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Die Jungen, die Alten und das liebe Vaterland

Die Jungen, die Alten und das liebe Vaterland

Nicht nur die ÖVP, sondern auch die deutschen Christdemokraten haben gravierende interne Probleme. Während die ÖVP hoffen kann, dass die Turbulenzen infolge der Torheiten des Harald Mahrer nach dessen Rücktritt langsam wieder in Vergessenheit geraten und der alte Konflikt zwischen Industrie und Wirtschaftskammer zumindest eine Zeit lang abebben könnte, hat sie keine Chance, dass ihr jene Konfliktthemen, die derzeit die CDU zu zerreißen drohen, erspart bleiben. Dabei geht es da wie dort um zwei zentrale Probleme: Die Interessensgegensätze zwischen Alt und Jung einerseits wie andererseits die Frage, wie lange es bürgerliche Wähler aushalten, eine Koalition mit irgendwo im 19. Jahrhundert steckengebliebenen Sozialdemokraten zu ertragen, die ständig den Kopf in den Sand stecken.

Denn von der Migrationsfrage über die unfinanzierbaren Exzesse des Wohlfahrtsstaates bis zur Wirtschaftspolitik gibt es praktisch nichts, was die liberalkonservativen Christdemokraten grundsätzlich mit den Sozialdemokraten gemein hätten. In Deutschland gibt es zwischen Schwarz und Rot wenigstens einen grundsätzlichen Konsens in Sachen Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik. In Österreich gibt es nicht einmal den, da tun die Sozialdemokraten allen Ernstes – so wie die FPÖ – noch immer so, als ob die Neutralität irgendeinen positiven Nutzen zur Erhaltung der österreichischen Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit hätte.

Das Problem einer Koalition ist aber, dass viele schlechte Berater den Akteuren einreden, dass eine Regierung möglichst Konsens ausstrahlen soll. Daher werden die grundlegenden Differenzen einfach unter den Teppich gekehrt. Das schadet aber sowohl Rot wie Schwarz. Denn in einer verlogenen Kompromisswelt hat keine Partei die Chance, laut und kräftig das zu zeigen, wofür sie eigentlich steht. Ihre Minister können verwalten, können in Brüssel Gesetze mitbeschließen. Aber Identität vor den Wählern erringen sie dadurch keine. Jeder Wähler ärgert sich vor allem über die Regierungspolitik, über die Politik der anderen Regierungsparteien und kann kaum das erkennen, wofür die von ihm gewählte Partei eigentlich noch ist. Und oft vergessen es die Parteien selber.

Kein Wähler wählt den Kompromiss (höchstens der jetzige österreichische Bundespräsident, der ihn so preist), sondern er wählt immer klare Positionen und Persönlichkeiten.

Nach den Umfragen haben Schwarz-Rot weder in Deutschland noch in Österreich eine Mehrheit. Jene, die links denken, fühlen sich von Kommunisten und Grünen angezogen. Jene, die rechts denken (also da wie dort die Mehrheit), denken immer öfter über einen Wechsel zu den Blauen nach, also zu AfD oder FPÖ. Sie fühlen sich von allzuviel Sozialdemokratie in fast allen grundlegenden Politikfeldern abgestoßen.

Würde die FPÖ von ihrem russlandfreundlichen Kurs abgehen, was die AfD weitgehend – bis auf einzelne Irrläufer – schon getan hat, würde sie als Folge bald einer absoluten Mehrheit zusteuern.

Aber ÖVP wie CDU/CSU haben auch genug interne Probleme. Das eine sind die negativen Nachrichten rund um die Stichwörter Harald Mahrer und WKO. Die deutsche Union wiederum steht wegen schwerer Konflikte zwischen Parteiführung und einem Teil der eigenen Abgeordneten schlecht da. Und auch da ist die eindeutige Ursache die Tatsache, dass CDU/CSU in der Regierung mit den Sozialdemokraten steht, was für bürgerliche Wähler immer unerträglicher geworden ist.

