Warning: Illegal string offset 'portraitimage' in /var/www/lweb50/htdocs/science-blog.at/conf.php on line 67
Schafft die Kammern ab!

Schafft die Kammern ab!

Harald Mahrer war noch nie sonderlich geschickt. Jetzt hat er sich wohl endgültig als politischer Elefant im Porzellanladen verstolpert, indem er zuerst für die eigenen Kammerangestellten total unsensible Lohnabschlüsse ausgehandelt hat, die weit über den anderen Branchenabschlüssen liegen, welche von der Kammer selbst mit viel Gejammer über die schlechten Zeiten ausgehandelt worden waren; und indem er dann der Öffentlichkeit die Verschiebung dieser Lohnerhöhungen um ein halbes Jahr mit einem Gauklertrick als eine Halbierung zu verkaufen versucht hat, obwohl sie betragsmäßig gleich bleiben. Das allergrößte Problem für die 700.000 WKO-Mitglieder ist aber gar nicht das Problem eines schwachen Präsidenten und auch nicht die Frage, ob die Bezüge der Kammerangestellten jetzt um 4,2 oder 2,1 Prozent erhöht werden. Das zentrale Problem ist vielmehr das gleiche wie für die Mitglieder der Arbeiterkammer: Weder die 4 Millionen da, noch die 700.000 dort brauchen diese beiden Kammern überhaupt. Diese sind beide schlicht überflüssig.

Sie sind beide im Grund strategische Hilfstruppen von Schwarz und Rot. Sie sind mit ihrer Pflichtmitgliedschaft international Unikate. In Zeiten, wo die Europäer durch die Energieknappheit unter enormen Druck geraten sind, wo die Preise gefährlich hoch sind, wo der weitaus wichtigste Handelspartner, also Deutschland, durch die linke Ampelkoalition und die Abschaltung der Atomkraftwerke in schwere Turbulenzen geraten ist, wo Donald Trump der weltweiten Wirtschaft durch seine Zölle schwerst schadet, wo China den (von Europa verschlafenen) Zugang zu seltenen Metallen als willkürliches politisches Druckinstrument einsetzt, wo Russlands Diktator Eroberungskriege führt und wie einst Napoleon oder Hitler ganz Europa bedroht – in solchen Zeiten muss wirklich jeder Euro sorgfältig umgedreht werden.

Da müssen vor allem sinnlose Ausgaben, sinnlose Regeln, sinnlose Organisationen radikal abgespeckt oder abgeschafft werden. Wie die Wirtschaftskammer, wie die Arbeiterkammer.

Besonders sinnlos ist die Arbeiterkammer. Denn das Bisschen, was sie für Arbeitnehmer eventuell machen könnte, kann die Gewerkschaft genauso. Lohnverhandlungen schließt überhaupt nur die Gewerkschaft ab. Keiner der Arbeitnehmer kann daher verstehen, wozu es dann noch eine eigene Arbeiterkammer braucht. Diese ist im Grund ein Relikt aus der Steinzeit. Diese zapft ihm noch immer jeden Monat heimlich still und leise ein saftiges Stück seines Gehaltes ab (– auch wenn der Arbeiterkammer-Beitrag nicht am Lohnzettel ausgewiesen wird).

Arbeiterkammern passen vielleicht in einen Ständestaat, aber nicht in die postindustrielle Welt der Künstlichen Intelligenz. Man kann Ausländern gar nicht erklären, warum Arbeitnehmer in Österreich neben überdurchschnittlich hohen Steuern auch noch die Pflichtmitgliedschaft in einer Arbeiterkammer zahlen müssen.

Ganz Ähnliches trifft auf die Wirtschaftskammer zu. Sie verkörpert noch dazu eine besonders schädliche, dumme und überholte Einrichtung: die Gewerbeordnung. Diese lässt im Grund noch immer wie in der mittelalterlichen Zunftperiode Konkurrenten darüber entscheiden, wer unter welchen Voraussetzungen ein Gewerbe ausüben darf. Dabei gibt es natürlich für jede gewerbliche Tätigkeit ohnedies Regeln durch Bund und Länder, die Hygiene, Sicherheit, Umweltschutz oder öffentliche Ordnung sicherstellen sollen. Dabei sollten in einer freien Marktwirtschaft vor allem die Kunden, also der Markt, über ein Unternehmen entscheiden, nicht der Staat.

