Die Niederlande: die wahren Fakten und die klaren Lehren
Es ist geradezu dreist, wie in vielen Medien derzeit das niederländische Wahlergebnis wider alle Fakten zu einem Linksrutsch uminterpretiert wird. Denn dieses Ergebnis bedeutet in Wahrheit geradezu das Gegenteil. Und jedenfalls bringt es in einem durchaus wichtigen EU-Land (das immerhin doppelt so viele Einwohner wie Österreich hat) einige weit über die Niederlande hinausgehende Lehren mit sich.
Das ist also ein klarer Rechtstrend – vor allem aber ein Trend zur rechten Mitte.
Es gehört viel wilde Phantasie – oder hemmungsloses Wunschdenken – dazu, aus diesem Wahlergebnis einen Linkstrend herauslesen zu wollen. Denn der Wahlsieg der Linksliberalen D66 mit plus 11 Prozent (auf nunmehr 17 Prozent) speist sich zum ersten aus Verlusten der beiden sozialistischen Parteien von über 4 Prozentpunkten. Und zum zweiten hat D66 vor allem von der totalen Implosion der linkschristlichen NSC-Partei des Pieter Omtzigt profitiert, die nur eine Periode lang mit 13 Prozent Stimmenanteil und viel Medienunterstützung relevant und in der jetzt gescheiterten Regierung der linke Gegenspieler der Wilders-Partei gewesen ist, die jetzt aber nur noch 0,4 Prozent bekommen hat.
Zusammen haben D66 und die beiden sozialistischen Parteien weniger als 32 Prozent Unterstützung. Daraus die Behauptung abzuleiten, die Niederlande würden sich nach links bewegen, ist kühn. Das einzige, was man daraus ableiten kann, ist neben einem Trend zu Mitte-Rechts ein klarer Dämpfer für Wilders, dessen Partei bisher führend an der Regierung beteiligt gewesen ist (auch wenn Wilders selbst kein Regierungsamt hatte), der aber nach nur zwei Jahren die Regierung gesprengt hat, weil er sich nicht durchsetzen konnte.
Damit sind wir bei den vielen hochinteressanten Lehren und Parallelen des niederländischen Wahlergebnisses.
- Wilders ist in vielem mit den zwei FPÖ-Politikern Jörg Haider und Herbert Kickl vergleichbar, nicht nur deshalb, weil sie beide dem gleichen ideologischen Lager angehören. Allen dreien ist auch gemeinsam, dass sie sehr gut Wahltriumphe erringen können, dass sie aber beim Regieren scheitern. Ganz ähnlich wie Wilders jetzt hat Haider im Jahr 2002 (Stichwort Knittelfeld) die von ihm wesentlich mitbestimmte Regierung – der er aber ebenfalls, so wie Wilders, nicht angehört hatte – gesprengt, als er sich inhaltlich nicht durchsetzen konnte. Ganz ähnlich hat auch Kickl ohne Grund im letzten Winter die Koalitionsverhandlungen gesprengt, bevor es überhaupt zu einer Koalition gekommen ist.
- So lange Massenmigration und Islamisierung ähnlich bedrohlich sind wie heute, oder sogar immer bedrohlicher werden, so lange kann in praktisch sämtlichen Staaten Europas die Linke versuchen, was sie will – etwa durch Verschiebung von Sozialisten und Grünen zu Linksliberalen –, sie wird kollektiv nie mehr mehrheitsfähig werden. Auch in den letzten größeren Demokratien Europas, die noch einen linken Regierungschef haben, also in Spanien und Großbritannien, sind deren Tage an der Macht laut übereinstimmenden und deutlichen Umfragen eindeutig gezählt.
- Die Linke hat nur noch dort Chancen, wo eingebürgerte Migranten schon die Wahlergebnisse dominieren können: Siehe die Metropolen London und vielleicht schon in den nächsten Stunden auch New York, wo jeweils ein linksradikaler Muslim das Bürgermeister-Amt erobert hat beziehungsweise vor dessen Eroberung steht.
- Die Entwicklung in vielen großen Städten ist überall ähnlich: Große Teile des Bürgertum sind in die umliegenden Vororte übersiedelt und pendeln nur noch zur Arbeit in die Stadt (diese Entwicklung ist ja etwa auch aus Wien und Umgebung sehr gut bekannt). Das gibt den Städten oft linke Bürgermeister, was nichts am Gesamttrend ändert.
