Warning: Illegal string offset 'portraitimage' in /var/www/lweb50/htdocs/science-blog.at/conf.php on line 67
Sonnenkinder - Wie das atomare Feuer der Sonne die Meerestiefen erhellt

Sonnenkinder - Wie das atomare Feuer der Sonne die Meerestiefen erhellt

Sonnenlicht ist eine unerschöpfliche Energiequelle, welche die Natur schon sehr früh mit Hilfe des grünen Sonnenkollektors Chlorophyll in verwertbare Energie umzuwandeln gelernt hat.

Gottfried Schatz für den Science-Blog

Am Anfang war das Licht. Der Urknall, der das Universum vor etwa 14 Milliarden Jahren schuf, war eine Explosion strahlender Energie. Als sich das Universum dann ausdehnte und abkühlte, ermattete das Licht zu unsichtbaren Radiowellen. Schon nach einigen hunderttausend Jahren begann eine 30 Millionen Jahre währende Finsternis, in der sich ein Teil der Strahlung zu Materie verdichtete. Diese wiederum ballte sich zu Gaswolken und dann zu Galaxien zusammen. In deren Innerem presste die ungeheure Schwerkraft Atomkerne so stark zusammen, dass sie miteinander verschmolzen und dabei gewaltige Energiemengen als Licht freisetzten. Die atomaren Feuer dieser ersten Sterne schenkten dem jungen Universum wieder Licht.

Licht essen

Abbildung 1: Explodierter Stern ("Krebsnebel"). Es handelt sich um die Überreste der Supernova von 1054. Deutlich erkennt man, wie Gas (und somit im Stern produzierte schwere Elemente) in die Umgebung geschleudert wird. Aufnahme: Hubble Space Telescope.

Manche Sterne fanden in ihrer Galaxie keine stabile Umlaufbahn und stürzten schliesslich – zusammen mit dem Rest der Gaswolke – zum Mittelpunkt der Galaxie in ein Schwarzes Loch. Bei diesem Todessturz heizten sich diese Sterne so stark auf, dass sie für kurze Zeit heller erstrahlten als die Abermilliarden Sterne der gesamten Galaxie. Die meisten dieser gigantischen, aber kurzlebigen Lichtquellen erloschen bereits vor etwa 10 Milliarden Jahren. Dennoch sehen wir sie noch heute, weil die rasende Ausdehnung des Universums nach dem Urknall sie – zusammen mit ihrer Galaxie – so weit in die Fernen des Universums getrieben hatte, dass ihr Licht uns erst jetzt erreicht.

Viele Sterne brannten schliesslich aus oder explodierten und lieferten so die Bausteine für neue Sterne. Einer von diesen ist unsere Sonne, die erst vor 4,5 Milliarden Jahren zu leuchten begann. Wie manche andere Sterne schleuderte sie bei ihrer Geburt einen Teil von sich ab und formte ihn zu Planeten. Auf einem dieser Planeten bildeten winzige Materieklumpen immer komplexere Gebilde, die sich fortpflanzten, bewegten und schliesslich sogar Intelligenz und Bewusstsein erlangten.

Abbildung 2: Photosynthese schematisch. Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) verbleiben in Form komplizierterer Verbindungen als Zellulose in der Pflanze.

Ich bin ein später Spross dieses Adels hochgeordneter Materie. Mein Stammbaum ist über 3,5 Milliarden Jahre alt und lässt mich stolz sein. Meine Vorfahren «erfanden» schon sehr früh den grünen Sonnenkollektor Chlorophyll und konnten sich so vom Licht der Sonne ernähren. Um bei allzu greller Sonne deren gefährliches Ultraviolettlicht zu meiden, entwickelten sie überdies Sensoren für kurzwelliges Blaulicht und konnten so die Welt in Farben sehen. Ich trage drei chemische Nachkommen dieses Blau-empfindlichen Sensors in meiner Netzhaut – sie erkennen Blau, Grün und Rot. Da ihre Farbbereiche überlappen und mein Gehirn ihre Signale miteinander vergleicht, kann ich nicht nur drei, sondern Millionen verschiedener Farben sehen.

Und doch bin ich nahezu blind, denn was ich als Licht empfinde, ist nur ein winziger Bruchteil aller elektromagnetischen Wellen. Diese reichen von 1000 Kilometer langen Radiowellen bis zu den Millionstel mal Millionstel Meter kurzen Gammastrahlen explodierender Sterne. Meine Augen erkennen lediglich Wellenlängen zwischen 400 und 700 Milliardstel Meter und melden sie meinem Gehirn als die Farben des Regenbogens – von Blauviolett bis Tiefrot.

