
Wie man einen Wirtschaftsstandort ruiniert
Österreich bildet im Vergleich zu anderen Staaten der Eurozone das Schlusslicht im Hinblick auf die am BIP gemessene wirtschaftliche Entwicklung. Für 2025 sieht die Prognose der EU-Kommission eine weitere Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent vor. Das ist insofern bemerkenswert, als alle anderen EU-Länder sich nach der Corona-Pandemie schon wieder auf Wachstumskurs befinden. Irgendetwas ist faul im Staate Österreich.
Während das Inlandsprodukt im Land der Hämmer nicht zu- sondern abnimmt, steigen die Löhne unaufhörlich – und zwar deutlich stärker als im übrigen Euroraum. Die sich als Vorfeldorganisation der Sozialdemokratie verstehenden Gewerkschaften haben offensichtlich ganze Arbeit geleistet.
In Österreich, dem Land der geheiligten "Sozialpartnerschaft", gilt seit vielen Jahren die sogenannte "Benya-Formel" – benannt nach ihrem Erfinder Anton Benya, dem seinerzeitigen Chef des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Die Formel sieht Lohnabschlüsse auf Basis der im abgelaufenen Jahr gemessenen Geldentwertung zuzüglich eines Anteils am zu erwartenden Produktivitätszuwachs vor.
Da gut gemeint bekanntlich meist auf das Gegenteil von gut gemacht hinausläuft, hat die konsequente Anwendung dieser Formel die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Betriebe im Laufe der Jahre stark reduziert. Die wohlmeinende Absicht, die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu erhalten oder sogar zu stärken, zeigt nämlich dann gegenteilige Wirkung, wenn die Produktivität der Betriebe nicht im zumindest gleichen Ausmaß steigt wie die Lohnkosten. Die Unternehmen sind dann entweder dazu gezwungen zu rationalisieren, also menschliche Arbeitskraft durch Automation zu ersetzen, oder sie verlagern, wo das möglich ist, ihre Produktion ins Ausland – was bereits in beachtlichem Maße geschieht. Wo beides nicht in Frage kommt, etwa in der Gastronomie, der Hotellerie oder im standortgebundenen Dienstleistungsgewerbe, verschwinden unrentabel werdende Betriebe sang- und klanglos von der Bildfläche. Die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen quellen folgerichtig über von Insolvenznachrichten.
Der deutschen Kommunistin Rosa Luxemburg (1871 – 1919) verdanken wir folgende Erkenntnis: "Kein Sozialismus ohne Demokratie, keine Demokratie ohne Sozialismus." Kann es sein, dass genau darin die Wurzel der aktuellen Wirtschaftsprobleme der Alpenrepublik liegt? Schließlich wissen die um günstige Wahlergebnisse ringenden politischen Parteien, dass die Zahl der Arbeitnehmer die der Arbeitgeber um ein Vielfaches übersteigt. Beim Zahlenverhältnis von Mietern und Vermietern liegen die Dinge ähnlich.
In beiden Fällen haben die Regierenden sich ungeniert auf die Seite der jeweiligen Mehrheit geschlagen und damit – vermeintlich – den Interessen der proletarischen Massen gedient. Sie wollten einfach nicht riskieren, von der Wählermehrheit bei nächster Gelegenheit vom steuerfinanzierten Futtertrog verscheucht zu werden. Es war und ist für um die Wählergunst buhlende Politiker somit naheliegend, sich mit Arbeitnehmerforderungen nach hohen Löhnen und niedrigen Mieten zu solidarisieren. Was folgt daraus? Jede Form der Mehrheitsherrschaft bringt langfristig eine sozialistische Kommandowirtschaft mit sich.
Welcher Teufel die Verhandler der Arbeitgeberseite geritten hat, die seit vielen Jahren den überschießenden Forderungen der Gewerkschaften mehr oder minder widerstandslos nachgeben, liegt im Dunkeln. Denn dass bei sinngemäßer Anwendung der "Benya-Formel" seit einigen Jahren Abschlüsse unterhalb der Inflationsrate möglich gewesen wären, da die Produktivität der Betriebe in vielen Branchen ja nicht mehr zu- sondern abnimmt, wurde, wie es scheint, nie in Betracht gezogen.
Ungeachtet der auf den Produktivitätsrückgang keine Rücksicht nehmenden Lohnentwicklung, wirkt sich natürlich auch die Steuer- und Abgabenbelastung und die stetig zunehmende Regulierungsdichte für jede Art unternehmerischer Tätigkeit im Lande nachteilig auf die Wirtschafsentwicklung aus.
Und dass eine der ersten Maßnahmen Sepp Schellhorns, des neu installierten "Deregulierungsstaatssekretärs" der schwarzrotpinken Bundesregierung darin besteht, acht zusätzliche Bürokraten anzuheuern, um die ausufernde Bürokratie im Steuer- und Beamtenstaat Österreich zu reduzieren, wäre selbst einem Satiriker wie Roda Roda (1872 – 1945) nicht eingefallen.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.