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Können Atomkraftwerke preiswert gebaut werden?

Können Atomkraftwerke preiswert gebaut werden?

Wenn über Kernkraft Mitteilungen gemacht werden, sind es meist mehr oder weniger Horrormeldungen: Baukosten verdreifacht, Bauzeit 15 Jahre, Endlagerproblem nicht gelöst, teure Stromproduktion, Kernenergie verhindert grüne Energie und so weiter. Als Beispiele dazu werden die neuen Reaktoren in Olkiluoto und Flamanville genannt. Aber vor allem wird das Thema Kernkraft in den meisten Medien vermieden. Leider sind es nicht nur die Medien, die einen Eiertanz um Atomkraft praktizieren, auch auf den Universitäten ist es eher ein Thema, über das man schweigt.

Dass beim Bau des 1600-MW-EPR-Reaktors in Olkiluoto in Finnland beträchtliche Probleme zu verzeichnen waren, wurde des Langen und Breiten viele Male berichtet. Die Bau-Führung von Areva NP (Framatome) kann zu Recht kritisiert werden. Die Kosten erhöhten sich von 3 auf 11 Milliarden, die Bauzeit von 2005 bis 2022 – 17 Jahre – gab Anlass zur Fragestellung, ob Kernkraft wirtschaftlich ist.

Mit dem Bau von Block 3 Olkiluoto können die seit 2022 unerwünschten Stromimporte aus Russland vermieden werden. Der Anteil des Stroms aus Kernkraft stiegt auf etwa 45 % des Bedarfs in Finnland. Mit 32 Tonnen Brennstoff pro Jahr werden 13 TWh Strom erzeugt.

Flamanville in Frankreich, ein anderes Paradestück: Die Baukosten des 3. Kraftwerksblockes wurden mit 3,3 Milliarden Euro veranschlagt, die Gesamtkosten inklusive Rücklagen für Rückbau und Lagerung des Atommülls betrugen schließlich 23,7 Milliarden Euro. Der Testbetrieb wurde 2024 nach 17 Jahren Bauzeit aufgenommen.

Eine Recherche, warum diese exorbitanten Kosten- und Bauzeitüberschreitungen entstehen konnten, würde Seiten füllen. Kurz, mangelnde Planung, Beton- und Stahlqualität, Bauausführung und Schweißnaht-Reparaturen waren wesentliche Ursachen. Zusätzlich wurden Sicherheitsbedenken erhoben. Einsprüche wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden von NGOs, allen voran von Greenpeace, eingelegt.

Doch nun zu anderen, jüngst fertiggestellten Reaktoren, bzw. sich noch im Bau befindlichen:

Haben Sie schon jemals in unseren Medien etwas gelesen über die Atomkraftwerke El Dabaa oder über Barakah? Vergebens wird man in österreichischen Medien nach Informationen über diese Kraftwerke im arabischen Raum suchen.

Deren Geschichte zeigt nämlich, dass sowohl Bauzeiten als auch Kosten dem Vertrag gemäß eingehalten werden können.

Das Atomkraftwerk Barakah in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) besteht aus vier APR-Reaktoren mit je 1400 MW Leistung. Es ist das erste Kernkraftwerk in den VAE. Alle Blöcke befinden sich im kommerziellen Betrieb.

Interessant ist vor allem die Entstehung der Anlage, die zeigt, dass es auch anders, als in Europa vorgeführt wurde, geht. Laut Wikipedia begannen die VAE ab 2008 mit Studien zur Nutzung von Kernkraftwerken und gründeten im Dezember 2009 die Emirates Nuclear Corporation (ENEC).

Im Dezember 2009 gewann ein Konsortium, geführt von dem südkoreanischen Stromversorger KEPCO, die Ausschreibung zum Bau von vier Reaktoren. Der Auftragswert für den Bau und die Inbetriebnahme des Kraftwerks sowie für die Erstversorgung mit Brennelementen liegt bei 20,4 Milliarden Dollar. Die Erzeugungskosten des Stroms aus dem Kernkraftwerk sollen bei einem Viertel derjenigen aus Gaskraftwerken liegen. Die Gesamtkosten des Projekts werden auf 32 Milliarden geschätzt.

Die Grundsteinlegung für das Kraftwerk fand am 17. März 2011 statt. Anfang Mai 2017 wurde bekanntgegeben, dass der Block 1 fertiggestellt war.Reaktorblock 1 wurde am 1. August 2020 erstmals kritisch, am 7. Dezember 2020 erreichte der Reaktor erstmals seine volle Leistung, und am 6. April 2021 begann der kommerzielle Betrieb.