- Umgekehrt könnten in den Niederlanden wie in vielen anderen Ländern die Rechts- und Mitte-Rechts-Parteien problemlos die Regierung bilden, würden sie die Botschaft der Wähler akzeptieren. Dazu dürften sie in den Niederlanden aber nicht bereit sein. Das haben hingegen in Italien die drei Rechtsparteien – zumindest bisher – brillant zusammengebracht.
- Für die sich eigentlich als zwingend und logisch ergebende Wiederholung dieses italienischen Modells in all jenen Fällen, wo sich auch in anderen Ländern einige Parteien über die fundamentalen Ziele einig sind, wie es derzeit überall vor allem ein Stopp der Islamisierung und ein Stopp der Migration sind, gibt es freilich ein paar Schwellen zu überwinden:
- Es darf keine allzu dominanten Egos wie Wilders oder Kickl geben, die durch ihren Ich-bezogenen Charakter alles kaputt machen.
- Es hat sich zumindest in Italien als entscheidend erwiesen, dass man schon VOR den Wahlen den Wählern Klartext sagt, dass diese drei (oder zwei oder vier …) Parteien nach der Wahl die Regierung bilden werden, sollten sie die Mehrheit haben, und dass dabei jener der Chef sein wird, dessen Partei bei der Wahl die meisten Stimmen bekommt.
- Keine der mitmachenden Parteien sollte sich durch den unweigerlichen Druck der Linken und der von ihr dominierten Medien beirren lassen, dass irgendeiner der anderen, die gleichen Grundziele ansteuernden Partner inakzeptabel wäre, dass er ein Faschist wäre (wie es in Italien in Hinblick auf Meloni versucht worden ist) oder dass gegen ihn eine Brandmauer errichtet werden müsste (wie es in Deutschland bisher mit Erfolg in Hinblick auf die AfD geschehen ist).
- Naturgemäß wird sich wie bei jeder anderen Koalitionsentscheidung erst nachher in der Regierungspraxis zeigen, ob der solcherart fixierte Regierungschef auch gut für das Amt geeignet ist, ob er versteht, die Herde zusammenzuhalten, und ob er nicht versucht, die Koalitionspartner zu demütigen, wie es in Österreich einst die Herren Klima und Faymann getan haben. Nicht jedes Land kann so ein Glück haben wie die Italiener mit Giorgia Meloni.
- Eine ganz andere, aber für die gesamte politische Landschaft wichtige Lehre ist die (neuerliche) Erkenntnis, dass Wahlsysteme, die auch Kleinstparteien den Einzug ins Parlament ermöglichen, für das Funktionieren einer Demokratie eine Katastrophe sind. In den Niederlanden rangieren hinter 14 relativ größeren Parteien noch zahllose andere Kleinstparteien, die weniger als 0,4 Prozent errungen haben. Diese Kleinstparteien sind aber aufsummiert sehr groß: Sie liegen sowohl bei den Parlamentssitzen, die auch sie bekommen, wie bei ihren fast 15 Stimmprozenten zusammengerechnet knapp hinter den Linksliberalen D66 und der Wilderspartei (jeweils nicht ganz 17 Prozent) an dritter Stelle.
- Das lehrt: Ein minderheitenfreundliches Wahlsystem ist negativ für eine gut funktionierende Demokratie. In einem solchen System kommt es selten zu stabilen Regierungen. In einem solchen System entwickeln sich skurrile Parteien, die ganz auf ein Einzelthema ausgerichtet sind. So tritt in den Niederlanden eine Partei für die Einführung von Tierrechten ein und hat dafür immerhin 2 Prozent Unterstützung der Wähler bekommen. Dabei sind diese Wähler zweifellos in vielen anderen und zum Teil wichtigeren Fragen oft ganz unterschiedlicher Meinung.
- Positiv wäre gerade auch für solche Einzelanliegen die direkte Demokratie. Da können dann die Tierschützer für ihr Anliegen – vielleicht – die Unterstützung einer Mehrheit bekommen. Dann bräuchten sich nicht Menschen mit sonst total unterschiedlichen Positionen in der Wahlzelle zur selben Partei bekennen. Und gleichzeitig könnten die Parlamente besser geeignet sein, effiziente Regierungen hervorzubringen.
PS: Noch eine kleine Nachbemerkung zu den Niederländern: Sie werden wegen ihrer hohen Radfahrintensität von Linken ständig als grünes Musterland hingestellt. Dabei waren sie schon lange vor der grünen Klimahysterie begeisterte Radfahrer. Wie es auch die Österreicher wären, würden sie einem ebenso flachen Land leben mit einem ebenso atlantischen Klima, also mit milden Wintern und kühlen Sommern.