Die Wirtschaftskammer verhandelt zwar mit der Gewerkschaft die Kollektivverträge. Aber das könnten auf der Arbeitgeberseite wie in anderen Ländern genauso gut freiwillige Branchenverbände machen, die ihre Mitglieder vertreten und nicht deren Vorgesetzter zu sein versuchen. Ein solcher freiwilliger Verband ist etwa die Industriellenvereinigung – von der ja, so wie jetzt, auch immer wieder Nadelstiche gegen die WKO gesetzt werden.

Die Wirtschaftskammer hat nur einen einzigen wertvollen, für die österreichische Volkswirtschaft wirklich wichtigen Bereich: Das ist das Netz der Außenhandelsstellen. Diese haben eine hohe Effizienz. Sie helfen österreichischen Exporteuren, wenn diese im Ausland Probleme haben. Sie helfen heimischen Unternehmen, neue Märkte zu entdecken. Sie sind oft effizienter als die allzu tief im protokollarischen Mief steckengebliebenen Botschaften. Diese Außenhandelsstellen sollten keineswegs gefährdet werden. Nachdem die echten Exporteure aber ohnedies immer Industriebetriebe sind, wäre es eine sinnvolle Lösung, wenn gleich die Industriellenvereinigung die Außenhandelsstellen übernähme.

Sonstige relevante Leistungen der WKO sind mir bisher ebenso wenig wie sinnvolle Leistungen der Arbeiterkammer aufgefallen. In den 80er Jahren war die Wirtschaftskammer sogar ein negativer Faktor. Damals hat sie aus Angst um ihre eigenen Privilegien hinter den Kulissen heftig gegen einen EU-Beitritt polemisiert.

Die Streichung der Pflichtmitgliedschaften in diesen beiden Kammern (1) wäre ebenso wie die Abschaffung der ORF-Zwangsbeiträge (2), ebenso wie eine spürbare Erhöhung des Pensionsantrittsalters (3) und eine Reduktion der derzeit  zehn verschiedenen Gesetzgeber auf einen einzigen (4) geradezu der Inbegriff der so dringend notwendigen Strukturreformen.

Es gibt jedenfalls kein Interview, keine Rede eines Wirtschaftsforschers, wo dieser nicht betont, wie dringend notwendig Strukturreformen eigentlich sind. Die Wirtschaftsforscher sind nur alle zu feig (und zum Teil auch abhängig), um die Dinge öffentlich beim Namen zu nennen. Das tun sie immer nur hinter vorgehaltener Hand.

Es sind im Grund immer diese vier Dinge, die man zur Antwort bekommt, wenn man danach fragt, was Österreich wirklich aus der Krise helfen könnte. Aber man kann wetten, dass noch lange kein einziges dieser vier wirklich substantiellen Dinge passieren wird. Es bräuchte einen großen Reformer mit der Motorsäge, der all das in Angriff nimmt. Der ist aber weit und breit nicht in Sicht.

PS: Die kleinen Kammern wie die Notar- oder Ärztekammer sind etwas anderes. Sie haben echte Aufgaben von den Pensionssystemen über das Treuhandbuch und die Disziplinarjudikatur bis zur sachkundigen Gestaltung der eigenen Rechtsbereiche. Sie sind ein Beitrag zu einer Gesellschaft, in der es wenigstens noch ein paar vom Staat freie Bereiche gibt. Sie sind auch keine versteckten Partei(finanzierungs)organisationen. Sie sind keine überflüssige Verdoppelung zu starken anderen Organisationen wie Gewerkschaft oder Industriellenvereinigung und Gewerbeverbände. Sie sollten daher überleben und den eigenen Bereich in freier Selbstorganisation regeln – solange die Mehrheit der Mitglieder das so will. Eine solche Abstimmung unter den Mitgliedern würde hingegen bei der Wirtschaftskammer mit Wahrscheinlichkeit und bei der Arbeiterkammer mit hoher Sicherheit gegen die Pflichtmitgliedschaft und die Zwangsbeiträge ausfallen.

Und beim ORF mit absoluter Sicherheit …