Meine Sonnenlicht essenden Vorfahren haben das Antlitz unseres Planeten tiefgreifend verändert. Da sie eine unerschöpfliche Energiequelle hatten, überwucherten sie das Land und die Meere. Und da sie dabei Sauerstoffgas aus dem Wasser freisetzten, reicherte sich dieses Gas in der ursprünglich sauerstofffreien Atmosphäre immer mehr an. Bald entwickelten einige Lebewesen die Fähigkeit, die Überreste anderer Zellen mit Hilfe dieses Gases zu verbrennen – sie «erfanden» die Atmung. Unser Körper und unsere Nahrung sind gespeicherte Lichtenergie – ein Abglanz des atomaren Feuers in unserer Sonne.

Licht senden

Ein schwacher Widerschein dieses Feuers glimmt sogar in den Tiefen unserer Weltmeere. Diese sind der weitaus grösste Lebensraum auf unserem Planeten, ab einer Tiefe von 1000 Metern jedoch dunkle, kalte und oft auch sauerstoffarme Wüsten. Wie orientieren Lebewesen sich in dieser schier grenzenlosen Finsternis? Wie finden sie Beute – oder Paarungspartner? Und wie erkennen sie rechtzeitig Räuber, um ihnen zu entfliehen? Vieles davon ist noch Geheimnis. Wir wissen jedoch, dass die meisten Tiefseebewohner dafür Lichtsignale verwenden. Gewöhnlich erzeugen sie diese in eigenen Lichtorganen, in denen Nervenimpulse die Reaktion körpereigener Substanzen mit Sauerstoff auslösen und dabei «kaltes» Licht erzeugen – wie Glühwürmchen dies tun. Einige Fische züchten in ihren Augensäcken sogar lichtproduzierende Bakterien und schalten diese raffinierten Scheinwerfer durch Hautbewegungen an und ab.

Auch viele Meeresbakterien erzeugen Licht, doch im Gegensatz zu ihnen versenden Fische, Kopffüssler und Schalentiere ihr Licht meist in Pulsen, die vielleicht Information tragen. Das ausgesandte Licht ist fast immer blaugrün, da solches Licht Wasser besonders leicht durchdringt. Deswegen begnügen sich viele Tiefseefische mit einem einzigen, blaugrün-empfindlichen Sehpigment und leiten dessen Signale mit sehr hoher Verstärkung an das Gehirn. So können sie zwar keine Farben sehen, dafür aber kurze und schwache Lichtsignale mit grosser Genauigkeit orten.

Schwach leuchtender Verstand

Abbildung 3: Idiacanthus atlanticus (Schwarzer Drachenfisch). Weibchen. Wikimedia Commons.

Ein Lichtpuls kann jedoch auch Beute alarmieren oder Räuber anlocken. Der in Tiefen ab 1000 Metern lebende Schwarze Drachenfisch umgeht diese Gefahr, indem er nicht nur blaugrünes, sondern auch tiefrotes Licht aussendet, das für andere Tiere unsichtbar ist. Über diese Privatfrequenz kann er sich ohne Störung von aussen mit seinen Artgenossen verständigen und ahnungslose Opfer ins Visier nehmen. Seine Rotscheinwerfer erzeugen zunächst blaugrünes Licht, verwandeln es aber mit Hilfe eines zusätzlichen Farbstoffs in rotes Licht und «reinigen» dieses dann noch mit einer farbigen Linse. Um das tiefrote Licht seiner Artgenossen wahrzunehmen, speichert der Drachenfisch in seinen Augen eine Variante des grünen Chlorophylls, das rotes Licht wirksam verschluckt und dessen Energie auf noch rätselhafte Weise an den Blaugrün-Sensor der Fischnetzhaut weitergibt. Da der Drachenfisch Chlorophyll nicht selbst herstellen kann, nimmt er es wahrscheinlich mit der Nahrung auf – doch wir wissen nicht, von wem. Was immer die Antwort sein mag – alle lichtspendenden Stoffe und der für ihre Reaktion erforderliche Sauerstoff stammen letztlich von eingefangener Sonnenenergie. Die pulsierenden Lichtpunkte in den Tiefen unserer Weltmeere sind ferne Nachkommen des Sonnenlichts.

Vieles an uns und der Welt ist rätselhaft und dunkel – und die Finsternis unserer Vorurteile bedrohlicher als die der Meerestiefen. Unser Verstand ist uns Licht in dieser Finsternis. Er leuchtet nur schwach – und ist dennoch das wunderbarste aller Sonnenkinder.

 

Anmerkungen der Redaktion

Der Autor

Gottfried Schatz wird hier vorgestellt.