Der angezapfte Notgroschen
Die bitter verarmten und knapp vor dem Schuldturm stehenden Eltern haben in einer versteckten Keksdose noch etwas Geld gefunden, das eigentlich als letzter Notgroschen gedacht gewesen ist. Sie kaufen dafür den Kindern ein paar Süßigkeiten zu Weihnachten. So ungefähr würde es in einem Grimm-Märchen lieb und herzergreifend klingen. Wir sprechen jetzt aber nicht von verzweifelten Eltern aus einem Märchen, in denen alles dann immer doch ein Happy-End findet, sondern von der österreichischen Regierung. Bei der ist jedoch das Aufbrauchen eines noch irgendwo gefundenen Notgroschens in Wahrheit nicht herzergreifend. Sondern blöd, besorgniserregend und ohne Aussicht auf Happy-End.
Die rund halbe Milliarde Euro, welche die Strompreissenkung kostet, hat man in Rücklagen von Staatsbetrieben gefunden, wie etwa bei der halbstaatlichen Verbundgesellschaft.
- Rücklagen dienen aber der vernünftigen Vorsorge für künftige unvorhergesehene Risiken. Die werden von jedem vernünftigen Kaufmann gemacht. Die werden auch von etlichen Vorschriften verlangt.
Der Wunsch nach einer Strompreissenkung ist jedoch keine solche unvorhergesehene Notlage. Wenn solchen Risiken künftig wirklich eintreten, dann gibt es halt keine Rücklagen mehr, um sie abzufedern. Dann muss der Staat halt weitere Schulden machen, solange ihm noch jemand Geld borgt – wenn er nicht will, dass der Verbund in Konkurs geht, oder dass der Strompreis erst recht wieder kräftig in die Höhe gehen muss.
- Zweitens reicht die in den diversen Keksdosen gefundene halbe Milliarde genau für ein Jahr. Dann muss der Strompreis wieder steigen oder die Regierung macht ungeplant alljährlich noch mehr Schulden.
- Drittens wäre die für Haushalte angenehme und manche Wirtschaftsbetriebe möglicherweise sogar lebenswichtige Senkung der Elektrizitätsabgabe nur dann volkswirtschaftlich als positiv zu registrieren, würde ihr gleichzeitig eine Senkung der Regierungsausgaben gegenüberstehen.
Davon ist aber keine Rede. Die Einsparungen, die das bemühte Paket des Staatssekretärs Schellhorn mit weitgehend bedeutungslosen Peanut-Maßnahmen bringt, sind minimal. Selbst Schellhorn wagt nicht, sie zu beziffern.
- Viertens sind Steuersenkungen nur dann sinnvoll, wenn sie zu mehr Leistung und Wirtschaftswachstum führen. Das aber ist nur beim Industriestrompreis der Fall. Bei Haushalten nicht. Da sind sie eine reine Konsumsteuer.
Ökonomisch sinnvoll wären immer nur Senkungen der Lohn- und Einkommensteuer. Ökonomisch logisch wären sogar Erhöhungen von Konsumsteuern wie der Mehrwertsteuer – fließt doch weit mehr als die Hälfte der Konsumausgaben ins Ausland! – und eine Senkung der Einkommensteuer mindestens im gleichen Umfang. Nur so kann man zu mehr Leistungsbereitschaft motivieren. Diese Lohn- und Einkommensteuer sollte im Idealfall zu einer Flat Tax verwandelt werden, damit niemand mehr das Gefühl haben kann: "Ein Mehrarbeiten zahlt sich nicht aus, weil da so viel davon eh die Steuer wegfrisst."
- Fünftens ist gerade eine Strompreissenkung für Haushalte gleich aus mehreren Gründen problematisch:
- Sie reduziert die Motivation, Strom zu sparen;
- Strom wird auch in Österreich zu einem Teil aus Gas erzeugt, also aus einer fossilen Energiequelle, bei deren Verbrauch man eigentlich dringend sparen müsste, weil in Bälde für die Höhe unserer CO2-Emissionen hohe EU-Strafen drohen, daher kommt jeder durch Preissenkung ausgelöste Mehrverbrauch von Strom doppelt teuer;
- Anreize zu mehr Stromverbrauch sind auch angesichts der Tatsache, dass Österreich trotz seines Wasserreichtums jedes Jahr aus dem Ausland teuer Strom importieren muss, besonders blöd. Das fällt etwa in Zeiten des Dauernebels auf, in denen weder Wind geht noch Sonne scheint noch nennenswerter Regen gefallen ist, in denen daher trotz aller Milliarden für den Ausbau der "Alternativen" besonders viel Strom importiert werden muss;
- Zumindest für Grüne – deren Partei dem Strompaket ja zugestimmt hat – kommen noch zwei weitere Probleme hinzu: Einerseits widerspricht der höhere Gasverbrauch zur Stromerzeugung ihrem Glauben an die notwendige Planentenrettung; andererseits ist der importierte Strom vor allem Atomstrom, der ja von Grünen besonders gehasst wird.
- Sechstens wäre jeder einzelne Euro tausend Mal klüger eingesetzt, würde die Republik damit Schulden zurückzahlen. Man bedenke nur; Österreich muss allein zur Refinanzierung der alten Schulden, die sich seit Kreiskys Zeiten alljährlich (mit Ausnahme je eines Schüssel- und Kurz-Jahres) immer höher angehäuft haben, ständig neue Schulden aufnehmen.
Dabei zahlt Österreich alleine schon an Zinsen für seine Schulden mehr als fünf Milliarden Euro. Pro Jahr. Und ohne dass sich dadurch die Schulden reduzieren würden. Das sind allein für Zinsen zehnmal so viel, wie jetzt in der Republiks-Keksdose noch einmal an Geld gefunden worden ist.
- Die ganze populistische Aktion ist siebentens vor allem auch deshalb eine der Klasse "Hand in den Mund", weil diese Regierung weiterhin alle Strukturveränderungen vermeidet, die nötig wären, um den in ein paar Jahren drohenden Staatsbankrott zu vermeiden. Um nur ein paar der wichtigsten Maßnahmen beim Namen zu nennen, von denen jede einzelne tausend Mal klüger wäre als das Verjubeln des Notgroschens aus den versteckten Keksdosen:
- An der Spitze der Notwendigkeiten steht zweifellos eine spürbare Erhöhung des Pensionsantrittsalters.
- Dazu würde ebenso eine Zusammenlegung der gesamten Gesundheitsversorgung in eine Hand gehören, samt Hinausdrängen nicht nur der Bundesländer, sondern auch von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer.
- Dazu würde der Mut gehören, medizinisch sinnlose Kleinspitäler zu sperren.
- Dazu würde insbesondere eine spürbare Ambulanzgebühr von etwa 20 Euro gehören, um die Menschen zu den viel billigeren Ordinationen umzulenken.
- Dazu würde die Abschaffung der Witwenrenten für all jene Fälle gehören, in denen es keine Kinder aus dieser Ehe gegeben hat.
- Dazu würde die europapolitische Priorisierung des Kampfes zu erhöhten Ausgaben gehören, zu denen uns die EU und die Judikatur der europäischen Gerichtshöfe zwingt, wie es die massenweise Aufnahme deutscher Gratis-Studenten ist, oder wie es die teure Aufnahme und Nicht-Abschiebung illegaler Migranten und ihrer Familienangehörigen ist.
