
Nachspruch zu einem Freispruch
Soweit bekannt: Der rechtskräftige Freispruch für Sebastian Kurz beherrschte am Dienstag, 27. Mai 2025, die Schlagzeilen und Kommentare der Medien. Auch bekannt: Selbstzitate von Journalisten riechen mitunter nach Besserwisserei. Manchmal beweist ein alter Artikel aber nur, dass bestimmte Ereignisse vorhersehbar waren. Der Autor braucht dann weder stolz zu sein noch kann er glücklich sein, wenn sich bestätigt, was er befürchtet hat.
Zur Erinnerung: Der folgende kurze Nachspruch zum aktuellen Kurz-Freispruch im Wonnemonat Mai wurde als Gastkommentar in Andreas Unterbergers Tagebuch-Blog vom winterlichen 29. Dezember 2023 vorweggenommen. Als Staatsbürger wäre dem Autor lieber gewesen, in dem Beitrag "Wer hat Angst vor 2024?" vor eineinhalb Jahren übertrieben schwarz gesehen zu haben. Dort hieß es nämlich:
"Geeint werden Linke und Rechte und Medien durch die Angst, Sebastian Kurz könnte auf die politische Bühne zurückkehren. Daher wird man alle schwindligen Verfahren über den Wahltag hinaus ziehen oder es kommt zu noch schwindligeren Verurteilungen mit Begründungen, von denen alle wissen, dass sie in der nächsten Instanz in der Luft zerrissen werden. Allerdings nach dem Wahltag."
Genau so ist es gekommen. Genau so! Die tatsächlichen Geschehnisse konnten schlimmer nicht sein: Prozess und Prozessumstände, Richterbestellung und Ersturteil werden – zurückhaltend gesagt – für alle Zeiten ein Tiefpunkt der österreichischen Rechtsprechung bleiben.
Aus hysterischer Angst vor der Rückkehr eines populären Gegners hat eine schamlose Politik eine haltlose Anklage gegen Sebastian Kurz inszeniert, von deren Substanzlosigkeit jeder Österreicher ab der 2. Volksschulklasse überzeugt war, der sich einen ideologiefreien Blick bewahrt hat. Durch groteske Einflussnahmen erreichte man allerdings das angepeilte politische Ziel: Sebastian Kurz sollte zum Zeitpunkt der Nationalratswahl 27. September 2024 ein gerichtlich verurteilter Mann sein, auch wenn dem Urteil keine Rechtskraft zukam und klar war, dass ihm mit Sicherheit nie Rechtskraft zukommen würde.
Wie hieß es im erwähnten Gastkommentar? Der Passus soll wiederholt werden: "…oder es kommt zu noch schwindligeren Verurteilungen mit Begründungen, von denen alle wissen, dass sie in der nächsten Instanz in der Luft zerrissen werden. Allerdings nach dem Wahltag."
Das "Urteil" wurde in der nächsten Instanz in der Luft zerrissen. Allerdings nach dem Wahltag. Die Drahtzieher und Drahtzieherinnen (manchmal lässt sich Gendern nicht vermeiden) schienen dem politischen Sieg nahe.
Aber Österreich erwies sich zur Enttäuschung vor allem von Neos, Medien und anderen Genossen – und eines "Kronzeugen", nicht zu vergessen – doch noch als Demokratie.
Die antidemokratische Giftspritze zeitigte ungewollte Wirkungen:
- Der Wahlabend wurde nicht zum Freudenfest der österreichischen Linken, die mit auffallender und unerwarteter Deutlichkeit prozentmäßig hinter den beiden nicht-linken Parteien zurückblieben.
- Am Ende turbulenter Wochen und Monate gab es wieder eine ÖVP-geführte Bundesregierung, wenngleich die Handschrift der ÖVP derzeit noch etwas unleserlich scheint. Auch steht dieses Kabinett auf wackeligen Beinen, aber es gibt derzeit keine Alternative.
Eine mögliche Neuorientierung der österreichischen Politik scheiterte an der Eitelkeit eines Mannes, der die erste Kanzlerschaft seiner Partei seit Bestehen der Republik, also seit mehr als hundert Jahren, vereitelte.
Blau-schwarz hätte im Parlament zwar eine ausreichende Mehrheit und brauchbare Erfahrungen in mehreren Bundesländern vorzuweisen gehabt. Aber der Bundespräsident und die linken Medien (also fast alle) hätten wohl die wirklich letzten Reserven mobilisiert, um ein Mehrheitsvotum der Bevölkerung zu ignorieren. Aber ganz hätte sich das Wahlergebnis nicht aus der Welt schaffen lassen.
Herr Kickl hätte sich nicht einmal in die zweite Reihe zurückziehen müssen, was sowieso die beste Lösung gewesen wäre, aber er scheint sich selber für ungeeignet zur Führung der Bundesregierung zu halten, sonst hätte er nicht schon vor der Wahl alle Chancen auf eine Gesprächsbasis mit der ÖVP zu pulverisieren versucht.
Die Volkspartei wechselte sogar ihren Vorsitzenden, damit die nach dem Wahlergebnis von 2024 einzig mögliche Zwei-Parteien-Koalition gebildet werden könnte, und dabei bedurfte es einer außerordentlichen internen Selbstüberwindung, einen Herbert Kickl als Regierungschef zu akzeptieren.
Der Doch-nicht-Volkskanzler erwies sich aber als unfähig und vor allem unwillig, die Bundesregierung zu übernehmen: Wer nach wochenlangen Gesprächen im Endspurt dem Partner brisante und erniedrigende politische Forderungen ultimativ über die Medien ausrichten lässt, kann von Anfang an nie einen Erfolg dieser Verhandlungen gewollt haben.
Zurück zum Freispruch: Tausende Seiten Ermittlungsakten, über 100 Seiten Anklageschrift, 600 Protokollseiten, eine unfassbare Zahl sinnloser Arbeitsstunden und hohe Kosten.
Mit blutig gekauten Fingernägeln klammern sich die Kurz-Jäger jetzt verzweifelt an noch schwindligere Vorwürfe: Vielleicht bleibt am Ende doch ein Strafmandat wegen Falschparkens übrig. Aber es ist schön für sie, dass sie angesichts der gigantischen Probleme in Österreich und in der Welt keine anderen Sorgen haben.
Das Thema des eingangs zitierten Gastkommentars war die Angst um die Zukunft Österreichs. Die Angst ist nicht kleiner geworden.
Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokal-geschichtliche Themen.