverständlich für einen Minister möglich sein, dann umso mehr, wenn er wie der Finanzminister seit 25 Jahren von der ÖVP gestellt wird.
Meinen die Genossen von der Staatsanwaltschaft – sofern es ihnen überhaupt um mehr geht als um ständiges Stänkern gegen die ÖVP –, dass auch innerhalb eines Ministeriums ein strenger Parteienproporz herrschen muss? Aber dass trotzdem am Schluss der Minister an allem Unsinn, der im Ministerium passiert, schuld zu sein hat? Danach klingt jedenfalls ihr Agieren.
Nehmen wir einmal an, diese Auffassung setzt sich wirklich durch, also dass diese Forderung nach Proporz bei allen Bestellungskommissionen nicht nur für Richter, sondern für alle Ämter und Ministerien zu gelten hat: Dann muss das – sofern das neue Konstrukt nur irgendwie rechtsstaatlich bleiben soll – ganz eindeutig und selbstverständlich für alle Bereiche gelten. Und nicht nur für jene, die den WKStA-Genossen als Hort des Bösen erscheinen.
Das hieße also:
- Dann muss das insbesondere auch für die Gemeinde Wien gelten, wo die SPÖ seit zehn Jahren deutlich weniger als die Hälfte der Gemeinderatsmandate besetzt. Wo sie aber dennoch weiterhin praktisch alle wichtigen Posten besetzt.
- Dann muss das insbesondere auch für die roten Ministerien gelten, wo etwa bei der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 die neuen Minister im Sozial- und Finanzministerium sowie im Bundeskanzleramt nach 30 roten Jahren eine knallrote Beamten-Mannschaft vorgefunden haben. Das hatte zur Folge,
- dass die Beamtenschaft im Sozialministerium die blauen Sozialminister ständig ausrutschen ließ und zu blamieren versuchte;
- dass der schwarze Bundeskanzler einzig mit seinem Kabinett regierte und die roten Sektionschefs ob ihrer feindlichen Einstellung fast völlig ignorierte;
- und dass der blaue Finanzminister es sehr geschickt verstand, die eigentlich roten Beamten ganz auf seine Seite zu ziehen, weil sich beide in Sachen Defizitreduktion und Wirtschaftspolitik sehr bald einig waren (was diesem Minister dann den besonderen Hass der Genossen Staatsanwälte eingebracht hat). - Und dann muss das auch für die WKStA gelten, die seit ihrer Gründung trotz wechselnder Parteifarbe der Justizminister knalllinks ist, weil der Gründungschef der WKStA davor ein grüner Abgeordneter gewesen ist. Er war persönlich nett, strafrechtlich kompetent, aber ideologisch klar positioniert. Und er hat vor allem für eine stramm linke Mannschaft gesorgt, wo Nichtlinke sehr bald aussortiert waren, und wo leider auch die juristische Kompetenz rasch verloren ging.
Eine Justiz, die nur schwer zu ertragen ist
Völlig unerträglich ist aber jedenfalls, dass sich die Staatsanwälte nur bei heute eher schwarzen Ministerien die Zusammensetzung und die Entscheidungen der Personalkommissionen anschauen.
Völlig unerträglich ist jedenfalls, dass die Staatsanwälte bei schwarzen Abgeordneten aus einem Telefonanruf, in dem ein Bürgeranliegen befürwortend weitergeleitet wird, die Anstiftung zum Amtsmissbrauch machen (egal, ob es dann überhaupt einen solchen gegeben hat).
Völlig unerträglich ist jedenfalls – so es überhaupt einen Amtsmissbrauch gegeben hat –, dass eindeutig feststeht, wer dabei der eindeutige Haupttäter gewesen ist. Nämlich Thomas Schmid. Dennoch haben sie Schmid das Leo eines freihändig vergebenen "Kronzeugenstatus" zugestanden.
Völlig unerträglich ist jedenfalls, dass die WKStA mit Ausnahme des einstigen roten Bürgermeisters aus Salzburg, den man einst ebenfalls nur abschoss, weil man damit einen schwarzen Spitzenmann abschießen wollte, immer nur schwarze oder blaue Politiker ins Visier genommen hat.
Völlig unerträglich ist jedenfalls, dass diese WKStA einen mehrtägigen und sauteuren Monsterprozess wegen der Besetzung eines einzigen Provinzfinanzamtes anstrengt, dass sie hingegen noch nie die hunderte Millionen Steuergeld verschlingenden Bestechungsinserate durch das Imperium der Gemeinde Wien vor einen unabhängigen Richter gebracht hat.
Und am schlimmsten ist, dass es dieser WKStA gelungen ist, jene beiden Justizbeamten abzuschießen, die sie bei ihren Untaten einzubremsen versucht haben.
Aber freilich darf man der Partei des nun mit einem blauen Auge diesem Apparat entkommenen August Wöginger den Vorwurf nicht ersparen, dass sie – trotz Kenntnis dieser katastrophalen Zustände in der Justiz – seit den Zeiten eines Michael Graff niemanden mehr in der ganzen Fraktion hat, der mit genügend strafrechtlicher Kenntnis imstande gewesen wäre, diesen Umtrieben ein Ende zu setzen oder sie zumindest klar aufzuzeigen; dass sie am Beginn des Jahres schon wieder zugestimmt hat, dass eine sehr, sehr weit links stehende Frau Justizministerin wird; und dass sie offenbar ebenfalls zugestimmt hat, dass die vom linken Marsch durch die Institutionen durchsetzte Staatsanwaltschaft sich jetzt als sogenannte Bundesstaatsanwaltschaft unabhängig machen und damit ihre für Demokratie und Rechtsstaat tödlichen Umtriebe künftig auf ewig ungehindert fortsetzen kann.
Nachträgliche Ergänzung: Und wie berichtet der ORF über das Verfahren gegen Wöginger? Er gibt ausgerechnet Martin Kreutner, dem Leiter der mehr als einseitigen Anti-Pilnacek-Kommission unter Alma Zadic das Mikrophon und bezeichnet ihn als "Experten" …
Ich schreibe in regelmäßigen Abständen Kolumnen auf der Nachrichten- und Meinungsplattform Exxpress.