Trumps Eitelkeit ist eine gute – und auszunutzende Sache
Donald Trump hat jenseits seiner wirtschaftspolitischen Dummheiten und seines kritikwürdigen Umgangs mit der Medienfreiheit auf zwei Feldern Respekt und Anerkennung verdient. Aber offenbar leben wir in einer Welt, wo Journalisten und andere sich als klug ausgebende Menschen nur zu Schwarz-Weiß-Denken imstande sind: Entweder gibt es Jubel für Trump bei allem, was er tut, oder – viel häufiger – A-priori-Verachtung für alles, was er tut. Gewiss wird Trump vielfach von einer oft peinlichen Eitelkeit getrieben (siehe etwa auch die Vergoldung und die Erweiterung des Weißen Hauses). Aber das ist noch immer weit besser als all jene Staatenlenker, die sich primär von Ideologie oder von nationalistischen Überlegenheitsgefühlen leiten lassen.
Zu den Feldern, wo man positive Früchte dieses Trumpschen Charakterzuges sieht, zählt erstens sein Kampf gegen alle woken Verirrungen. Dieser Kampf ist zwar auch populistisch motiviert, weil er die Unterstützung der großen Mehrheit genießt, aber Trump spürt instinktiv wie jeder Konservative: Eine Gesellschaft, in der homosexuelle Propaganda in all ihren Varianten und ein skurriler Trans-Kult über das Prinzip Familie dominieren, in der absurde Quoten und Minderheitenförderung über Fähigkeit und Leistung gestellt sind, ist zum Untergang verurteilt. Einem solchen Untergang will Trump eben auch aus eitler Rücksicht auf seine Rolle in den Geschichtsbüchern entgegenwirken. Damit wirkt auch hier seine Eitelkeit positiv.
Zweitens ist Trumps Eitelkeit auch außenpolitisch positiv wirksam. Der kaum verheimlichte Wunsch, doch zur Krönung seines Lebenswerkes den Friedensnobelpreis zu bekommen, hat seine Rolle im Nahost-Konflikt geprägt. Dort ist Trump zumindest erfolgreicher beim Schaffen der Möglichkeiten für einen dauerhaften Frieden, als es viele seiner Vorgänger seit dem Camp-David-Abkommen 1979 gewesen sind. Er ist vor allem deshalb erfolgreich, weil er gewusst hat, dass es manchmal auch einen militärischen Einsatz braucht, um dem Frieden eine Bahn zu brechen, weil man den Kräften des Bösen bisweilen robust entgegentreten muss.
Die jetzige Entspannung in Nahost, der jetzige Fast-Friede war jedenfalls mit hundertprozentiger Sicherheit nur deshalb möglich, weil die USA davor Israel geholfen haben, die Entwicklung einer iranischen Atombombe weit zurückzubomben, und weil die USA den von ihnen abhängigen Israelis überdies erlaubt haben, die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah militärisch komplett außer Gefecht zu setzen (die vielen dabei ums Leben gekommenen Zivilisten, die in der antisemitischen Propaganda der westlichen Linken so laut als angebliche Schuld Israels bejammert werden, sind ja vor allem der Hamas anzulasten. Aus mehreren Gründen: Es war die Hamas, die vor zwei Jahren unter Jubel der ganzen Gaza-Bevölkerung Israel in Zeiten eindeutiger Waffenruhe aus heiterem Himmel massiv angegriffen hat; die Hamas hat ihre militärischen Einrichtungen oft unter Krankenhäusern und Schulen versteckt, was nicht nur ein Kriegsverbrechen ist, sondern auch vielen unschuldigen Arabern das Leben gekostet hat; und die Hamas hat sich zwei Jahre lang trotz übergroßer israelischer Gegenleistungen geweigert, die wenigen noch lebenden Geiseln herauszugeben, was den Krieg um zwei Jahre verlängert hat).
Das alles wäre wohl nicht ohne Trumps Eitelkeit und Gier auf den Nobelpreis gelungen. Diese Eigenschaften sind auch zweifellos der wichtigste Antrieb bei seiner Haltung zum Ukraine-Krieg.
Die Sehnsucht, auch dort Friedensstifter zu werden, erklärt, dass er mehrfach den russischen Diktator Putin hofiert hat, und dass er von der Ukraine einen sehr hohen Preis für den Frieden verlangt hat, nämlich die De-Facto-Preisgabe der von den Russen eroberten Gebiete östlich der ziemlich eingefrorenen Frontlinie (was für die Europäer, die ja vor Putins Haustür leben müssen, allerdings ein gefährlicher, ein viel zu hoher Lohn für die russische Aggression ist; denn sie wissen genau, dass dann auch EU-Staaten das nächste Opfer russischer Begehrlichkeiten sein könnten; seine Begehrlichkeit könnte Putin mit der gleichen Argumentationsqualität wie gegenüber der Ukraine auch auf all jene europäischen Gebiete richten, wo einst russische Soldaten und KGB-Agenten wie Putin gestanden sind und ihr Unwesen getrieben haben). Aber nicht einmal diese Konzession hat Putin zum Einlenken gebracht.
