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Graz: Die Schein- und die Nicht-Reaktionen

Graz: Die Schein- und die Nicht-Reaktionen

Die Republik hat sich eine Woche lang ob des Massenmords von Graz in den Stillstand versetzt. Die Mainstreammedien waren voll des Lobes ob der Breite und Menge an politischen Betroffenheitsritualen. Fast zögert man da, ein paar kritische Überlegungen nachzuschieben, ist man doch von so viel Edelmut überwältigt, in den sich sogar der Wiener Schwulenaufmarsch eingeklinkt hat (wohl auch um das viel Steuergeld verschlingende eigene Stattfinden zu rechtfertigen, während alle anderen Lustbarkeiten ja abgesagt waren, selbst die harmlose Geburtstagseinladung für den 80-jährigen Wolfgang Schüssel). Aber dennoch sei es gewagt zu sagen: An den Reaktionen war manches überaus problematisch – und ausgerechnet die zwei wichtigsten Reaktionen haben überhaupt gefehlt, obwohl zumindest eine davon auch aus vielerlei anderen Gründen schon längst fällig gewesen wäre (die übrigens auch eine der sinnvollsten Einsparungs- und Effizienzmaßnahmen für die Republik wäre).

Das gilt insbesondere, wenn man das Wort Prävention ernstnehmen würde und damit nicht bloß die Beschaffung vieler neuer Beamtenposten für Schulpsychologen und Ähnliches zu begründen versuchen würde. Dabei hat man ja die wirkliche "Qualität" vieler Psycho-Berufe gerade am Fall des Grazer Schulschützen gesehen: Der 22-Jährige hatte ohne Probleme das für den Erwerb eines Waffenscheins nötige Psychologen-Gutachten bekommen. Es wäre mehr als überraschend, wenn zusätzliche Schulpsychologen es verhindern könnten, dass ein introvertierter Minderwertigkeitskomplexler völlig überraschend zum Massenmörder wird.

Immerhin hatte allerdings das Bundesheer es geschafft, den späteren Grazer Mörder davor als suspekt zu erkennen und ihn daher aus psychischen Gründen als Präsenzdiener abgelehnt. Dabei ist das Heer ein Verein, der angesichts immer dünner werdender Jahrgänge und eines immer attraktiver gewordenen alternativen Zivildienstes eigentlich dringend viel mehr Rekruten bräuchte. Das Heer lehnt also sicher niemanden leichtfertig ab, der bereit ist, die Uniform anzuziehen (mir fällt da immer ein Freund ein, den das Heer schon vor Jahren, als der Soldatenmangel noch nicht so groß war, trotz einer 12-Dioptrien-Kurzsichtigkeit und zweier dann vom Staat zu finanzierender Kinder zum Präsenzdienst eingezogen hat, wo er dann monatelang Brieftauben zu füttern hatte …).

Normalerweise müsste längst ein Verfahren oder zumindest eine Aberkennung der Berufstauglichkeit gegen jenen Psychologen in Gang gekommen sein, der im Gegensatz zum Heer, dem Mörder den Weg zum Waffenschein geebnet hat. Ein Arzt, der fahrlässig, der aus mangelnder Beherrschung seines Berufs mehrere Menschen tötet, muss ja auch mit solchen Konsequenzen rechnen. Vor allem würde ein solches Verfahren künftig Gutachter zu deutlich mehr Ernsthaftigkeit anhalten, halt über das Schreiben der Honorarnote hinaus.

 Statt dessen wollen die Linken wieder einmal allen jenen, die mit gutem Grund eine legale Waffe haben – etwa um ihr exponiertes Heim zu schützen oder weil sie einen heiklen Beruf haben –, diese wieder generell entziehen. Offenbar im Glauben, dass es keinen illegalen Waffenhandel gibt, bei dem sich ein einen Amoklauf planender Typ eine Waffe besorgen könnte (wo dann die illegalen Händler viel mehr Profit machen, wie man etwa beim ebenfalls immer schon verboten gewesenen und dennoch stattfindenden Kokain- oder Heroinhandel sieht).

Aber diese Unterlassung der sonst vor Betroffenheits-Geschäftigkeit geradezu triefenden Republik ist noch harmlos gegen die zweite Unterlassung: Das ist ganz eindeutig der Verzicht auf die generelle Abschaffung des gesamten Datenschutzes.

Denn mit Graz hat die Absurdität des gesamten Datenschutzgebäudes jedenfalls ihren Höhepunkt erreicht: Beim Bundesheer erkennt man, dass der Mann gefährlich ist, darf aber nichts weitersagen. Und eine Behörde weiter bekommt der gleiche Mann problemlos seinen Waffenschein, weil man nichts vom Gutachten des Heeres wusste. Absolut krank. 

Diese Erfindung aus dem grünen Eck hat schon unzählige Male jeden Österreicher gequält. Weil irgendetwas Sinnvolles wegen des Datenschutzes nicht möglich war; weil man zahllose Male kompliziert unterschreiben oder elektronisch freigeben musste, nur damit man irgendwo seine Daten eintragen kann.

