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Wie geschichtsvergessen kann eine Nation denn werden?

Wie geschichtsvergessen kann eine Nation denn werden?

In letzter Zeit häuften sich die Anlässe, bei denen man sich für das heutige Österreich nur noch genieren kann. Diese Anlässe reichten von der Eröffnung des Koralmtunnels bis zum Umgang mit den wiederaufgetauchten großartigen Juwelen der Familie Habsburg. Diese Anlässe zeigen eine peinliche Haltung, die auch schon früher immer wieder an die Oberfläche getreten ist. Sie lässt sich mit einem Wort als grausliche Geschichtsvergessenheit zusammenfassen.

Die Eröffnung der Koralm-Bahnverbindung wird derzeit von der ganzen Nation gefeiert. Von der ganzen Nation? Nein, nicht von der ganzen. Denn jene, die für den Bau der weitaus größten und wichtigsten Eisenbahnverbindung seit mehr als hundert Jahren die Entscheidung getroffen und damit die Verantwortung getragen haben, wurden weder eingeladen noch auch nur erwähnt.

Das war ganz eindeutig die damalige Regierung Wolfgang Schüssel/Susanne Riess-Passer mit dem Verkehrsminister Hubert Gorbach. Das waren der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und seine steirische Kollegin Waltraud Klasnic. Deren Rolle war umso wichtiger, als der Beschluss damals von enormen Widerständen begleitet gewesen und vielfach schon deshalb auf enorme und hasserfüllte Ablehnung gestoßen ist, weil Gottseibeiuns Haider als wichtigster Betreiber des Projekts gegolten hatte.

Ich gebe zu, auch ich war damals ob der enormen Baukosten ein wenig skeptisch. Waren und sind doch die ÖBB, die sich jetzt hemmunslos des von uns allen finanzierten Projekts berühmen, auch ohne den Koralmbau ein ständiger großer Defizitverursacher. Ich war damals insbesondere der Meinung, dass der Bau des Semmering-Tunnels zwischen Wien und Graz viel wichtiger gewesen wäre, den der damalige niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll mit lächerlichen Argumenten – und zum Schaden der südlichen Bundesländer – zu verhindern versucht und um viele Jahre verzögert hatte, und der daher erst um das Jahr 2030 fertig werden dürfte.

Doch die wahren Väter der Koralmstrecke werden totgeschwiegen, obwohl sie fast alle noch leben und putzmunter sind. Oder zumindest ihre Kinder. Offenbar denken sich die Genossen im heutigen Verkehrsministerium, in den ÖBB und im ORF: Diese dürfen sich ja eh ein Ticket kaufen, um ihr Werk anzuschauen. Es soll aber nur ja kein Gedanke daran aufkommen, wie segensreich die ersten schwarz-blauen Regierungen gewesen sind.

Das passt haargenau auch zum Verhalten des heute absurderweise ausgerechnet für die Kultur zuständigen Traiskirchner Hilfsarbeiters Andreas Babler angesichts des Wiederauftauchens des sagenumwobenen Familienschmucks der letzten Kaiserin Zita. Statt dass die Republik in große Freude darüber ausbricht, dass der Schmuck wieder aufgetaucht ist, dass Zita, Kaiser Karl und ihre Nachfahren den Schmuck nicht trotz Zeiten großer Not versilbert haben, versucht Babler ihn mit Hilfe eines sattsam bekannten Parteihistorikers für die Republik zu rauben.

Da muss man zweifellos aber auch Bundeskanzler Christian Stocker kritisch fragen, warum er nicht dem Vizekanzler kritisch in die Parade gefahren ist. Koalitionstreue kann ja nicht alles sein (und wird vor allem von den Wählern ohnedies nicht belohnt, wie die Umfragen für die Koalitionsparteien zeigen, die seit dem letzten Wahltag zusammen weitere zehn Prozentpunkte verloren haben und tief in die Minderheit geraten sind). Auch wenn die Vorstellung nur fiktiv sein kann, ist sie doch sehr lebhaft, wie anders da geschichtsbewusste österreichische Bundeskanzler von Julius Raab über Josef Klaus bis Bruno Kreisky und Schüssel reagiert hätten.

  • Diese hätten erstens die Causa sofort zur Chefsache erklärt;
  • diese hätten zweitens der Familie für die Bewahrung des Schmuckes gedankt;
  • diese hätten drittens der Familie Abbitte geleistet für die Demütigung durch die sogenannten Habsburger-Gesetze;
  • diese hätten viertens Otto Habsburg ausdrücklich Lob wegen seines unbeirrten Einsatzes in den USA während der Kriegstage für das Wiedererstehen eines unabhängigen Österreichs gezollt;
  • und diese hätten fünftens an die Familie die Einladung gerichtet, den Schmuck als persönliche Dauerleihgabe in der Wiener Schatzkammer auszustellen, wo sie von einer großen Dankesplakette begleitet worden wären.

Gewiss: "Hätten, hätten, wären" klingt alles recht utopisch. Aber von einem anständigeren Österreich zu träumen, ist schließlich nicht verboten.

Ein ehrlicheres Österreich würde sich im Übrigen auch noch an einige andere einstige Bundeskanzler viel positiver erinnern, statt sie einer Damnatio memoriae auszusetzen:

  • an Ignaz Seipel, weil er nach dem ersten Weltkrieg eine wichtige wirtschaftliche Sanierung und Stabilisierung der Währung geschafft hatte;
  • an Engelbert Dollfuß, weil es ihm und dem von ihm geschaffenen Ständestaat zumindest auf fünf Jahre gelungen war, Hitler noch draußen zu halten (und Österreich in dieser Zeit zur Zuflucht vieler großer jüdischer Künstler zu machen); 
  • und an Leopold Figl, weil er, gerade der Todeszelle der Nazis entkommen, den zuletzt so gefeierten Wiederaufbau der Staatsoper sofort trotz großer Not als zentrales Symbol der Republik auf deren Pflichtenliste gesetzt hatte.

Ein geschichtsbewussteres Österreich würde sich aber beispielsweise auch der großen und opfervollen Leistungen erinnern, durch die Wien zweimal aggressive Türkenbelagerungen abgewehrt und damit zumindest für viele Jahrhunderte das Vordringen der osmanischen Moslems nach Mitteleuropa verhindert hatte – statt diese jahrhundertelang die Wiener Vergangenheit krönenden Themen einfach aus der Geschichtsschreibung zu eliminieren, statt sogar Polen daran zu hindern, dass wenigstens  jenes Land in Wien ein Denkmal für König Sobieski, einen der wichtigsten Wien-Befreier, errichten darf.

Wer seine Geschichte nicht mehr kennt, wer sie nicht mehr kennen will, der verliert seine Identität, der wird aber weder aus den "sozialen Medien", noch aus den Machwerken der linken Historiker eine neue gewinnen. Der ist logischerweise auch außerstande, Lehren aus dieser Geschichte zu ziehen.