
Künstliche vs. humane Intelligenz: Für wen neue Technologien zur Bedrohung werden
KI, sprich künstliche Intelligenz, ist in aller Munde, insbesondere ihre (Aus-)Wirkungen auf unser Leben und im speziellen die Arbeitswelt. Welche Berufe, Ausbildungen und Jobs sind in Gefahr, wegrationalisiert zu werden und was wie und in welcher Form bestehen bleiben wird: Das sind die großen Fragezeichen unserer Zeit. Die KI umgibt nahezu ein mystischer Schimmer. Was dabei verdrängt wird, ist die Tatsache, dass diese nur so intelligent sein kann wie ihre Schöpfer und sie damit von mentaler menschlicher Leistungsfähigkeit abhängig ist und nicht, wie viele glauben, aus dem Nichts ein Eigenleben entwickeln kann. Hier handelt es sich um einen infantilen Technikglauben, der fast die übertriebene Religiosität von einst, welche manische Züge annehmen konnte, substituiert hat.
Was im Kontext des KI-Hypes vergessen wird, ist, dass Interpretationen und Gewichtungen von diffizilen Inhalten nur fachlich gut ausgebildete und mit einer Entwicklung und Erfahrung ausgestattete Homo sapiens vornehmen können. Der Computer, also die Maschine per se, besitzt kein "Bewusst-Sein". Es handelt sich um eine Simulation von Intelligenz, denn die wichtige Dimension der affektiven und unbewussten Bewertung der Daten fehlt. Nicht die unreflektierte Übernahme ebendieser, wie sie oft in unserem Schulsystem vermittelt wird, zählt. Es gibt mehr als 0 und 1.
Jene jedoch, die gewohnt sind, das "Richtige" zu reproduzieren werden vor große Herausforderungen stoßen. Intelligenz ist mehr als singuläre kognitive Fähigkeiten. Elementar sind komplexe Reflexionsprozesse, die das zuerst Erlernte in einer Phase der kognitiv-emotionalen Umstrukturierung sowie der Einordnung des Wissens assoziieren, mit praktischen Erfahrungen bewerten und analysieren. Dies funktioniert qualitativ und nicht rein quantitativ. Hier spielen Emotion, Instinkt und Intuition eine zentrale Rolle und keine künstlichen Algorithmen, sondern humane biopsychosoziale Rhythmen, die in Formeln nicht auflösbar sind.
Wie in der Psychoanalyse ist die Deutung und individuelle Bedeutung des Inhalts und nicht die reine funktionelle Form essenziell. Der radikale Konstruktivismus wie vom Physiker Heinz von Foerster oder dem Therapeuten Paul Watzlawick propagiert, besagt (Satz selbst generiert), dass Wissen nicht einfach als Abbild einer objektiven Realität erfasst wird, sondern vom Individuum aktiv konstruiert wird (KI generiert). Er betont die Subjektivität von Wahrnehmung und Wissen und dass jeder Mensch seine eigene Realität konstruiert (KI generiert). Verständnis und Sinnerfassung hat die KI nicht, dies wird nur scheinbar durch den Ersteller des Algorithmus imitiert und durch die Rezipienten hineinprojiziert. Leider ist dieses Phänomen bei uns nicht viel anders, denn auch wir werden durch unser Umfeld und die Sozialisation programmiert.
Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.