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Ukraine: die kurzen Augenblicke der Erleichterung

Ukraine: die kurzen Augenblicke der Erleichterung

Wir können uns wahrscheinlich nur ein paar Augenblicke lang erleichtert darüber freuen, dass die russisch-amerikanischen Gespräche vorerst gescheitert sind, welche die Absicht hatten, über die Köpfe der Ukrainer hinweg – und der Europäer sowieso – die Kapitulation der Ukraine zu fixieren und das Land hilflos, wehrlos und verstümmelt der in wenigen Jahren mit Sicherheit bevorstehenden nächsten russischen Aggression auszusetzen. Es sind aber wohl nur ein paar Augenblicke, die wir uns freuen dürfen. Denn es besteht vorerst nicht allzu große Wahrscheinlichkeit, dass Donald Trump endlich begreift, wie sehr es auch im Interesse der USA wäre, würde diese geschlossen mit den Europäern an der Seite der Ukraine stehen.

Dabei ist eindeutig, dass eine Welt nicht nur widerlich, sondern auch extrem gefährlich ist, in der Staaten andere überfallen können, sich große Teile aus deren Territorium herausreißen können, und dann nach kurzer Zeit vom Rest der Welt wieder mit freundlichem Schulterklopfen als gleichberechtigt aufgenommen werden. Das ist das Gegenteil jener Welt, jener Werte, für welche die amerikanischen Präsidenten Wilson und Roosevelt – freilich mit unterschiedlichen Erfolgen – in zwei Weltkriege gezogen sind. Das ist auch keine Welt, in der sich die USA als einsame Festung wohlfühlen können, wenn ringsum in der Welt wieder ungestraft das Raubrittertum tobt.

Jetzt werden manche einwenden, dass die militärischen Drohungen der USA gegen Venezuela moralisch mit der russischen Invasion gegen die Ukraine vergleichbar sind. Das sind sie aber nicht, unabhängig davon, ob Trump es nur bei militärischen Drohgebärden bewenden lässt oder wirklich militärisch gegen das Maduro-Regime losschlägt. Das sind sie auch dann nicht, wenn es Trump, wie Maduro behauptet, nur um Zugriff auf das venezolanische Öl ginge. Dieser Vorwurf ist freilich ohnedies nicht sehr überzeugend, haben die USA doch ohnedies einen Überschuss an eigenem Öl.

Unabhängig davon ist aber ein Vorgehen gegen Venezuela gerechtfertigt: Denn das sozialistische Regime in Venezuela ist nicht nur durch extrem undemokratische Methoden dank einer massiven Wahlfälschung ins Amt gekommen. Es hat vor allem auch die größte Fluchtkatastrophe der Geschichte des amerikanischen Kontinents ausgelöst. Nach übereinstimmenden Angaben sind 7 bis 8 Millionen Venezolaner aus ihrem Heimatland geflüchtet. Da man in Europa kaum etwas davon mitbekommt, sollte man sich doch eine Vorstellung von der Größenordnung machen: Das sind ziemlich genau doppelt so viel Menschen, wie insgesamt aus Syrien vor dem Assad-Regime geflüchtet sind! Und auch im Falle Syrien war man sich schon aus humanitären Gründen, aber ebenso wegen der Folgen der Massenflucht einig, dass ein Vorgehen gegen Assad ethisch gerechtfertigt ist. Genauso war der (nicht zuletzt von den Amerikanern geführte) Kampf gegen den "Islamischen Staat" zweifellos wegen seiner großen Verbrechen gegen die Menschlichkeit legitim.

Vor dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ist hingegen niemand geflohen (außer ein paar Marionetten-Politiker Russlands Richtung Moskau). Selenskyj ist zum Unterschied von Putin und Maduro auch durch saubere Wahlen ins Amt gekommen. Was Faktum bleibt, auch wenn die russische Invasion samt flächendeckendem Terrorbeschuss derzeit die fälligen Neuwahlen verhindert.

Jene rund 9 Millionen Ukrainer, die geflüchtet sind, sind nicht vor der Kiewer Regierung, sondern vor dem Krieg, vor der russischen Invasion – und ein paar Männer auch vor dem Wehrdienst geflohen. Aus der Ukraine werden mit Gewissheit noch viel mehr Millionen flüchten, sollte diese ganz in die Hände der russischen Diktatur fallen, die ja auch eine ethnische Versklavung und Unterjochung bedeuten. Hingegen würden viele Millionen sofort nach Venezuela zurückkehren, sobald dort das Maduro-Regime gestürzt sein sollte.