Trumps Eitelkeit ist aber zugleich auch die letzte, vielleicht die einzige Bremse, damit er eben nicht einen totalen Sieg Russlands hinnimmt. Trump scheint inzwischen langsam zu begreifen, dass er bei einem Sieg Russlands als Big Loser vom Feld gehen würde, dass dann auf ewige Zeiten Schimpf und Schande über seinen Namen gegossen wäre. Daraus entspringt dann logischerweise sein zögerliches Hin und Her, ob und wann es zu einem neuen Gipfel mit Wladimir Putin kommt. Statt dessen hat er jetzt neue Sanktionen gegen den russischen Ölexport verhängt.
Trump und seine Berater haben zwar lange gebraucht, scheinen aber jetzt zunehmend zu erkennen: Putin will nicht nur ein paar Häppchen haben, sondern die Unterwerfung, die Kolonialisierung der ganzen Ukraine. Das erkennt man etwa genau daran, dass Moskau immer wieder die Beseitigung eines "Nazi-Regimes" in Kiew als zentrale Forderung erhebt. Eine Formulierung, die gleich aus mehreren Gründen irrsinnig ist:
- Denn das heutige Russland ist selbst jenes Land, das am stärksten dem Regime der einstigen Nationalsozialisten ähnelt (Siehe die Inhaftierung und Tötung von politischen Gegnern; siehe das Verbot, "Feindsender" zu hören, respektive das Abdrehen westlicher Internet-Plattformen; siehe das Auslösen eines Angriffskrieges durch Putin wie Hitler; siehe die Unterdrückung jeder freien Meinungsäußerung durch einen brutalen Geheimdienst respektive eine Gestapo).
- Denn auf der Gegenseite in Kiew amtiert ein jüdischer Präsident, was den Nazi-Vorwurf doppelt absurd macht.
- Denn in der Ukraine gibt es zum Unterschied von Russland eine überaus lebendige und in keiner Weise verfolgte Opposition (etwa rund um die Brüder Klitschko).
- Denn der ukrainische Präsident hat erst vor ein paar Wochen demütig als Reaktion auf Massendemonstrationen die geplante Reorganisation der Antikorruptionsbehörden zurückgenommen.
- Denn solche Konzessionen an das Volk sind sowohl für Putin wie auch einst für Hitler absolut undenkbar.
Das wahre Ziel Putins wird immer deutlicher, das einzig in einem totalen Sieg besteht – trotz der mageren Gebietsgewinne nach dreieinhalb Jahren, die er nur durch schändliche Bombardierungen von Kindergärten zu übertünchen versucht. Davor hatte Trump sich jahrelang der in mehrfacher Hinsicht eitlen Hoffnung hingegeben, auch in der Ukraine als großer Friedensstifter in die Geschichte eingehen zu können. Solche Hoffnungen haben übrigens auch viele andere internationale Regierungschefs gehegt, als sie – von Macron bis Nehammer – nach Moskau gepilgert waren.
Trump hat nun den geplanten Gipfel mit Putin auf eine zumindest sehr lange Bank geschoben. Er erkennt zunehmend, dass es sinnlos ist, mit Putin zu verhandeln. Das wissen die Ukrainer zwar schon lange. Das wissen die meisten Europäer auch, wo nur noch auf der äußersten Linken und Rechten (wirre oder ideologische oder korrupte) Putin-Sympathisanten zu hören sind. Das erkennt man zunehmend auch in den USA.
Für diese hoffentlich ehrliche – und hoffentlich anhaltende – Erkenntnis eines Irrtums wäre Trump zu loben. Auch wenn sie nicht gerade aus ethischen Überlegungen erfolgt ist, sondern aus der Eitelkeit heraus, keinesfalls als geprellter Dummkopf in die Geschichte eingehen zu wollen.
Jetzt ist aber noch offen, wie sich Trump weiter verhält. Wenn die Europäer schlau sind und psychologisch geschickt, dann packen sie selbst Trump bei seiner Eitelkeit, bevor dies Putin neuerlich versucht. Dann versprechen sie – nicht zuletzt unter Einschluss des entscheidenden Parlaments in Norwegen –, ihm beim Erhalt des Friedensnobelpreises zu helfen, wenn er umgekehrt zusammen mit den Europäern hilft, der Ukraine wieder zur vollen Freiheit und Unabhängigkeit zu verhelfen (beziehungsweise jenen Regionen der Ukraine, wo dies – bei einer sauberen, also auf der früheren Ansässigkeit aufbauenden Volksabstimmung – die Mehrheit der Bevölkerung will). Denn Frieden ohne Freiheit und Unabhängigkeit kann nie ein echter Frieden sein, geschweige denn einer, der den Nobelpreis verdient hätte, oder einer, der Trump eine positive Nachrede in der Geschichte einbrächte.
