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Übler Postenschacher – aber niemanden stört es

Übler Postenschacher – aber niemanden stört es

Der Vorfall ist eine Woche her. Und seither warte ich vergeblich auf einen Hauch eines Protestes der Medien oder auf ein Aktivwerden der sogenannten Korruptionsstaatsanwaltschaft. Doch alles ist ruhig im Staate Österreich. Dabei wäre eigentlich vor allem von jenen eine Reaktion angebracht gewesen, die sich über den Fall Wöginger maßlos erregt und darin einen unglaublichen Skandal geortet haben, obwohl Wöginger  genau das getan hat, was wohl fast alle Abgeordnete von Regierungsparteien dieser oder früherer Koalitionen schon gemacht haben.

Zur Erinnerung: Der ÖVP-Klubobmann hatte – natürlich – von der WKStA ein noch immer nicht beendetes Monsterverfahren angehängt bekommen, das sein Image zertrümmert und seine politische Karriere wahrscheinlich beendet hat. Anlass: Er hatte zugunsten eines Parteifreundes, der Leiter eines Provinzfinanzamtes werden wollte, einen Parteifreund im Finanzministerium angerufen und gefragt, ob dieser nichts für den Bewerber tun könne. Der Mann im Ministerium tat wie erbeten und instruierte die – eigentlich weisungsfreie und daher in Wahrheit als einzige schuldige – Bestellungskommission; der Bewerber bekam den Job; die Republik musste einer anderen Kandidatin Schadenersatz zahlen, weil diese noch besser qualifiziert gewesen wäre.

Vor einer Woche hat nun ein SPÖ-Minister eine ehemalige SPÖ-Ministerin zur Leiterin der gesamten Bundestheater-Holding gemacht, nachdem eine Findungskommission mit einem weiteren SPÖ-Exminister als wichtigstem Mitglied ihm dies "vorgeschlagen" hatte.

Da kann man nur sagen: Finde den Unterschied.

Nun, es gibt in Wahrheit sogar zehn Unterschiede – die aber alle den Fall Babler-Scholten-Hammerschmid zu einem viel größeren Skandal machen, als der Fall Wöginger ist:

  1. Die Bundestheater-Holding ist hunderte Mal wichtiger als die Leitung eines kleinen Finanzamtes. Zu ihr gehören die alljährlich mit hunderten Millionen Steuergeld subventionierten Wiener Staatstheater, also Staatsoper (samt Nebenbühnen), Burgtheater (samt Nebenbühnen wie etwa dem Akademietheater) und Volksoper, sowie diverse zugehörige Dienstleistungen wie die Bühnenbild- und Kostümwerkstätten. Insbesondere die Leiterin der Volksoper wäre übrigens längst dringend ablösereif. Sie wird aber nicht, weil sie statt der dort früher üblichen Operetten und Musicals ideologische Produktionen spielen lässt, die der Partei gefallen (und damit den Zuschauerraum erfolgreich leert).
  2. Der avancierte Parteifreund Wögingers war schon vorher Beamter der Finanzverwaltung, also an sich duchaus qualifiziert für die neue Position. Die an die Spitze der Bundestheater vorrückende SPÖ-Exministerin hat hingegen noch nie etwas mit Theater, geschweige denn Burg und Oper zu tun gehabt (außer sich hoffentlich hie und da ein Ticket gekauft zu haben – das aber tun alljährlich Hunderttausende andere Österreicher auch, die deswegen trotzdem nicht Bundestheaterchef werden wollen).
  3. Sie ist vielmehr Molekularbiologin, war einst Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität und hat dann ein paar Aufsichtsrats-Funktionen in Museen gehabt. In der Ausschreibung war jedoch Erfahrung in der "Führung"(!) einer Organisation vergleichbarer Komplexität, "vorzugsweise im Kultur-, Theater- bzw. Medienbereich"(!) verlangt gewesen. Aufsichtsrat oder Stiftungsvorstand in einem Museum ist aber alles andere als Führung eines Theaterkonzerns!
  4. Es ist daher mehr als zweifelhaft, ob die Vergabe den Ausschreibungsbedingungen entspricht.
  5. Es gäbe in Wien eine Reihe guter kaufmännischer Theaterchefs von der "Josefstadt" bis zum Schauspielhaus, die gelernt haben, neben dem künstlerischen Leiter auf die Kassa zu schauen und diesen einzubremsen. Sie alle kämen jedenfalls besser für diesen Job in Frage als Bablers Parteifreundin.
  6. Insgesamt gab es 39 Bewerbungen. Wahrscheinlich hat jetzt fast jeder einzelne von ihnen rechtlich auch einen ähnlichen Entschädigungsanspruch, wie ihn die zu kurz gekommene Bewerberin um den Finanzamtsposten bekommen hat. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit waren die meisten von ihnen besser geeignet für die Führung eines Theater- und Opernkonzerns als Sonja Hammerschmid.
  7. Der Fall Wöginger hat riesige Wellen ausgelöst. Dieser Fall löst dennoch fast überhaupt keine kritische Reaktion aus.
  8. Vor allem zeigt sich die Staatsanwaltschaft desinteressiert, die solche öffentlichen Fälle eigentlich von Amtswegen aufgreifen müsste. Sie müsste dies vor allem auch deshalb, weil sie davor den viel harmloseren Fall Wöginger zum Anlass genommen hatte, den oberösterreichischen Politiker zu demolieren, weil sie auch fast jede einzelne Postenbesetzung in der Ära Kurz zum Skandal zu machen versucht hatte.
  9. Das alles kann nur damit zu tun haben, dass es bei Wöginger um einen ÖVP-Politiker geht und bei den Beteiligten im Fall Bundestheater um lauter SPÖ-Politiker.
  10. Oder geht es gar darum, dass sich in Wien niemand gerne mit Theaterleitungen anlegt, weil diese sich ja sonst bei den Frei- und Rezensionskarten rächen könnten? Vor dem Finanzamt Braunau brauchen sich hingegen nur die zu fürchten, die dort wohnen ...

Diese Unterschiede sind ziemlich erstaunlich. Babler und die SPÖ können hingegen nur ein einziges Argument für die Bewerberin Hammerschmid vorbringen, wenn sie nicht von der Partei reden wollen: Das ist das Geschlecht der Bewerberin. Die Frauenbevorzugung ist allerdings für die SPÖ zum obersten aller Prinzipien geworden. Auch wenn das der Rechtsordnung widerspricht.

Ob man damit den Frauen Gutes tut?

All diese Unterschiede fallen erstaunlicherweise aber auch der größten Oppositionspartei, also der FPÖ, nicht auf, die sich sonst über jeden Muckser der Regierung erregt. Oder wollen die Freiheitlichen vielleicht gar deswegen derzeit nicht über einschlägige Probleme reden, weil man gerade über einen von der FPÖ gestellten Volksanwalt Unglaubliches hören muss? Er hat jetzt sein Amt dazu missbraucht, seiner Partei die Vorarbeit für den von der FPÖ einberufenen Untersuchungsausschuss abzunehmen, den sie ausgerechnet auf den abstrusen Verschwörungstheorien des (Ex?)-Trotzkisten und -Sozialisten Peter Pilz rund um den Tod des Sektionschefs Christian Pilnacek aufgebaut hat.

Dieser Ausschuss hängt freilich seit der Vorwoche völlig in der Luft, weil sämtliche Theorien des Herrn Pilz nun von einem Richter nach einem eingehenden, selbst von Pilz als fair bezeichneten Prozess als völlig beweisfreie Erfindung entlarvt worden sind.