Zurück zu den Ukraine-Verhandlungen. Jetzt hängt sehr viel davon ab, wie sich die Stimmung der amerikanischen Wähler weiterentwickelt, wie sich die Stimmung innerhalb der Republikaner entwickelt. Denn bei den Wählern bläst Trump derzeit schon ordentlich viel Gegenwind entgegen. Der ist einerseits durch seine Verwicklung in den Epstein-Skandal entstanden, jenem Prostitutionsring mit sehr jungen Mädchen (die nach amerikanischem Recht noch geschützt wären), den er offensichtlich frequentiert hat. Damit hat Trump etliche Unterstützung bei den bisher treu ergebenen Evangelikalen verloren. Andererseits würde ihm ein Fallenlassen der Ukraine bei einem weiteren Teil seiner Wählerschaft schwer schaden, den Neokonservativen, die bisher immer stolz darauf waren, dass die Amerikaner stets an der Seite freiheitssuchender Nationen gestanden sind. Jedenfalls ist Trumps Beliebtheit seit März im Fallen. Seither wird die Ablehnung seiner Regierung ständig größer als die Zustimmung.

Hinter Trump verbliebe bei einem Fallenlassen der Ukraine nur der isolationistische und zugleich europakritische Teil der US-Bevölkerung. Der wäre nicht mehr ausreichend, um bei den Teilwahlen zum Kongress in elf Monaten wieder eine republikanische Mehrheit in beiden Kongresskammern zu erreichen. Diese Wahlen aber werden jetzt für Trump zunehmend wichtiger. Verlieren die Republikaner dabei, dann würde er nämlich in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit zur wirklich lahmen Ente, die gegen den Kongress nichts mehr durchbrächte. Dann hätte auch ein von ihm gekürter Nachfolger (J.D. Vance?) kaum Chancen.

Genau wegen dieser Wahlen – und wegen seiner infantilen Spekulation auf den Friedensnobelpreis – hätte Trump so gerne den Ukraine-Krieg jetzt beendet, um als großer Friedensstifter dazustehen. Dieser Erfolg wäre ihm aber versalzen, stünde er als Loser da, der einem Diktator wie Putin ein freiheitsliebendes Land opfert. Das scheinen immer mehr Amerikaner angesichts seines Ukraine-Kurses zu fühlen. Das ist mit ihrem nationalen Stolz, stets auf der anständigen Seite der Geschichte gestanden zu sein, nicht vereinbar.

Das jetzige Scheitern eines russisch-amerikanischen Ukraine-Diktats heißt gewiss noch nicht, dass Trump es nicht in Bälde nochmals versuchen wird, sich mit Putin auf Kosten der Ukraine zu einigen. Das aber könnte auch die Stunde der Europäer sein, deren drei größte Staaten klar an der Seite der Ukraine stehen. Vielleicht gelingt es ihnen doch, Trump wieder für die Gemeinsamkeit zu motivieren. Immerhin haben die Europäer zwei Karten in der Hand.

Die eine heißt China. Der ostasiatische Riese ist nicht ganz ohne Grund von Trump als Hauptfeind in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht ins Auge gefasst. Es wäre daher zweifellos sehr hilfreich für die USA, würde auch Europa in koordinierter Form (und übrigens auch im langfristigen Eigeninteresse) die Kontakte mit China bremsen.

Die andere Karte sind die gewaltigen russischen Gelder, die in Europa, vor allem Belgien feststecken. Diese müssten für Waffenlieferungen an die Ukraine losgeeist werden, was schon wegen des Schadenersatzanspruchs für den rechtswidrigen Überfall legitim wäre (und den Belgiern müssten alle rechtlichen Hilfen und Garantien gegeben werden, dass das im Falle russischer Revancheversuche nicht allein zu ihrem Schaden ausgeht). Schließlich hat der Westen im zweiten Weltkrieg natürlich auch alle Auslandsgelder Deutschlands und Japans beschlagnahmt.

Für Europa ist die Ukraine jedenfalls doppelt wichtig: Einerseits eben wegen der Wichtigkeit des Prinzips, dass niemand mehr im 21. Jahrhundert ungestraft ein anderes Land überfallen darf. Und andrerseits, weil EU-Europa trotz einzelner Provokationen (Cyber-Angriffe, Drohnen-Operationen) solange recht sicher vor russischen Angriffen ist, solange Putins Armee in den ukrainischen Schützengräben feststeckt und höchstens millimeterweise vorankommt.

Das ist vor allem dadurch auch moralisch gerechtfertigt, dass die große Mehrheit der Ukrainer ja selbst unbedingt weiterhin für die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Landes kämpfen will – und dafür nur unbedingt westliche Waffen und Gerät braucht.