Für eine solche Strategie würde es freilich auf europäischer Seite kühner und raffinierter Staatsmänner mit politischem Gewicht bedürfen, die in diesem Sinn Trumps Eitelkeit einkochen. Solche Staatsmänner gibt es freilich derzeit weder in Brüssel, noch in Berlin, noch in Paris, noch in Madrid, noch in Warschau, noch in London, um die wichtigsten Plätze zu nennen. Am ehesten gibt es die noch in Rom, wo die kleine Meloni als einzige die große Schläue für einen solchen Schachzug haben dürfte – UND als einzige die dafür ebenso wichtige sichere innenpolitische Mehrheit. Aber Meloni alleine wird es sicher nicht schaffen können, dazu ist Italien zu unbedeutend und überdies wirtschaftlich marod.
Der Versuch, jetzt erstmals zu einem wirklich entschlossenen europäisch-amerikanischen Ukraine-Konsens zu kommen, wäre jedenfalls enorm wichtig und notwendig. Das wäre ein solcher Versuch vor allem schon deshalb, da es für die Europäer, für die Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Heimatländer eine Katastrophe wäre, sollte es hingenommen werden, dass in Europa ein Staat aus welchen Motiven immer ungestraft andere Länder unterjochen oder tranchieren kann – selbst wenn dabei nicht so wirre Motive wie bei Putin im Spiel wären, der davon träumt, wie einst der Zar Peter als Vergrößerer Russlands in die Geschichte einzugehen (das ist ähnlich wirr, wie einst Hitler davon geträumt hat, nach dem an der Wokeness und dem Fehlen eines Verteidigungswillens gescheiterten alten Rom und dem 1806 an seinen inneren Widersprüchen verendeten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ein Drittes Reich errichten zu müssen).
Das kann in entschlossenem Verbund mit den USA weitaus am besten verhindert werden. Daher sollte wirklich alles für dieses zentrale Ziel der Freiheit und Unabhängigkeit Europas getan werden – auch von jenen traumtänzerischen Staaten, die glauben, das gehe sie alles nichts an. Dieses Ziel sollte auf vielen Wegen angestrebt werden:
- Durch den skizzierten Appell an die Eitelkeit des Donald Trump;
- durch Lieferung aller benötigten Waffen an die Ukraine;
- durch massive kollektive Forschung und Entwicklung von Abwehrwaffen gegen angreifende Drohnen und Raketen, wie sie in "Sky Shield" begonnen worden sind;
- durch entschlossenes Vorgehen gegen die russische "Schattenflotte", mit der Putin die internationalen Sanktionen umgeht und seinen Krieg finanziert;
- durch Sanktionen gegen jene Staaten, die Putins Krieg unterstützen (Europa sollte jedoch nur aus diesem Grund Druck auf Drittweltländer ausüben, nicht jedoch wegen eines rotgrünen Lieferketten-Kolonialismus);
- durch Maßnahmen gegen alle Unterstützer des russischen Krieges im Inneren auf gleicher Ebene, wie man ja auch gegen Unterstützer des islamischen Terrorismus vorgeht (was schon deshalb legitim und notwendig wäre, weil Putins Krieg jetzt schon weit mehr Todesopfer als der Islamismus gefordert hat);
- und durch Konfiskation aller russischen Auslandswerte (so wie man im Weltkrieg ja auch die deutschen und japanischen Werte und Besitzungen komplett enteignet hat), um der Ukraine die Finanzierung ihrer Verteidigung zu ermöglichen.
Gewiss, das sind harte Maßnahmen, gewiss kommt es viele Europäer hart an, Trumps oft unsympathische Eitelkeit für die eigene Strategie zu nutzen. Aber solange die Ukrainer dankenswerterweise bereit sind, sich und damit Europa mit dieser Unterstützung zu verteidigen, sollten wir wirklich alle genannten Punkte realisieren, damit nicht am Ende auch noch unsere Soldaten ihr Leben zur Verteidigung unserer Freiheit und Unabhängigkeit opfern müssen, und damit nicht eine noch viel größere Zahl europäischer Zivilisten als Opfer russischer Bomben, Raketen und Drohnen umkommt.
PS: Wenn jemandem davor graut, Trumps Eitelkeit oder die an sich ebenso problematische Enteignung russischen Vermögens zum Erreichen eines viel wichtigeren Ziels einzusetzen, sollte er sich an zwei historische Epochen erinnern: Erstens daran, dass die Briten und Amerikaner sogar ein Bündnis mit der kommunistischen Sowjetunion eingegangen sind, um Hitler als das damals größte Übel der Welt niederzuringen. Und zweitens daran, dass die Amerikaner nicht davor zurückgescheut sind, nach dem Krieg etliche minderbelastete NS-Wissenschaftler und Geheimdienstler im Kalten Krieg in die eigenen Dienste zu nehmen, als Stalins Imperialismus zur weitaus größten Bedrohung der freien Welt geworden ist und halb Europa einer schlimmen Terrorherrschaft unterworfen hat.