Mit der Errichtung des Block 2, 3 und 4 verhielt es sich ähnlich. Alle vier Blöcke lieferten ab Herbst 2024 Strom.

Ägypten bietet ein weiteres Beispiel für Atomkraft. Russland baut in Ägypten ein Atomkraftwerk mit vier Reaktorblöcken der dritten Generation, von denen der erste bereits 2028 den Betrieb aufnehmen soll. Die Anlage entsteht in El Dabaa an der Mittelmeerküste und wird 4800 MW installierte Leistung haben. Der Bau begann 2022. Rosatom aus Russland wird dazu auch den Brennstoff über die Betriebszeit, die mit 60 Jahren geplant ist, liefern und verpflichtet sich, auch die Abbrände zurückzunehmen. Das löst für Ägypten das Endlagerungsproblem.

Die Finanzierung von 85 Prozent, etwa 25 Milliarden Dollar, kommt aus Russland, und 15 Prozent, etwa 5 Milliarden, werden von Ägypten bereitgestellt.

Russland baut gegenwärtig 10 Atomkraftwerke in Bangladesch, China, Indien, Iran und Türkei. Auch die Bauzeit von sechs Jahren, bis ein Reaktor ans Netz angeschlossen wird, ist bemerkenswert.

China baut gegenwärtig keine Reaktoren in anderen Staaten. Es wird berichtet, dass die Bauzeit für Reaktoren in China 3 bis 5 Jahre beträgt und die Kosten im niedrigen einstelligen Milliardenbereich liegen.

Was kann man daraus schließen?

  • Die Stromkosten sind geringer als jene eines Gaskraftwerkes.
  • Man ist mit dem Bau von Atomkraftwerken besser aufgehoben, wenn man diesen einer koreanischen, chinesischen oder russischen Gesellschaft anvertraut.
  • Der Westen, der einmal im Bau von Reaktoren führend war, hat das Feld dem Osten überlassen.

Und was macht Österreich?

Der Artikel im "Standard" ("Mehr Strom? Build, baby, build!") von Leonhard Schitter, CEO der Energie AG Oberösterreich, ist bezeichnend.

Er argumentiert die hohen Stromkosten mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Man müsste daher die "heimische Energieerzeugung massiv ausbauen und Energiezukäufe diversifizieren".

Die Argumentation Schitters bezieht sich auf einen relativ kurzen Zeitraum.  Die ständig steigenden Stromkosten waren schon lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine vorherzusehen. Nämlich als der Ruf nach dem Ausstieg aus der Kernkraft erfolgte. Das war Jahre bevor Russland den Krieg gegen die Ukraine mit der Annexion der Krim startete. Wohl hatte das preiswerte russische Gas die sich abzeichnenden Verteuerungen der Stromproduktion gedämpft, doch der wesentliche Faktor ist die falsche Energiepolitik, die auch Schitter, weichgebettet auf einem sicheren Versorgungsposten, vertritt. Es müsste allen Herren Managern und Gesetzesmachern klar sein, dass eine dezentrale Energieversorgung zu Teuerungen für den Verbraucher führt, ganz zu schweigen vom Problem der technischen Steuerbarkeit einer fluktuierenden Erzeugung.

Dass der erforderliche zusätzliche Ausbau der Stromübertragungsnetze für eine dezentrale Energieproduktion einen hohen Ressourcenverbrauch verursacht, wird ebenfalls verschwiegen. Dazu zählt neben Stahl und dem strategischen Element Kupfer auch der Verbrauch an Land.

Auch die recht einseitige Abhängigkeit von China im Hinblick auf notwendige Ressourcen für die Gewinnung von erneuerbarer Energie ist ein Problem. Europa, nicht nur Österreich, haben es versäumt, Rohstoffe für die angestrebte Energiewende zu sichern.

Laut IEA-Daten kontrolliert China 60 bis 70 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für die Veredelung von Lithium und Kobalt. Ähnliches gilt für Nickel und das in sämtlichen erneuerbaren Energieformen benötigte Kupfer. 

Bei Grafit, welches das Hauptmaterial in den Anoden der allermeisten EV-Batterien darstellt, kontrolliert man sogar die ganze Wertschöpfungskette.

Auch das eher unbekannte Metall Indium wird vorwiegend in China abgebaut. "Grüne" Verwendung findet es in Solarzellen.

Die Seltenen Erden (REE), wie Scandium und Neodym werden unter anderem in Elektrobatterien, Mikrochips und Windrädern verbaut. 

