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Rosenkranz schreibt die Geschichte um

Rosenkranz schreibt die Geschichte um

Der freiheitliche Parlamentspräsident Walter Rosenkranz hat ein Symposion veranstaltet, in dem die Österreicher erfahren sollten, was die Schweiz, nach deren Vorbild einst ihr Neutralitätsgesetz beschlossen worden ist, eigentlich genau unter dieser versteht. Diese Informationen aus Bern wurden für die unter Herbert Kickl ausgerufene Neutralitäts-Mythologisierung freilich extrem blamabel. Blamabel waren aber auch die Worte von Rosenkranz selbst zu diesem Thema. Sie zeigen bedauerliche blanke historische Ahnungslosigkeit. Tat er das alles nur, um seinem Parteichef zu gefallen?

Oder ist Rosenkranz selbst mangels eigenen Wissens zum Opfer der vor allem durch die SPÖ erfolgten Geschichtsumschreibung geworden? Oder wollte er gar über die Bande geschickt aufzeigen, ohne sich selbxt zu exponieren, wie sehr sich die FPÖ unter Kickl verrannt hat?

Tatsache ist jedenfalls,

  • dass Rosenkranz behauptet hat (wie es zumindest in der offiziellen Parlamentskorrespondenz wörtlich in wenn auch holprigem Deutsch steht), dass es in der Ära Kreisky gelungen sei, "die Neutralität und den Frieden in der Welt zu verbinden und Österreich habe sich als Ort der Diskussion und der Verhandlungen etabliert. Seitdem habe Österreich aber ,einiges an Terrain‘ verloren";
  • dass es in Wahrheit in der Ära Kreisky Österreich kein einziges Mal gelungen ist, irgendwelche "Verhandlungen" zu führen oder zu initiieren. Rosenkranz ist ja bezeichnenderweise auch nicht imstande, auch nur eine einzige solcher "Verhandlungen" anzuführen;
  • dass solches nur im Zuge der Heiligsprechung Kreiskys durch die SPÖ nachträglich behauptet, wenn auch dabei nie bewiesen worden ist (Kreisky selbst hat ja viel lieber aller Welt – besonders den Westen und Israel – öffentliche Zensuren und Beschimpfungen zuteil werden lassen, was ihn a priori völlig ungeeignet zum Verhandeln gemacht macht);
  • dass sich bisher nicht einmal von den Kreisky-Hagiographen zu der Phrase einer Verbindung von Neutralität und dem Frieden in der Welt  verstiegen haben;
  • dass es zwar 1979 ein sowjetisch-amerikanisches Gipfeltreffen in Wien gegeben hat, dass es aber genauso auch 1961, also lange vor den von Rosenkranz so gepriesenen Kreisky-Regierungen, ein solches gegeben hat. Und beide Male war Österreich schlicht auf die Rolle eines freundlichen Hotelportiers beschränkt gewesen, der die Wünsche der Gäste erfüllt;
  • dass es Gipfeltreffen zwischen den beiden Supermächten auch in Moskau (mehrfach), Genf, Camp David, Prag, Helsinki, Washington und Paris gegeben hat, ohne dass deswegen in diesen Städten schwachsinnige Neutralitäts-Mythologisierungen versucht worden wären;
  • dass Kreisky ganz im Gegenteil das Verhältnis Österreichs zu Israel auf einen historischen Tiefpunkt gebracht hat (Ministerpräsidentin Golda Meir bei einem Besuch, als Kreisky auf Verlangen palästinensischer Terroristen die Emigration von Juden aus der Sowjetunion über Österreich bremste und ihn die Israelis davon abbringen wollten: "Nicht einmal ein Glas Wasser hat er mir angeboten");
  • dass Österreich durch Kreiskys Verbrüderung mit den Palästinensern und der Terrororganisation PLO in eine extreme Einseitigkeit geraten ist (die dem Land im Übrigen auch noch lange nach Kreisky in seinen Beziehungen nicht nur zu Israel, sondern auch zu den USA schwer geschadet hat), sodass auch deshalb an von Österreich initiierte Verhandlungen nicht zu denken war;
  • dass daher Österreich auch in der Folge nicht "einiges an Terrain" verloren haben kann, weil es gar keines gehabt hat;
  • dass sich erst nach Kreisky insbesondere durch Bemühungen der Bundeskanzler Vranitzky und Kurz, aber auch der gegenwärtigen Regierung das Verhältnis Österreichs zu Israel deutlich verbessert hat, ohne dass es zu den seriösen arabischen Staaten schlechter geworden ist;
  • dass Rosenkranz, um wieder zu diesem zurückzukehren, ferner gesagt hat: "Dem Gesetzgeber sei klar gewesen, die Neutralität als ganz besonderes Staatsziel – fast als ,Ikone‘ – zu bezeichnen";
  • dass in Wahrheit jedoch im Neutralitätsgesetz, aber auch in den Reden der damaligen Regierung kein Wort von einem "Staatsziel" oder gar einer "Ikone" zu finden ist;
  • dass das Moskauer Memorandum 1955, in dem die Ausrufung der Neutralität zugesagt worden war, von Bundeskanzler Julius Raab, wie viele Zeugenaussagen beweisen, einzig zu dem Zweck abgeschlossen worden ist, endlich den Abzug der Besatzungsmächte und die volle Unabhängigkeit Österreichs zu erreichen, aber niemals mit der von Rosenkranz unterstellten und völlig anmaßenden Absicht, "Friedensstifter in der Welt" zu sein oder zu  werden;
  • dass damals sowohl die USA, als auch Teile der damaligen SPÖ und insbesondere die neugegründete FPÖ die Neutralitäts-Zusagen von Raab anfangs sogar äußerst skeptisch gesehen haben;
  • dass Raab dann selbst schon 1956 bei der brutalen Niederwälzung der Ungarn-Revolution im Gegensatz zur späteren Umdeutung der Neutralität durch Kreisky und Kickl ganz klar gemacht hat, dass es keine politische Neutralität Österreichs gibt, dass Österreich abgesehen von der rein militärischen Neutralität ganz klar auf der Seite der Freiheit und damit des Westens steht;
  • dass Raab damals die Sowjetunion auch scharf kritisiert hat;
  • dass Rosenkranz bezeichnenderweise nicht einmal einen einzigen der vielen SPÖ-nahen Zeithistoriker auftreiben hat können, die sonst ständig den Weihrauch für Bruno Kreisky schwingen, um seine krassen Behauptungen zu unterstützen;
  • dass die ins Wiener Parlament eingeladene Schweizer Nationalratspräsidentin Maja Riniker eine völlig andere Neutralitäts-Interpretation geliefert hat, als sie zuletzt von den Herren Kickl und Rosenkranz gedrechselt worden ist;
  • dass die Schweiz unter anderem bei der von den Freiheitlichen so scharf abgelehnten Initiative "Sky Shields" zum Schutz des europäischen Luftraums gegen Raketen (der nur gemeinsam möglich ist) ganz selbstverständlich und ohne inneren Disput mitmacht;
  • dass Riniker gesagt hat (immer laut der Rosenkranz nahestehenden Parlamentskorrespondenz):
    • Eine gute Verteidigungsstrategie sei ohne internationale Zusammenarbeit kaum denkbar,
    • die Neutralität sei kein "automatisches Schutzschild",
    • der Angriff Russlands auf die Ukraine sei auch für neutrale Staaten eine Zeitenwende (diese Aussage wird ja auch dadurch bestätigt, dass Finnland und Schweden, also die beiden anderen Neutralen, nach diesem Überfall umgehend im Eigeninteresse die Neutralität aufgegeben haben und der Nato beigetreten sind),
    • Neutralität bedeute nicht Gleichgültigkeit, Abseitsstehen und Schweigen,
    • Neutralität bedeute, klar Position zu beziehen, wenn die eigenen Werte Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde missachtet werden.

