
Abschiebungen: Überspannte Erwartungen
Mit Abschiebungen in größerem Ausmaß wird das – trotz aller immer wieder vorgenommenen diesbezüglichen Ansagen – nichts werden. Denn was sind Abschiebungen – und was sind sie nicht?
In erster Linie ist eine Abschiebung eine Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern: Das eine Land übergibt eine Person (aus der Obhut seiner Beamten) und das andere Land übernimmt die Person (in die Obhut seiner Beamten, meist sind das Polizisten bzw. Grenzbeamte).
Was ist eine Abschiebung nicht? Ein Land bringt mit Hilfe seiner Sicherheitsorgane (Polizisten) einen Fremden/Ausländer an seine Grenze und fordert ihn auf, in das andere Land ein- und weiterzureisen, oder diese Polizisten bringen den Ausländer bis hinein in das andere Land (an einen ausländischen Flughafen) und entlassen ihn dort aus ihrer Obhut. Das geht so nicht, denn das wäre eine Verletzung der Souveränität dieses anderen Staates, wenn zuvor nicht dessen Zustimmung eingeholt wurde.
Nein, bei Abschiebungen braucht es in jedem Fall die Zustimmung des Landes, in das abgeschoben werden soll. Und das ist das Problem. Es gibt keine Bestimmung im Völkerrecht, wonach jeder Staat jederzeit seine Staatsbürger zurücknehmen müsste. Wer das annimmt, unterliegt da einer grundlegenden Fehlannahme und der wird die Problematik des Abschiebungs-Themas auch nicht verstehen.
Abschiebungen sind in der Praxis nur möglich, wenn es diesbezügliche Verträge zwischen beteiligten Staaten gibt. Das ist zwischen EU-Staaten – mit gewissen Einschränkungen – der Fall. Deshalb sind z.B. Abschiebungen nach Rumänien möglich. Nach Ungarn z.B. aber nicht, weil Ungarn sich nicht an die Regeln hält bzw. die Ausnahmebestimmungen anwendet.
Und was Nicht-EU-Staaten betrifft, so gibt es solche Abkommen gerade mit jenen Staaten nicht, von denen die meisten der Leute kommen, die abgeschoben werden sollen (also nicht mit Syrien und nicht mit Afghanistan). Es gibt überhaupt nur wenige Staaten, mit denen diesbezüglich Abkommen bestehen, z.B. Tunesien und Marokko. In der Praxis ist die Bereitschaft der Fluchtstaaten nicht sehr groß, solche Abkommen abzuschließen und ihre mittellosen Landsleute zurückzunehmen.
Und dann gibt es für Abschiebungen noch ein weiteres Hindernis. Nämlich bei den Personen, um die es in erster Linie geht: nämlich um kriminell gewordene Asylwerber. Und das beruht auf der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Denn die bestimmt, dass nicht abgeschoben werden darf, wenn dann dem Abgeschobenen das Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen Behandlung drohen würde. Das wäre in jedem Einzelfall individuell zu prüfen. Aber die Praxis und Rechtsprechung geht derzeit oft davon aus, dass in Staaten wie Syrien oder Afghanistan für Straftäter grundsätzlich ein solches Risiko besteht. Der Gegenbeweis, dass dies im Einzelfall nicht der Fall wäre, ist schwer zu erbringen. Und die Gerichte schieben die Beweislast dem abschiebewilligen Staat zu. Damit wird einer solchen Abschiebung praktisch ein Riegel vorgeschoben.
Auch bei illegalen Migranten, die nicht straffällig geworden sind, gelten die Einschränkungen der EMRK, wobei auch da jeder Fall individuell zu prüfen wäre. In der Praxis aber werden meist gewisse Staaten eher schon pauschal als gefährlich eingestuft (z.B. Afghanistan für Frauen ganz generell) und es wird gar nicht mehr individuell geprüft.
Ein weiteres Problem, das Abschiebungen entgegensteht, ist es, wenn die Identität des Abzuschiebenden, seine Nationalität und seine Reiseroute nicht bekannt sind. Das ist bei Afrikanern sehr oft der Fall. In welches Land soll er dann abgeschoben werden? Um eben nicht abgeschoben zu werden, werfen ja viele illegale Migranten ihre Papiere weg und machen unrichtige Angaben.
Unter Berücksichtigung des Ausgeführten wird man erkennen müssen, dass abgesehen von Fällen im EU-Rahmen und mit den wenigen Ländern, mit denen Abkommen über Abschiebungen bestehen, Abschiebungen illegaler Migranten, die nach Österreich eingereist sind, in größerem Ausmaß nicht möglich sein werden. Man kann solche Leute nur zur freiwilligen Ausreise veranlassen, und das wohl nur dadurch, dass man die Leistungen an sie auf das Notwendigste beschränkt, also möglichst nur auf Sachleistungen in unbedingt notwendigem Ausmaß, und dass man ihnen (besonders Neuankömmlingen) eine Unterbringung nur in einem Flüchtlingslager ("Ausreisezentrum") gewährt.
Die derzeitige Praxis in Österreich, besonders in Wien, sieht aber nicht so aus. Und wenn die nicht geändert wird, wird es wohl weiter illegale Zuwanderung geben. Und wie man da einer neuen allgemeinen großen Flüchtlingswelle gewachsen wäre, das ist überhaupt völlig im Unklaren.
Dr. jur. Peter F. Lang, Wien, Ministerialrat i.R. bzw. Gesandter i.R. (pensionierter Beamter des Außenministeriums).