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Pilnacek oder das Unrecht im Rechtsstaat

Pilnacek oder das Unrecht im Rechtsstaat

Der bevorstehende Pilnacek-Untersuchungsausschuss wird zweifellos eine der spannendsten Etappen in der österreichischen Justizgeschichte werden – freilich nur dann, wenn es der ÖVP gelingt, sich juristisch besser aufzustellen als bei den letzten Ausschüssen. Zwar ist der Ausschuss von der FPÖ verlangt worden, aber in Wahrheit müsste es dringend um die wirklich fundamentalen Probleme und Skandale in der Strafjustiz gehen. Die  FPÖ hingegen hat bisher ja leider offensichtlich nichts in der Hand als die skurrilen Verschwörungstheorien des Peter Pilz, die völlig beweisfrei darauf hinauslaufen, dass die ÖVP den ums Leben gekommenen Sektionschef Christian Pilnacek ermordet hätte, weil er irgendetwas Belastendes über die Schwarzen gewusst hätte. Diese Story verkauft sich vielleicht gut als Krimi – zumindest wenn sie einen seriöseren Autor hätte –, sie wird aber mit 99,9 Prozent Wahrscheinlichkeit auch nach dem Ausschuss ein bloßes Gschichterl der Preisklasse Aluhut-Träger bleiben. Sehr wohl aber dürfte sich gleich bei drei anderen Personengruppen der Puls schon jetzt besorgt erhöhen, weil sie damit rechnen müssen, dass sie und viele andere Zeugen unter Wahrheitspflicht in die Mangel genommen werden.

Als erste trifft das auf Justizminister Anna Sporrer zu. Obwohl nur kurz im Amt, hat sie nämlich einige personelle und eine rechtliche Entscheidung getroffen, die mehr als bedenklich sind. Sie hat vor allem die Untersuchung rund um den Tod des Sektionschefs von der zuständigen niederösterreichischen Staatsanwaltschaft Krems an burgenländische Staatsanwälte übertragen.

Abgesehen davon, dass niemand bisher besondere strafrechtliche Fähigkeiten der burgenländischen Justiz entdeckt hat (so ist dort ein Verfahren wegen der großen Mattersburger Bankpleite höflich ausgedrückt von vielen Seltsamkeiten begleitet gewesen), ist vor allem die Begründung für den Transfer absurd: Jene Polizisten, gegen die Pilz seine wilden Vorwürfe erhebt, seien Niederösterreicher, daher ergäbe es einen schlechten Anschein, wenn eine – örtlich eigentlich eindeutig zuständige – niederösterreichische Staatsanwaltschaft für ein eventuelles Verfahren gegen sie zuständig  wäre.

Sollte sich diese absurde Argumentation durchsetzen, werden sämtliche Zuständigkeitsregeln im österreichischen Rechtssystem auf den Kopf gestellt. Denn dann ist in einer Rechtscausa fast nie mehr jene Staatsanwaltschaft zuständig, die eigentlich territorial zuständig ist. Täter in Tirol kommen halt meist aus Tirol und nicht aus dem Burgenland. Besonders absurd: Für einen eventuellen Prozess ist eindeutig, woran auch Sporrer nichts ändern kann, weiterhin das Gericht in Krems zuständig – falls die Verschwörungstheorien des Peter Pilz jemals zu einem Verfahren führen sollten, was freilich extrem unwahrscheinlich ist.

Der Verdacht gegen Sporrer ist massiv, dass sie den Transfer ins weit entfernte Eisenstadt nur deswegen veranlasst hat, weil sie und ihre ideologischen Freunde sich bei den Burgenländern bessere Chancen und die richtige parteipolitische Einstellung ausgerechnet haben. Eine andere Begründung ist nicht auffindbar.

Darüber hinaus zählt Peter Pilz zumindest indirekt zu ihren ideologischen Freunden. War doch ihr jetziger Ehemann zusammen mit Pilz bei den österreichischen Trotzkisten, einer besonders radikalen kommunistischen Zelle, bei der einst bei Auseinandersetzungen mit der Polizei sehr aktiven "Gruppe Revolutionärer Marxisten". Der eine hat sich in der Folge nach der Studentenrevolutionszeit der Karriere wegen dann zu den Grünen geschlagen, der andere zu den Roten. Was freilich ohnedies nicht gerade ein großer Abstand ist.

Das ist zwar alles noch kein Verbrechen. Das sollte aber für eine auf ein sauberes Image der Justiz und der eigenen Person bedachte Ministerin ein doppelter Grund sein, nur ja nicht in eine Causa einzugreifen, in der Pilz eine so unrühmliche Rolle spielt.