Es wird für Rosenkranz also ziemlich schwierig sein, wenn er nach so klaren Worten aus der Schweiz seinem Parteichef einen diesem gefallenden Bericht erstatten will. Interpretiert dieser doch Neutralität (aus welchen Gründen immer) im Sinne Moskaus, was nichts anderes als eine Kastrierung Österreichs und Verwandlung des Landes in eine semiautonome Kolonie Russlands bedeuten würde.

Erschütternd ist jedoch, wie wenig auch von den anderen Parteien kommt, um klar zu sagen, dass die Neutralität zwar 1955 eine Funktion gehabt hat, dass sie aber heute unbrauchbar geworden ist, um die wirklich obersten und wichtigsten Staatsaufgaben zu verfolgen. Diese sind ganz eindeutig:

  1. Unabhängigkeit,
  2. Freiheit,
  3. Sicherheit und Frieden der Republik
  4. in einer demokratischen und
  5. rechtsstaatlichen Ordnung.

Jeder einzelne dieser zentralen Werte ist umso besser gesichert, je weiter die politische Distanz zum heutigen Russland ist. Nichts von diesen entscheidenden Staatszielen wird hingegen durch die Neutralität gesichert. Vielmehr ist die Bewahrung dieser Staatsziele für einen Kleinstaat in der Lage Österreichs nur dann möglich, wenn er sich eng an den Westen bindet, wodurch – trotz aller Detail-Probleme –Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat tausendmal besser gesichert sind als in Abhängigkeit von Moskau nach Art von Belarus, Georgien oder den mittelasiatischen Diktaturen.

Ein solcher Kleinstaat darf aber umgekehrt auch nicht glauben, dass der Westen im Falle einer äußeren Gefährdung von Österreichs Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit etwas für die Republik tun würde, wenn nicht auch Österreich dem Westen umgekehrt die volle und gleiche Unterstützung zugesagt hat. Dabei ist an sich relativ gleichgültig, ob das nun durch die Nato organisiert wird oder durch die EU, sollte diese in absehbarer Zeit endlich imstande sein, selbst zu einer glaubwürdigen Sicherheits-Alternative zur Nato zu werden. Was umso notwendiger wäre, als die USA (nicht nur Trump!) zunehmend die Lust verlieren, immer einseitig die Lasten für Europas Sicherheit zu tragen.