Dabei ist der ganze Datenschutz absolut sinnlos geworden. Denn trotz aller Schützerei weiß wirklich jeder Privatdetektiv binnen kurzer Zeit alles, was gewünscht wird, gegen entsprechendes Entgelt herauszubekommen – selbst die Zahl der Besuche eines untreuen Ehemannes bei seiner Geliebten. Denn Verbrecher haben sogar noch viel "bessere" Methoden, wenn sie etwa einen russischen oder chinesischen Geheimdienst einzuschalten wissen. Denn trotz des Datenschutzes wird man ständig von unzähligen Phisching-Attacken oder nigerianischen Millionenerbschaften oder Informationen über ein angeblich gesperrtes Bankkonto oder Alarm-Meldungen meiner (leider nicht vorhandenen) Tochter belästigt, dass sie ihr Handy oder ihren Pass verloren habe und ganz, ganz dringend viel Geld von mir benötige.

Ich bin jedenfalls noch auf absolut keinen einzigen sinnvollen Nutzen des Datenschutzes gestoßen. Hochachtung genießt er nur bei Beamten, die unter Berufung auf ihn viele notwendige Tätigkeiten zu verweigern wissen. Ich werde jedenfalls nie vergessen, wie eine alte und verwirrte Cousine nach einem Sturz ihre letzten Lebensstunden ohne jeden Kontakt mit einem vertrauten Menschen im Spital verbringen musste, weil sowohl Polizei wie Rettung den verzweifelt anrufenden Angehörigen die Auskunft verweigert haben, wo sie hingebracht worden ist (Was glauben Sie, wie viele nicht druckreife Wörter einem da über die Datenschutzhysteriker, die Grünen und einen Staat, der diesen bei jeder Hysterie folgt, da über die Lippen kommen …).

Wenn jetzt jemand behauptet, wegen dieser oder jener Richtlinie oder Konvention wäre Österreich zum Datenschutz verpflichtet, dann hätten Regierung und Parlament wirklich umgehend eine europäische Initiative zu deren Novellierung in die Wege leiten müssen. Und auch die Freiheitlichen hätten da umgehend mit diesem Ziel aktiv werden müssen, statt das in lächerlicher Art mit ihrem den Russen nachgemachten Hass auf die Ukraine zu verbinden.

Statt die wichtigen Dinge in Angriff zu nehmen, hat die Regierung sich in dümmlichen Scheinaktivitäten verloren. Besonders blöde ist da die Aktion des Bildungsministers, den Maturanten jener Oberstufenschule die mündliche Matura zu schenken. Um nicht missverstanden zu werden: Das sei jedem einzelnen der per Ministerwunsch reifen Maturanten gegönnt. Aber mit Gewissheit hätte keiner ihrer Lehrer sie auch ohne Ministeranordnung in Anbetracht der Umstände durchfallen lassen. So müssen sie aber mit dem Gefühl durchs restliche Leben laufen, dass ihnen die Matura geschenkt worden ist. Nur weil ein Minister positive Schlagzeilen gewollt hat.

Was aber noch viel schlimmer ist, ist die Verführung zu Nachfolgedelikten. Man muss nur irgendetwas Schlimmes inszenieren, etwa zum Maturazeitpunkt eine Bombe in der Schule hochgehen lassen (darf sich halt nicht als Täter erwischen lassen) und schon hat man gute Aussichten, dass einem die Matura oder sonst eine Prüfung geschenkt wird, weil ein Minister ein "Zeichen" setzen will.

Ebenso ist die gigantische Überinszenierung der Reaktion auf das Grazer Verbrechen auch noch in anderer Hinsicht eine klare Verlockung zu Nachfolgedelikten – nur geht es dabei dann nicht nur um Schüler, die ohne Prüfung zur Matura kommen wollen, sondern um Personen mit Minderwertigkeitskomplexen und Depressionen, denen nun ein Weg gezeigt worden ist, wie sie doch noch zur nationalen Berühmtheit aufsteigen können, nachdem sie bisher niemand genügend beachtet oder gewürdigt hat.

Die allerschlimmste Beobachtung: Offenbar hängt es bloß von der Zahl der Todesopfer ab, die aus einem nicht weiter beachteten Mord das – zumindest bisher – wichtigste Ereignis des Jahres macht. Ab wieviel Opfern wird man eigentlich zur historischen Persönlichkeit?

Immerhin werden in Österreich pro Jahr nicht weniger als 50 bis 76 Menschen umgebracht. Kein einziges Mal aber rückten danach Bundespräsident, Bundeskanzler und die restlichen Spitzen der Republik aus, keine Fahne wurde auf halbmast gesetzt, keine Sondersendungen wurden veranstaltet und kein Schwulenaufmarsch machte auf Betroffenheit. Dabei sind im Vorjahr so viele Menschen wie schon seit langem nicht ermordet worden …

PS: Apropos "Pride-Parade": Durch Zufall hat uns ein nichtsahnender Freund aus Tirol gerade an diesem Tag zum Mittagessen in ein Ring-Restaurant geladen. Es war absolut erstaunlich: Man konnte durchs Fenster zwar riesige teure und laute Fuhrwerke voll seltsam anzusehender Menschen sehen, aber fast niemand stand während der ganzen Zeit am Straßenrand, um sich das anzuschauen. Die angeblichen Zuschauermassen gibt es ganz, ganz zufällig offensichtlich nur dort, wo der ORF sie – samt pinken, grünen, roten Politikern – begeistert ins Bild bringt. Und während die Polizei schweigt, stammen die vom ORF als Faktum gemeldeten Zuschauerzahlen nur von der Organisatoren – die zweifellos gut im Multiplizieren sind …