Aber Sporrer, die aus dem Stall der einstigen Kampffeministin Johanna Dohnal stammt, hat auch sonst keinen Hang zur Vorsicht.

So hatte sie eine Zeitlang in ihrem persönlichen Kabinett eine Frau beschäftigt, gegen die wegen Eingriffs in die Geschäftsverteilung am Bundesverwaltungsgericht ermittelt wurde oder noch wird. Vor diesem Gericht ist interessanterweise einst auch das Verfahren wegen der grundlosen Suspendierung von Christian Pilnacek als Sektionschef gelaufen. Und Pilnacek hat auch in seinem Fall eine unsaubere Geschäftsverteilung im Bundesverwaltungsgericht vermutet, weil gegen den zuständigen Richter parallel ein Disziplinarverfahren gelaufen ist, bei dem die (damalige) Justizministerin das letzte Wort hatte. Daher hätte sich eigentlich dieser Richter in einem Verfahren, in dem es eindeutig um die Ministerin und ihre wichtigste Suspendierungsentscheidung – wenn auch nicht formal, so doch politisch – gegangen ist, sofort entschlagen müssen.

Diese an Franz Kafka erinnernde Suspendierung hat den Vollblutjuristen Pilnacek in seinen letzten Lebensmonaten ja in schwere Depressionen gestürzt. Diese Depressionen sind zumindest indirekt wohl auch Mitursache seines Todes durch Selbstmord oder Unfall in den Wachauer Donauauen gewesen (Siehe die Stichwörter: intensiver Alkoholkonsum, Alkoholfahrt, Führerscheinabnahme, Krach mit der Freundin, verzweifelter nächtlicher "Spaziergang" in den finsteren Donauauen). Alle seriösen gerichtsmedizinischen Gutachten sind sich in der Zwischenzeit einig: Es gibt keinerlei Hinweise an der Leiche Pilnaceks, die auf ein Fremdverschulden oder gar einen Mord hindeuten. Auch wenn das Peter Pilz unter Berufung darauf, dass er viele "Tatort"-Sendungen gesehen habe, behauptet ...

Sporrer hat überdies auch direkt aus der umstrittenen WKStA einen Oberstaatsanwalt in ihr persönliches Kabinett geholt, der dort ausgerechnet einer Gruppe angehört hat, die Pilnacek nach einer illegalen Abhörung bei einer Dienstbesprechung angezeigt hat (auch diese Anzeige der Pilnacek-Jäger blieb dann wie so viele erfolglos, hat aber ihr Opfer naturgemäß immer sehr belastet).

Eindeutig sind die Querverbindungen zwischen SPÖ, Sporrer und dem Rechtsanwalt Gabriel Lansky. In dessen Kanzlei arbeitet auch der für seine politische Einstellung seit vielen Jahren bekannte (und deswegen vom ORF immer herangezogene) ehemalige Verfassungsprofessor Heinz Mayer. Pikanterweise hat sich Pilz in seinem Hass-Buch gegen Pilnacek ausdrücklich bei Mayer bedankt, obwohl es darin gar nicht um verfassungsrechtliche Fragen gegangen ist. Besonders pikant ist, dass Lansky aber auch für den aus vielen anderen Verfahren (unter anderem als Informationsdrehscheibe im Buwog-Verfahren) sattsam bekannten Peter Hochegger gearbeitet haben soll, sowie für den inzwischen verstorbenen Wolfgang Rauball, der in die "Sicherung" der Daten des Pilnacek-Computers involviert gewesen ist. Hochegger und Rauball haben dann der WKStA, also den Todfeinden Pilnaceks, den Computer zugespielt. Überdies hat die – echte – Witwe Pilnaceks, die Gerichtspräsidentin List, unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass eine Änderung des Wikipedia-Eintrags von Pilnacek auf die Kanzlei Lansky zurückginge, worin diesem eine ÖVP-Nähe zugeschrieben worden ist.

Auf die Vernehmungen von Sporrer und Lansky unter Wahrheitspflicht darf man daher besonders gespannt sein (aber auch darauf, ob ihnen neben Rot und Grün – was sicher ist – auch Blau und Pink die Mauer machen).

Eine zweite Gruppe, die dem Untersuchungsausschuss mit flauen Gefühlen entgegenblicken muss, ist die sogenannte Kreutner-Kommission, welche die damalige Justizministerin Zadic im Interesse der WKStA mit der (ergebnislos geblieben) Suche nach illegalen Aktionen Pilnaceks und der ÖVP beauftragt hat.

