
Recht muss dem Unrecht nicht weichen
Kürzlich kam es in Salzburg zu einem folgenschweren Ereignis. Zum Zeitpunkt, da dieser Beitrag geschrieben wird, sind zwar noch nicht alle Details des Zwischenfalls bekannt, aber Folgendes scheint festzustehen: Ein 66-Jähriger ertappt zwei Personen beim Einbruch in sein Haus, erklärt, mit einem Messer bedroht worden zu sein und greift zu einer Pistole, mit der er auf die Eindringlinge schießt, von denen einer wenig später an den Folgen des Waffengebrauchs stirbt. Wie oft geschossen wurde (Ohrenzeugen wollen drei Schüsse gehört haben) ist noch nicht geklärt. Die verwendete Pistole befindet sich im rechtmäßigen Besitz des Einbruchsopfers. Die Staatsanwaltschaft hat – wie sie betont "routinemäßig" – Ermittlung wegen Mordverdachts gegen den 66-Jährigen eingeleitet.
In Österreich ist die Notwehr in § 3 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt, wo es in Absatz eins heißt:
Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren.
Absatz zwei schränkt ein:
Wer das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschreitet oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung (Abs. 1) bedient, ist, wenn dies lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken geschieht, nur strafbar, wenn die Überschreitung auf Fahrlässigkeit beruht und die fahrlässige Handlung mit Strafe bedroht ist.
Die deutsche Notwehrregelung erfolgt in § 43 StGB, und entspricht im Wesentlichen der zitierten österreichischen Norm.
Hervorzuheben ist, dass nicht nur Personen und deren Unversehrtheit, sondern auch Güter "notwehrrechtsfähig" sind. Auch Eigentum darf gewaltsam verteidigt werden. Weiters, dass alle "notwendigen" Mittel zur Verteidigung eingesetzt werden dürfen, um einen widerrechtlichen Angriff abzuwehren. Im Fall des 66-jährigen Einbruchsopfers, das von zwei Personen (beide lt. bislang vorliegenden Polizeiangaben 29-jährig) mit einer potentiell tödlichen Waffe bedroht wird, dürfte der Einsatz einer Schusswaffe gerechtfertigt sein. Übrigens spielt es für die Beurteilung der Notwehr keine Rolle, ob für eine dabei eingesetzte Schusswaffe eine Bewilligung vorliegt oder nicht (die waffengesetzliche Bewertung des Falles steht auf einem anderen Blatt).
Der Ermittlungsbehörde, respektive dem Gericht kommt es nun zu, festzustellen ob es im vorliegenden Fall um gerechtfertigte Notwehr, um "Putativnotwehr" (der Waffengebrauch wäre demnach nicht notwendig gewesen, was zum Tatzeitpunkt für den Ausführenden aber nicht erkennbar war), um Notwehrüberschreitung oder um einen "Notwehrexzess" handelt.
Das grundlegende Problem in derartigen Fällen besteht darin, dass die Polizei und die Gerichte im Nachgang alle Zeit der Welt haben, um die Situation zu analysieren, dem in Notwehr Handelnden aber oft nur wenige Sekunden zur Verfügung stehen, um seine Lage und die daraus resultierenden Handlungsoptionen zu beurteilen. Dem tatsächlich oder vermeintlich Angegriffenen ist jedenfalls zuzubilligen, sich in einer bis dahin meist nie erlebten Ausnahmesituation zu befinden und unter höchster nervlicher Anspannung zu agieren.
In den USA kommt darüber hinaus dem Grundsatz "Recht muss dem Unrecht nicht weichen" ("Stand-your-ground-law") in 30 Bundesstaaten große Bedeutung zu. Dieser Grundsatz besagt, dass der Bedrohte nie zum Rückzug verpflichtet ist, sondern sein Recht auch durch den Einsatz tödlicher Gewalt verteidigen kann. Ein einleuchtender Grundsatz, denn wer sich gewaltsam in den Besitz fremden Eigentums bringen will, schätzt den Wert seines Lebens offensichtlich geringer ein als den des potentiellen Raubguts.
Selbstverständlich ist die Verhältnismäßigkeit einer Gewaltanwendung zu wahren. Auf den im Garten vom Kirschbaum Früchte stehlenden Nachbarknaben zu schießen, ist mit Sicherheit nicht mit vom Notwehrrecht gedeckt.
Wie der US-Ökonom und Waffenrechtsaktivist John Lott in schriftlichen Publikationen und zahlreichen Vorträgen darlegt, kommt der Verteidigungsbereitschaft der Bürger eine generalpräventive Wirkung zu. In Bundesstaaten mit einer liberalen Waffengesetzgebung, wo Kriminelle damit rechnen müssen, sich bewaffnetem Widerstand gegenüberzusehen, kommt es weniger häufig zu Gewalttaten wie in solchen mit einem restriktiven Zugang zu Schusswaffen (siehe hier: More Guns Less Crime).
Ein weiterer Aspekt, der mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun hat: Zwar ist es in Österreich und Deutschland – wenn auch nach Überwindung erheblicher Hindernisse – möglich, auf gesetzeskonforme Weise Schusswaffen zu erwerben, doch eine Tragerlaubnis wird, obwohl im Waffengesetz vorgesehen, in der Praxis nicht mehr erteilt (der "Waffenpass" wurde in der Verfahrenspraxis faktisch abgeschafft). Das heißt, dass man sich zwar gegen einen Angriff in seinen eigenen vier Wänden mit Waffengewalt wehren darf, nicht aber auf der dank einer ungebremsten Massenzuwanderung aus gewaltaffinen Stammeskulturen mehr und mehr zur freien Wildbahn verkommenden Straße.
Ein Staat, der restriktive Waffengesetze erlässt oder "Waffenverbotszonen" deklariert und damit mögliche Tatmittel kriminalisiert, anstatt eine konsequente Täterverfolgung zu priorisieren, macht sich zum Komplizen von Verbrechern, die sich weder ums Waffengesetz noch um Verbotszonen scheren (wie viele Fälle aus der jüngsten Vergangenheit belegen).
In einer freisinnig-liberalen Demokratie muss es einem unbescholtenen, psychisch gesunden Bürger erlaubt sein, sein Leben und sein Eigentum nicht nur in seiner Wohnung, sondern auch und gerade auf offener Straße zu schützen. Beispiele in Ländern mit liberalen Waffengesetzen (wie beispielsweise Israel), zeigen, dass Waffen in der Hand von Zivilisten geeignet sind, gewalttätige Kriminelle zu stoppen oder zumindest potentielle Täter abzuschrecken.
Restriktive Waffengesetze sind Symptom des Übermuts von Regierenden, die sich zwar selbst von bis an die Zähne bewaffneten Beamten schützen lassen, gesetztreue Untertanen aber ohne Wimpernzucken der Willkür krimineller Gewalttäter ausliefern, weil sie nichts mehr fürchten als selbstverantwortliche und wehrhafte Bürger.
Wie dem auch sei: Dem Ergebnis des gegen den 66-jährigen Salzburger eingeleiteten Ermittlungsverfahrens darf gespannt entgegengesehen werden.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.