Zuerst haben Unionsabgeordnete der Parteiführung den Gehorsam bei der Bestellung einer (vereinbarungsgemäß von der SPD vorgeschlagenen) Verfassungsrichterin verweigert, die insbesondere wegen ihrer Haltung zur Abtreibung für wertorientierte Wähler inakzeptabel ist. Und jetzt ist ein noch heftigerer Krieg ausgebrochen, weil die Regierung auf Wunsch der SPD ein großes Paket zur Rente, wie in Deutschland die Pension heißt, beschlossen hat. Dieses Paket muss aber nun noch durch den Bundestag, wo eine Gruppe der "Jungen Union" angekündigt hat, dem Paket nicht zuzustimmen. Und die Gruppe ist so groß, dass ohne sie die schwarz-rote Koalition keine Mehrheit hat. Die Ablehnung würde wohl vorverlegte Neuwahlen bedeuten.

Die Junge Union fürchtet mit gutem Grund und dramatischen Zahlen, dass durch dieses Paket eine untragbare Bürde für die nächste Generation entsteht. Sie sieht nach 2031 eine Last von 120 Milliarden Euro auf die Beitragszahler – also eben primär die Jüngeren – zukommen. Es geht um das Auslaufen einer komplizierten, aber befristeten Formel, die festlegt, dass die Rente eines voll Beiträge zahlenden Durchschnittsverdieners 48 Prozent des Bruttogehalts nicht unterschreiten darf. Auf Grund der immer schlechter werdenden Relation zwischen Pensionisten und Beitragszahlern geht sich das aber nicht mehr aus. Die Regierung will dennoch an den 48 Prozent festhalten und sie bis 2031 garantieren.

Parteichef Friedrich Merz beruft sich auf eine Vereinbarung des Koalitionspaktes. Die Junge Union – und viele Wirtschaftsexperten – verweisen darauf, dass nur eine Rückkehr zum früher gesetzlich geltenden Nachhaltigkeitsfaktor dauerhaft lebensfähig wäre, der das Zahlenverhältnis von Einzahlenden und Kassierenden berücksichtigt. Parteichef Merz ist jedoch überzeugt, die Stimmen der Rentner seien für seine Partei überlebenswichtig und er würde viele davon verlieren.

Letztlich geht es wie in fast allen Ländern darum, dass die Menschen zwar dank der Medizin länger leben, dass sie aber bei Beibehaltung der bisherigen Systeme länger Pensionszahlungen kassieren, die durch nichts finanziert sind.

Es ist bezeichnend, dass sich nun auch schon Wirtschaftsministerin Katharina Reiche – die auch sonst immer mehr an Profil gewinnt – ganz auf die Seite der aufbegehrenden Jungen gestellt hat, die wissen, dass das mittelfristig eine Katastrophe wird.

In der ÖVP ist der unausweichliche Konflikt um dieses Thema vorerst noch verhindert worden, obwohl Österreich vor der gleichen Katastrophe steht. Aber in der ÖVP gibt es noch keine Gruppe, die ähnlichen Mumm zum Aufbegehren hätte.

In Deutschland hingegen kreuzt sich diese Frage voll mit einem zweiten existenziellen Problem: Das ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht angesichts des aggressiven Verhaltens der Russen und der wachsenden Gefahr durch den Islamismus. Daher wurde nun ein System beschlossen, demzufolge sich die jungen Männer-Jahrgänge wieder einer Musterung unterziehen und einen ausführlichen Fragebogen beantworten müssen. Deutschland hatte ja unter Merkel die Wehrpflicht abgeschafft. Zwar wird diese nicht formell wieder eingeführt, aber Musterung und Fragebogen sind eindeutig eine Vorbereitung zu ihrer Rückkehr. Gleichzeitig wird auch schon ein Los-System vorbereitet, wenn auch noch nicht in Kraft gesetzt, das gegebenenfalls leicht und schnell zu einer echten Aufstockung der Bundeswehr führen könnte.