Am meisten Sorgen über den bevorstehenden Ausschuss dürfte man aber in der WKStA selber haben, wenn alle ihre relevanten Mitglieder unter Wahrheitspflicht aussagen müssen. Dabei wird etwa von besonderem Interesse sein, warum sich die WKStA so intensiv für Pilnaceks Computer interessiert hat: Hat man dort etwa Sorge gehabt, der suspendierte Sektionschef habe Material gegen die von ihm – wegen ihrer langsamen und juristisch schwachen Arbeitsweise – immer wieder kritisierte WKStA gesammelt, das man gerne aus der Welt schaffen möchte? Für dieses Motiv gibt es zwar keinen direkten Beweis, aber das Interesse von WKStA, Pilz, Kreutner, Zadic und Sporrer ist praktisch immer völlig gleichlaufend verlaufen und mehr als auffällig.

Besonderes Interesse wird aber auch das sonstige Verhalten der WKStA hervorrufen. Diese ist fast rund um die Uhr auf der Jagd auf ÖVP- und FPÖ-Politiker. Sie unternimmt aber nichts gegen den eindeutig größten Korruptionsfall der Geschichte. Das wären, wie ganz Österreich weiß, die hunderten Millionen Euro aus dem Imperium der Gemeinde Wien, die unter den verschiedensten Titeln an wohlwollende Medien geflossen sind. So gibt es beispielsweise für die Wiener Holding nicht die geringste gerechtfertigte Begründung, für sich zu werben. Sie verkauft weder Produkte noch Dienstleistungen noch kann man sich an der Holding beteiligen – das aber wären die einzigen legalen Rechtfertigungen für die Schaltung von Inseraten durch ein Unternehmen im öffentlichen Eigentum.

Die WKStA wird – wenn der Ausschuss halbwegs sinnvoll sein soll – aber auch eingehende Fragen wegen der überlangen Vorverfahren beantworten müssen, die Pilnacek immer wieder auf juristische Unfähigkeit der dortigen Staatsanwälte zurückgeführt hat. Ebenso wird sie sich wegen der geringen Erfolgsquote der von ihr angestrengten Verfahren rechtfertigen müssen.

Das Allerspannendste rund um die WKStA wird aber die Frage sein: Warum hat sie sich nicht aus allen Verfahren zurückgezogen, die mit Pilnacek zu tun haben? Beziehungsweise: Warum gibt ihr nicht Justizministerin Sporrer eine diesbezügliche Weisung? Nach dem jahrelangen Krieg zwischen WKStA und Pilnacek wäre eine solche geradezu zwingend. Man erinnere sich nur an die Höhe- oder besser gesagt: Tiefpunkte dieses Krieges, die etwa in der gegenseitigen Anzeigenerstattung oder in dem illegalen Tonbandmitschnitt bestanden haben, den die WKStA von einer internen Dienstbesprechung mit Pilnacek angefertigt hatte.

Wer da nicht den Anschein einer massiven Befangenheit der WKStA sieht, muss auf beiden Augen blind sein. Doppelt blind muss Sporrer sein, wenn sie einerseits der Staatsanwaltschaft Krems wegen des Anscheins der Befangenheit die Verfahren gegen niederösterreichische Polizisten entzieht (nur weil Krems halt auch in Niederösterreich liegt), wenn sie aber andererseits trotz des Atomkriegs zwischen Pilnacek und der WKStA keinen Anschein der Befangenheit der WKStA sieht und dieser nicht deswegen alle Verfahren entzieht, die mit Pilnacek zu tun haben.

Man darf auf den Ausschuss gespannt sein und darauf, ob die ÖVP dort den schweren Fehler wieder gutzumachen versteht, eine so weit links stehende Frau als Justizministerin akzeptiert zu haben, statt – insbesondere nach den schlechten Erfahrungen mit Vorgängerin Zadic – auf die Bestellung eines parteiunabhängigen Justizministers zu bestehen. Man darf aber auch gespannt sein, ob man diese so problematischen Staatsanwälte jetzt auch noch durch Schaffung einer Bundestaatsanwaltschaft jeder demokratischen Kontrolle entzieht. Ob man zulässt, dass damit ein Staat im Staat entsteht, der weitaus mächtiger ist als Parlament oder Regierung oder das Volk, von dem einst das Recht ausgegangen – und zu dem es nie zurückgekehrt ist. In der FPÖ-Diktion ist das der Inbegriff eines "Tiefen Staates", vor dem sie immer wieder warnt – dem sie aber nach etlichen Anzeichen jetzt im Ausschuss erst recht die Mauer machen will.

Ich schreibe in regelmäßigen Abständen Kolumnen auf der Nachrichten- und Meinungsplattform Exxpress.