Über das Gallium, ein seltenes Hightech-Metall, das vor allem als Nebenerzeugnis bei der Aluminiumverarbeitung aus Bauxit anfällt, hat China mit 98 Prozent de facto ein Monopol. Es wird zum Beispiel in E-Autos, Mikrochips, Satelliten- und Radarsystemen verwendet.  Im Mobilfunk (5G, 6G). In modernsten militärischen Waffensystemen ist Gallium nicht wegzudenken.

China repräsentiert laut Zahlen der Internationalen Energieagentur einen Anteil von grob 80 Prozent im Herstellungsprozess von Solarzellen und rund 60 Prozent bei Windturbinen. In der gesamten Lieferkette beim Bau von Elektroautos machen chinesische Konzerne über 70 Prozent aus.

China investiert nicht nur im eigenen Land. Fast alle Kupfer-Kobaltgruben in der Demokratischen Republik Kongo sind in chinesischen Händen. An der Entwicklung des Kamoa-Kakula Copper Komplex, eines der größten und reichhaltigsten Kupferlagerstätten, ist Zijin Mining Group beteiligt. In Namibia betreibt China mit der Husab Mine eine der größten Uranbergbaue der Welt.

Nur die Metalle Uran und Thorium werden nicht von China kontrolliert, wohl aber von Russland. Es hat zwar keine großen Lagerstätten, jedoch Raffinerien, die das spaltbare U236, das in anderen Staaten produziert wird, anreichert und zu Brennstäben verarbeitet.

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine begann man sich zu besinnen und versucht die Verarbeitung von Yellowcake wieder in den Westen zu verlagern. Um die Energiewende und eine sichere durchgängige Stromversorgung zu meistern, haben bereits 12 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) derzeit 100 Kernkraftwerke. Mehrere Mitgliedstaaten, allen voran Frankreich, haben einen mehr oder weniger massiven Ausbau der Kernenergie angekündigt bzw. in die Wege geleitet. Polen beabsichtigt, ein Kernenergieprogramm neu zu starten. Auch in Italien oder Estland stehen Pläne im Raum.

In Österreich hingegen glaubt man, mit dem Ausbau von Wind- und Solaranlagen sowie Zukauf von Strom die Energiewende zu beherrschen. Eine Position, die Schitter und andere CEO der Energiebranche in Österreich vertreten. Es ist eine Position, die die grüne Ideologie diktiert, und von der man nicht abzuweichen gedenkt.

Mutige Entschlüsse und Umsicht ist in der Führungsriege auch unter den Politikern nicht festzustellen. Davon zeugt folgendes Statement von Schitter: Die Antwort auf die US-amerikanische Kehrtwende in die Vergangenheit könne nur der energiepolitische Blick nach vorn sein: also mehr Wind-, Sonnen- und Wasserkraft.

Ganz augenscheinlich hat er nicht erkannt, dass sich das Blatt wendet. Eine Renaissance der Atomkraft kann weltweit beobachtet werden. Wie sich zunehmend zeigt, haben viele Staaten der Europäischen Union erkannt, dass Sonne und Wind allein nicht ausreichen, die Ziele der Dekarbonisierung zu erreichen.

Doch solange solche Herren, bar jeden Sachverständnisses, in verantwortungsvolle Position gehievt werden, wird sich in Sachen Energiepolitik auch nichts ändern. Jedem CEO in der Energiebranche hätte es klar sein müssen, dass der Bau von PV- und Windkraftanlagen einen extensiven Ausbau der sehr hohen Kosten verursachende Ausbau der Stromübertragungsnetze erfordert. Augenscheinlich wurde diese Tatsache mit der Erhöhung der Stromrechnungen ab 1.Jänner 2025, die mit den erhöhten Kosten für den Netzausbau begründet wurde.

Die Argumentation die hohen Strompreise seien dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geschuldet, greift zu kurz. Es ist die energiepolitische Strategie der vergangenen Jahrzehnte, die auf das Potential von Wind und Sonne ausgerichtet war und von billigem russischen Gas unterstützt wurde. Ein kapitaler Fehler. Die Abhängigkeiten sind offensichtlich.

Es ist auch eine Tatsache, dass die Energiewende, wie sie sich die Europäische Union vorstellt, von China kontrolliert wird. Das scheint den Gesetzgebern nicht bekannt oder nicht berücksichtigt worden zu sein.

"Europa darf nicht noch einmal einseitig Abhängigkeiten aufbauen", fordert Schitter. Dass Österreich mit dem geforderten Ausbau von Photovoltaik und Windkraft schon abhängig von China wird, scheint sich noch nicht herumgesprochen haben.