In Österreich hat man das nicht notwendig. Da ist die Wehrpflicht ja nicht abgeschafft worden. Allerdings hat auch das österreichische Bundesheer wachsende Personalprobleme und steckt international ohne Schutz durch ein Bündnis in einer noch viel gefährlicheren Situation. Das österreichische Bundesheer ist aber trotz  Präsenzdienstpflicht auf Grund der Kürze des sechsmonatigen Wehrdienstes und der massenweisen Abwanderung autochthoner Österreicher in den Zivildienst (während türkisch-stämmige Wehrdiener im Bundesheer eine immer bedeutendere Rolle spielen, die aber für Österreichs Sicherheit vor allem gegen islamistische Bedrohungen kein sehr verlässlicher Schutz sind) nur noch ein Schatten einer Landesverteidigung.

Daher berät auch in Österreich in aller Stille eine Reformkommission über notwendige  Reformen des Wehrdienstes. Angesichts der Abhängigkeit von der SPÖ wird da aber nicht viel herauskommen, außer maximal einer kleinen Verlängerung des Dienstes und einer Rückkehr zu mehr Milizübungen.

Die zentrale Frage wird aber mit Sicherheit nicht angeschnitten – weder in Deutschland noch in Österreich: Das ist die Einführung einer Dienstpflicht auch für junge Frauen. Nur so ließe sich das Problem lösen. Dazu ist die politische Klasse aber noch immer viel zu feige. Dabei wäre das eine logische Folge der Gleichberechtigung. Dabei wäre das für die Landesverteidigung ebenso wie für das kollabierende Pflegesystem die letzte Chance.

Die Wehrpflicht-Frage kann man in Wahrheit – wenn auch nicht direkt miteinander verbunden – nicht von der Pensionsfrage trennen: Denn beide Male geht es um eine Frontstellung Alt gegen Jung – auch wenn die Erhöhung des Pensionsantrittsalters in Wahrheit voll im Interesse jener liegt, die schon in Pension sind; es geht da ja nur um die Interessen jener, die in den nächsten Jahren das bisherige Pensionsalter erreichen werden.

Der gemeinsame Nenner: In beiden zentralen Fragen fordert eine Mehrheit der Alten von den Jungen zusätzliche gravierende Opfer. Zum einen sollen sie mehr für die Landesverteidigung tun, was natürlich auch die Sicherheit der Alten, der Babyboomer-Generation, erhöht. Zum anderen sollen die Jüngeren immer mehr Beiträge oder Steuern zahlen oder noch mehr Schulden auf sich nehmen, damit die ältere Generation im Schnitt knapp nach dem 60. Geburtstag in Pension gehen und das Leben zwischen Mallorca und den Malediven, zwischen Tennisplatz und Nobelskigebieten genießen kann.

Auch wenn man selber der Babyboomergeneration angehört, auch wenn vorerst ein Teil der Jungen alle Probleme mit flotten Frust-Sprüchen ignoriert: "Für uns gibt's eh keine Pension mehr", kann man den wachsenden Unmut der besser nachdenkenden Jungen sehr gut verstehen.

Das sollten auch politische Entscheidungsträger tun. Dabei gibt es in diesem Generationsdilemma keinen billigen Kompromiss, aber eine logische Lösung. Die heißt auf der einen Seite: Die  Jungen müssen sich verstärkt mehr um die Landesverteidigung kümmern; und auf der anderen Seite: Viel mehr 70-Jährige sollten noch arbeiten.

Die konkrete Landesverteidigung ist nun einmal ein Job, bei dem man topfit sein musst, das geht für Ältere nicht mehr. Umgekehrt arbeitet der Großteil der Älteren längst in Bürojobs oder im Handel und kann daher zweifellos länger arbeiten. Und auch jemand, der Jahrzehnte am Bau gearbeitet hat, kann im Alter zum Beispiel einen exzellenten Berater in einem Baumarkt abgeben.