Und wenn Schitter meint, "die neue Bundesregierung hat ein Gesetzespaket angekündigt, darunter die Modernisierung des Elektrizitätswirtschaftsrechts und der Abbau von regulatorischen Hürden für erneuerbare Energien, dazu die Reduktion überlanger Genehmigungsverfahren", dann sollte vor allem das Verbotsgesetz für Atomenergie entsorgt werden. Denn mit dem Bau von Atomkraftwerken würde man sich den massiven Ausbau von Stromübertragungsnetzen, Speichersystemen und anderer Nötiger Infrastruktur ersparen. Ganz zu schweigen von erratischer Stromerzeugung, die einen massiven Ausbau von Backup-Systemen erfordert.

Im Gegensatz dazu handelten Schweden, Finnland, andere Staaten der EU und allen voran Frankreich. Selbst China und Indien erkannten, dass alle zur Verfügung stehenden Stromerzeugungssysteme genützt werden müssen, um mehr und günstige Energie zur Verfügung zu stellen.

In Schweden wird der Bedarf 2045 auf 330 Terawattstunden – ungefähr dem Doppelten von dem in Österreich geplanten – geschätzt.

Schweden plant eine verstärkte Verarbeitung von Rohstoffen und die Ansiedlung neuer Industrien. Vor allem aber wird die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse den Stromverbrauch erhöhen. Hinzu kommen eine wachsende Bevölkerung und die zunehmende Nutzung von Elektroautos. Der größte Anstieg wird in den nördlichen Teilen des Landes zu verzeichnen sein, als Folge der Elektrifizierung der Eisen- und Stahlindustrie und neuer Batteriefabriken. Bedeutende Investitionen werden für Erneuerung und den Ausbau des bestehenden Netzes ausgegeben.

"Heute machen Wind- und Wasserkraft 60 Prozent der schwedischen Gesamtstromversorgung aus. In den letzten Jahren hat auch die Solarenergie an Bedeutung gewonnen, macht insgesamt aber immer noch einen geringen Anteil an der Gesamtproduktion aus. Auf die Kernenergie entfallen 30 Prozent der schwedischen Stromerzeugung".

35,4 Milliarden Euro werden für neue Atomkraftwerke garantiert. "Vattenfall beginnt bereits mit der Planung neuer AKWs in Ringhals und an anderen Standorten".

Unsere Kapazunder sollten sich einmal intensiv mit schwedischer Energiepolitik auseinandersetzen und nicht mit "Atomkraft ist pfui" begnügen. Die Energiekosten in Schweden betragen 9 c/kWh, in Österreich 19 c/kWh! Nur mit der Schitterschen Philosophie wird man die Preise nicht herunterbringen und dazu eine immer sichere Stromversorgung gewährleisten.

In Österreich wird das Doppelte an Investitionen wie in Schweden für den Netzausbau veranschlagt. Und es ist fraglich, ob es bei den 60 Milliarden Euro bleibt. Schitter ist der Meinung: "Neben der öffentlichen Hand und der E-Wirtschaft sollten wir daher auch dringend brachliegendes privates Kapital mobilisieren (können) – auch in Form von Public-Private-Partnership-Modellen."

Und die Renditen? Für kapitalkräftige Investoren sind Renditen ein Kriterium. Da gibt es am Markt so manche Bereiche, die eine höhere Rendite garantieren, als in die fluktuierend, produzierende PV-/Windkraft-Industrie zu investieren.

Zusammenfassend kann festgestellt werden:

  • China kontrolliert alle kritischen Rohstoffe, die für den Bau von Wind- und Solarkraftanlagen benötigt werden.
  • Um Windkraftanlagen oder Solarpaneele hierzulande zu erzeugen, fehlen die Rohstoffe.
  • Mit unserer Energiepolitik haben wir uns in die Abhängigkeit von China begeben.
  • Europa und Österreich haben es aus kurzsichtigen wirtschaftlich dominierten Überlegungen versäumt, in Exploration und neue Bergwerke zu investieren.
  • Mit dem Bau weiterer Wind- und Solarkraftanlagen und damit verbundenem erforderlichem, zusätzlichen Netzausbau, werden die Stromkosten weiter steigen.
  • Atomkraft erlebt weltweit eine Renaissance. Nur Österreich vertritt die Meinung, ohne diese die Energiewende zu meistern.
  • Unsere Gesetzgeber sollten die schwedische Energiepolitik übernehmen.

 

Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.